Hanna, ein Weisenkind

Hanna ein Weisenkind
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39 Ein Weisenkind Namens Hanna

Hannelore, genannt Hanna, war ein Waisenkind. Sie hatte mit vier Jahren ihre Eltern bei einem Zugunglück verloren. Hanna war ein hübsches, niedliches Kind. Ihre roten, lockigen Haare standen ihr immer wirr vom Kopf, die Schwestern im Waisenhaus konnten diese Haarflut nicht bändigen. Durch ihr sonniges Gemüt eroberte sie alle Herzen in Sturm. Die vielen neuen Eindrücke und die anderen Kinder halfen ihr, das Unglück schnell zu vergessen. Im Nu war ein Jahr vergangen und die Kleine durfte sich neue Eltern aussuchen. Im Kinderheim war es üblich, das die Neuzugänge erst nach einer Wartezeit von einem Jahr eine neue Familie bekamen. In der

Zwischenzeit wurde nach leiblichen Verwandten gesucht. Im Fall der kleinen Hanna wurde keine Verwandte gefunden. Die Mutter Oberin rief Hannelore in ihr Büro und teilte ihr mit: „Liebe Hannelore! Im Wartezimmer sitzen drei Ehepaare, die möchten dir gerne ein neues Zuhause geben. Wir haben beschlossen, dass du dir die neuen Eltern selber aussuchen darfst. Gehe jetzt mit der Schwester, die bringt dich in den Vorraum.“ Hanna sollte mit jedem Paar eine Stunde im Garten verbringen und sich dann für ihre neuen Eltern entscheiden. Den Vormittag ging sie mit dem Ehepaar Schneider im Garten spazieren. Sie musste die beiden Schneiders mit Herr und Frau anreden und immer an der Hand von Frau Schneider den Weg entlang gehen. Auf die ihr gestellten Fragen gab sie höfliche Antworten und war froh, als die Schneiders sie im Haus bei der wartenden Schwester Maria ablieferten. Sie verabschiedete sich von dem Ehepaar und ging mit Maria ins Besucherzimmer. Hier wurde Hanna schon von Herr und Frau Knappler erwarteten. Die Beiden waren vornehm gekleidet und Hanna sah gleich die goldenen Ringe und Ketten. Der Schmuck klapperte am Hals und den Arm von Frau Knappler. Was hatte Schwester Maria gerade gesagt: „Die stinken vor Geld, da wirst du es gut haben.“ Hannelore gab Frau Kappler die Hand und machte einen Knicks, so wie Schwester Maria es ihr geraten hatte. Herr Kappler strich ihr über das Haar und sprach: „Guten Tag Hannelore. Du darfst Tante und Onkel Kappler zu uns sagen, während wir den Tag verbringen. Wir sind sicher, dass du gerne bei uns bleiben willst.“ Gemeinsam gingen sie ins Dorf, wo Herr Kappler schon einen Tisch reserviert hatte und der Wirt mit dem Essen wartete. Hanna fand die Kapplers richtig nett, bis sie ihr von dem Internat erzählten, in dem sie zur Schule gehen sollte. Auch das sie immer mit Hannelore angesprochen wurde kam ihr komisch vor, da man sie immer Hanna nannte. Als sie nach dem Essen durch den Park gingen - Onkel Kappler nannte es Verdauungsspaziergang - hüpfte Hanna ungeduldig von einem Bein auf das andere. Tante Kappler fand das unschicklich für eine angehende Dame. Also ging Hannelore schicklich bis sie im Heim ankamen.

Hanna war schon mutlos, als sie im Nebenzimmer auf die Gärtners traf. „Hallo kleines Fräulein, erinnerst du dich noch an uns?“ So wurde sie von dem Mann angesprochen, der sie schon mehrmals im Heim besucht hatte. Herr Gärtner hatte ihr beim letzten male Obst im Körbchen überreicht. „Schau mal, wen ich dir heute mitgebracht habe.“ Mit diesen Worten schob er seine Frau Else auf Hannelore zu und sprach: „Liebes Kind, das hier ist deine neue Mama, wenn du willst. Na? Wie gefällt dir meine Frau? Ist das nicht die Mutter, von der du mir einmal erzählt hast?“ Vor lauter Fragen kam Hanna gar nicht zum antworten. Sie starrte immer nur auf Frau Gärtner. Genauso hatte ihre Mutter im Traum ausgesehen und mit einem Lächeln ging sie auf die Frau zu. Die Gärtners gingen in die Hocke und umschlangen die Kleine mit ihren Armen. Hannelore fühlte sich gleich geborgen und eigentlich war die Entscheidung schon gefallen. Sie brauchte keine Stunde mehr, die beiden anderen Ehepaare waren im gleichen Moment vergessen. Schwester Maria sah gleich was passiert war. Liebe auf den ersten Blick. Sie ging zur Mutter Oberin, damit sie die Übergabepapiere bereitmachen konnte. Weil sie die Ehepaare im Vorfeld überprüft hatte konnten die Gärtners die Kleine gleich mitnehmen.

Dann ging sie in den Schlafraum für Mädchen und packte den gelben Koffer, den die Kleine vor einem Jahr mitgebracht hatte. Viel war nicht in den Koffer zu packen. Als sie am Spielzimmer vorbeikam, ging die Tür auf und ein blonder Junge sah sie mit traurigen Augen an. „Hat die Hanna jetzt neue Eltern gefunden? Geht Hanna jetzt weg? Warum kann ich nicht mitgehen?“ All die Fragen sprudelten nur so von den blassen Lippen. Schwester Maria stich mitleidig über eine widerspenstige Locke und sprach: „Rolfi sei nicht Traurig. Freue dich über das Glück von Hanna. Ihre neue Familie hat eine große Gärtnerei, da hat sie viel Platz zum spielen und gesunde Luft. Im Frühjahr, wenn wir die Tulpenschau besuchen triffst du Hanna ja wieder.“ Sie gab ihm einen Klaps auf den Po und schicke ihn ins Spielzimmer zurück. Am späten Nachmittag stieg Hanna gerade mit den neuen Eltern in das angeforderte Taxi, als Rolfi rufend auf den Wagen zulief und weinend drückte er Hanna einen zerzausten Teddy in die Hand und sprach: „Meine liebste Hanna, bitte vergesse mich nicht.“

Dann drehte er sich um und lief den Weg, den er gekommen war zurück. Den Erwachsenen stiegen vor Rührung Tränen in die Augen, sogar der Taxifahrer zog sein Taschentuch und schnäuzte sich die Nase. Dann war es soweit. Winkend nahm sie Abschied von den Zurückbleibenden. Die Fahrt ging in die nächste Stadt. Frau Gärtner hatte beschlossen, dass die neue Tochter unbedingt einige Kleider und auch einen Wintermantel dringend benötigte da es schon ziemlich spät im Jahr war konnte der Winter jeden Tag kommen. Aufgeregt probierte Hanna verschiedene Kleider an und zeigte sie Herrn Gärtner, den sie nun Vati nannte und seiner Frau, die jetzt ihre neue Mutti war. Wenn Vati nickte, wurden die Kleider zu Seite gelegt und weiter ging die Modenschau. Mutter und Tochter hatten schon richtig rote Wangen als Vater zum Aufbruch drängte. Die Verkäuferin legte die ausgesuchten Kleidungsstücke zur Seite und versprach diese schnellstens an die angegebene Adresse zuschicken. Nur das bunte Strickkleid und der grüne Mantel, mit dem weißen Pelzkragen, zog die Kleine gleich an. Ab ging es zum Bahnhof, denn der Zug, der Hanna in die neue Heimat bringen sollte, war gerade auf Gleis eins eingelaufen, so tönte es aus dem Lautsprecher. Die Fahrt dauerte einige Stunden und am ende der Reise waren alle rechtschaffen müde und gingen gleich ins Bett.

40 Der erste Tag im neuen Heim

Als Hanna am Morgen erwachte, wusste sie nicht gleich wo sie war. Sie zog die Bettdecke bis unter ihr rundes Kinn und schüttelte sich. Brrr! Warum ist es heute so kalt im Schlafraum, sicher hat Schwester Maria vergessen, das Fenster zu schließen dachte Hanna und öffnete suchend ihre Augen. Erstaunt stellte sie fest, dass ihr der Raum vollkommen fremd war. Langsam rutschte sie, das Federbett fest mit ihren Händen umklammert, bis zum Fußende des fremden Betts. Sie rieb sich die Augen und sah sich erstaunt um. Langsam setzte bei ihr die Erinnerung ein. Richtig! Seid gestern habe ich ja neue Eltern. Ich bin kein Waisenkind mehr. Für ihre fünf Jahre begriff Hanna die neue Situation sehr schnell. Neugierig rutschte die Kleine aus dem Bett und sah sich langsam um. Was sie sah ließ ihr Herz höher schlagen. Helle Möbel standen im Zimmer vor einer mit bunten Blumen bedruckten Tapete und ein flauschiger Teppich bedeckte den Boden. Das Muster der Tapete wiederholte sich in den Vorhängen, die das Fenster verschlossen und nur einen kleinen Lichtstrahl in das Schlafzimmer ließen. Währen sie sich umsah, bohrte sie ihre kalten Zehen in den kuscheligen Läufer, der vor ihrem Bett lag. Auf Zehenspitzen schlich sie vorsichtig bis zum Fenster. Noch bedeckten sie die Scheiben und ließen den Morgen nicht ins Zimmer kommen. Doch schon griffen ihr Hände nach dem bunten Stoff und zogen den rechten Vorhang zur Seite. Schade! Ein enttäuschter Seufzer entschlüpfte dem roten Mund.
Das Fenster war zu hoch, sie konnte nicht hinaus sehen. Das Mädchen suchte mit den Blicken den Raum ab und entdeckte vor dem winzigen Schreibtisch einen mit rosa Plüsch bezogenen Hocker. Sie schob ihn zum Fenster und kletterte hinauf. Ihre Augen wurden groß und rund. Es funkelte und blitzte, die Welt, die sie vom Fenster aus sah, erschien ihr wie im Märchen. Die Morgensonne schenke dem frisch gefallenen Schnee einen rosa Schimmer. Das Feld, welches sie erblickte hatte rosa und weiße Wellen, die bis zu den entfernten Bäumen reichten. Die einzelnen Bäume sahen aus, als hätte ein Riese sie mit Puderzucker bestäubt. Direkt unter dem Fenster sah Hanna Häuser aus Glas. Etwas entfernt standen noch drei größere Häuser aus Glas. Die Sonne schien auf die flachen Dächer und erwärmte sie so, das der darauf liegende Schnee langsam schmolz. Der getaute Schnee fiel als Wassertropfen auf den Boden. Das Mädchen bemerkte immer neue Dinge, auch solche, die sie noch nie gesehen hatte. Zum Beispiel einen Mann, der mit seinen Hunden eine Herde von Schafen über die leeren Felder führte. Die Früchte der Felder waren im Herbst eingesammelt worden.

Die beiden Hunde umkreisten die Schafe und hielten die Herde zusammen. Hoch oben am blauen Himmel zog ein großer Vogel seine Kreise und stürzte auf einmal auf die Erde zu, so dass die Kleine einen Schrei ausstieß, da sie ihn schon tot auf dem Boden liegen sah. Doch der Bussard hatte nur eine Maus gefangen, die unvorsichtig über ein weißes Feld gelaufen war. Das Herz der Kleinen klopfte einige Takte schneller und sie bemerkte erst jetzt mit Deutlichkeit, wie kalt es im Zimmer war. Sie wollte gerade ins Bett schlüpfen, als vorsichtig die Tür aufging und Frau Else herein kam, Hannas neue Mutti. „Aber Kind! Was machst du da am Fenster, du wirst mir ja krank, wenn du nur mit dem Nachthemd am zugigen Fenster hockst.“ Die Kleine blicke sich die Mutti genau an. Nein, sie hatte nicht geträumt. Es war Wirklichkeit. Von so einer Mutter hatte sie im Kinderheim schon lange geträumt. Ein glückliches Lächeln erhellte ihr süßes Gesicht. Die Mutter hatte sie sofort verstanden. Sie ging auf ihr angenommenes Kind zu und zog es in die Arme. Langsam strichen die Hände der Mutter über das kupferfarbige Haar und sagte: „Mein liebes Kind, ich wünsche dir einen wunderschöner guten Morgen und hoffe, das du dich schnell an dein neues Zuhause gewöhnst. Mein Mann und ich haben uns schon immer eine Tochter gewünscht, die so ist wie du. Komm mit mir in die Küche, da ist es warm und das Frühstück wartet auf dich.“ Sie zog der Kleinen einen Morgenmantel und Pantoffeln an, dann nahm sie Hanna auf den Arm und ging die Treppe hinunter. In der Küche bullerte ein großer Kachelofen, den eine hölzerne Bank umschloss und verströmte eine angenehme Wärme. Unter der Ofenbank schlief eine schwarze Katze zusammengerollt in einer Kiste. Die Katze zuckte nicht einmal mit dem Schnurrbart als die Mutter das Kind auf einen Stuhl setzte und ihr den heißen Kakao zuschob. „Trink den Kakao, der wärmt dich von innen.“ Im gleichen Moment ging die Stubentür auf und ein Schwall eisiger Luft traf die beiden Menschen.

Herein stapfte ein bärtiger Mann und rief: „Der Winter ist diesmal früh gekommen, ich habe die Heizung im Gewächshaus höher gestellt.“ Während er sprach zog er eine Mütze vom Kopf und klopfte sich den Schnee aus der Jacke, dann erst blickte er hoch. Mit lächelndem Gesicht sprach er: „Hallo! Wen haben wir denn da? Wenn das nicht das hübscheste kleine Mädchen ist, das ich je gesehen habe, dann esse ich zum Frühstück meinen Hut.“ Die Kleine lachte, man sah, dass sie sich über diese Begrüßung freute. - Ja! Das war ihr Wunschvater. Genauso hatte sie ihn sich vorgestellt. Sie stand auf und ging ihrem Vater entgegen. Er hob sie hoch über seinen Kopf und warf sie in die Luft. Das Mädchen jauchzte und konnte nicht genug bekommen. „Jetzt ist Schluss“, rief die Mutter, „hinsetzen und frühstücken.“ Bei diesem Befehl strahlte sie über das ganze Gesicht. Nach dem Frühstück zog ihr die Mutter die neuen Kleider an, die sie gestern noch in der Stadt gekauft hatten. Der grüne Mantel mit dem weißen Pelzkragen stand Hanna gut und sie drehte sich voller Freude vor dem Spiegel hin und her. „Schau an!“ sprach die Mutter. „Unsere Tochter ist ein eitler Fratz.“ Die Kleine antwortete: „Bin kein Fratz! Doch so einen schönen Mantel habe ich noch nie gehabt.“ Da sagte die Mutter: „Na dann setzt noch die hübsche Mütze mit dem weißen Bommeln auf und ab in den Garten. Vater wartet schon auf dich, er will dir heute deine neue Heimat zeigen. Geh nach rechts in das kleine Glashaus, da wartet er schon.“ Noch ein Kuss auf den Mund und die Kleine konnte gehen. Hanna ging über den vom Schnee geräumten Plattenweg zum Gewächshaus. Hier öffnete sie die Glastür und trat ein. Sie sah eine exotische Welt mit herrlichen bunten Blumen, die üppig von der Decke hingen. Den Kopf im Nacken gelegt, so trippelte die Kleine den Gang entlang. Ihre Augen wurden immer größer und dem Mann, der in der Ecke seine Tochter beobachtete, ging das Herz vor Freude auf. Vorsichtig, um Hanna nicht zu erschrecken, ging er auf die Tochter zu und sprach sie an: „So kleines Mädchen, jetzt zeige ich dir meinen ganzen Stolz, die Orchideen. Hier, diese hat sogar schon einen Preis gewonnen.“ Er schnitt dem Kind eine Blüte ab stecke sie in eine Glasröhre und versprach, die Blume in Hannas Zimmer zu stellen. „So Tochter! Jetzt gehen wir in den Garten und bauen einen Schneemann.“

41 Hanna baut einen Schneemann

Der Obstgarten war eine große Wiese, auf der einige hohe Bäume standen. „Die sind nur für uns, die Äpfel und Birnen, Pflaumen und Kirschen kocht Mutter in Gläser ein oder macht daraus Marmelade und Früchte für den Kuchen, damit wir im Winter versorgt sind.“ Dann nahm er einen Haufen Schnee in die Hand und formte einen Ball daraus, den gab er dem Kind in die Hand und zeigte ihr, wie sie aus diesen Ball eine große Kugel rollen konnte. Hanna mühte sich ordentlich ab, ihre rote Zungenspitze blitzte zwischen ihren halb geöffneten Lippen hin und her.

Sie schob und rollte die Kugel erst immer gerade aus, doch als ein Zaun den Weg stoppte drehte sie sich nach dem Vater um und sah, dass er die weiße Rolle kreuz und quer durch den Garten schob. Dabei bemerkte sie die flachen Furchen, in denen der Schnee fehlte und das braune Gras freigab. Diese schneefreien Rillen bedeckten schnell den ganzen Garten und bald lagen drei weiße Schneekugeln auf der Wiese. Die dickste Schneekugel ließ Vater unter dem alten Apfelbaum liegen, darauf setzte er die nächste Kugel, die etwas kleiner war und obenauf kam die, die Hanna gerollt hatte. Vater befestigte die drei Riesenbälle noch mit losem Schnee, damit die einen besseren Halt bekamen, dann traten die Künstler einigen Schritte zurück und betrachteten ihr Werk. Hannas Vater war nicht zufrieden und schüttelte den Kopf, dann meinte er: „Als Junge habe ich auch Schneemänner gebaut, aber die sahen anders aus. Hier fehlt noch was.“ Er tat so, als ob er tief überlegte, was wohl dem kalten Geselle fehlte, dann schlug er sich mit der flachen Hand vor die gerunzelte Stirn und rief: „Natürlich! Jetzt weiß ich was fehlt. Warte hier auf mich, ich komme sofort wieder zurück.“ Mit langen Schritten ging er auf einen Schuppen zu, den Hanna vorher noch nicht bemerkt hatte. Nach einer Weile kam er mit einem Korb und einem Besen auf die Tochter zu. Sie wollte schon fragen was im Korb ist, als ihr Vati zwei Stücke Kohle in die kleine Kugel steckte, dabei murmelte er: „So, Herr Schneemann! Hier hast du deine Augen und als Nase habe ich dir eine wunderschöne rote Rübe mitgebracht.“ Während er sprach drückte er dem dicken Kerl die Möhre zwischen die Augen. Den Besen bekam der kalte Geselle in den rechten Arm gesteckt und den Korb als Hut oben auf. Vater und Tochter umkreisten den Schneemann und betrachteten ihr Werk.

Endlich waren sie zufrieden mit ihrem Werk und fielen sich strahlend in die Arme. Unbemerkt hatte sich der Himmel bezogen und die ersten Flocken setzten sich auf die Kleidung der Künstler. Vater nahm seine Tochter huckepack und ab ging es mit Riesenschritten auf das Haus zu, wo die Mutter schon mit heißen Getränken wartete. Nachdem sich Vater und Tochter den Schnee aus den Kleidern geklopft hatten gingen sie in die Küche und tranken mit kleinen Schlucken den bereitgestellten Trank. Hanna bekam Honigmilch und schloss nach dem ersten Schluck genüsslich die Augen, ähnlich erging es ihrem neuen Vati als er den Rotwein trank, den Mutti mit Zimt und Zucker abgeschmeckt hatte. Anschließend gingen sie ins Wohnzimmer. Im offenen Kamin flackerte ein lustiges Feuer. Hannas Vater setzte sich in den Schaukelstuhl und hob die Kleine auf seinen Schoß. Er drücke sie kurz an sich und wollte ihr eine Geschichte erzählen. Die Kleine war aber so müde, dass sie bei den ersten Worten fest einschlief. Leise rief er nach seiner Frau und vorsichtig trug er die Kleine ins Bett, wo sie von Mutter Else ausgezogen und zugedeckt wurde. Die frisch gebackenen Eltern gingen ins Wohnzimmer zurück und sprachen über ihr Glück, endlich, nach so langer Zeit, ein Töchterchen bekommen zu haben. Lange schon hatten sie diesen Wunsch, leider hatten sie keine eigenen Kinder bekommen. Den Entschluss, ein Kind aus dem Waisenhaus zu holen hatten sie spontan gefasst, als sie die kleine Hanna gesehen hatten.

42 Die erste Begegnung

Hans und Else Gärtner dachten an den Tag zurück, als sie Hannelore zum ersten Male gesehen hatten. Die Mutter Oberin aus dem Waisenhaus wollte den Kindern im Frühjahr eine Freude machen. Darum besuchte sie mit ihren Schützlingen die bekannte Gärtnerei. Herr Gärtner führte die Besucher selber durch die Gewächshäuser und erklärte ihnen die verschiedenen Blüten und Zwiebelgewächse. Am Ende des Rundgangs gab es Kuchen und Kakao für die Kleinen. Ein rothaariges Mädchen bezauberte mit ihrem Lachen Hans und Else. Sie tröstete einen blonden Jungen, der seinen Kakao verschüttet hatte und bot ihm ihr Getränk an. Doch Frau Gärtner, die sah was geschehen war, füllte die Tasse wieder neu und wischte mit einem Tuch die Bescherung auf. Als das Mädchen sich für die Gefälligkeit bedankte stand ihr Entschluss fest, sie wollte ihren Mann fragen, ob man nicht das Kind adoptieren kann. Ihr Mann unternahm die weiteren Schritte und gestern konnten sie die Kleine holen. Sie rechneten fest damit, dass Hanna sich für sie Beide entscheiden würde, was ja auch geschehen war. Hannelore war ihre Wunschtochter. Das war das Ergebnis ihres Gesprächs. Vater Hans sagte zum Abschluss: „Ich bin froh über unsere Entscheidung. Wir haben die richtige Wahl getroffen. Ich glaube, unser Töchterchen denk genauso.“ Seine Frau war seiner Meinung doch die Pause war zu Ende und Frau Else ging in die Küche, um das Essen vorzubereiten. Am nächsten Tag schneite es immer noch. In der Küche bullerte ein alter Eisenherd und verströmte eine angenehme Wärme. Neben dem Ofen stand eine Holzkiste, in der eine schwarze Katze zusammengerollt schlief. Hanna wurde von der Mutter auf einen Stuhl gesetzt und eine bunte Tasse mit heißer Schokolade stand bereits auf dem Tisch. „Trink, das erwärmt dich von innen.“ Im gleichen Moment ging die Stubentür auf und ein Schwall eisiger Luft traf die beiden Menschen. Herein stapfte ein bärtiger Mann und rief: „Der Winter ist dieses mal früh gekommen, ich habe die Heizung im Gewächshaus höher gestellt.“ Während er sprach zog er eine Mütze vom Kopf und klopfte sich den Schnee aus der Jacke, dann erst blickte er hoch.

Mit lächelndem Gesicht sprach er: „Hallo! Wen haben wir denn da? Wenn das nicht das hübscheste kleine Mädchen ist, das ich je gesehen habe, dann esse ich zum Frühstück meinen Hut.“ Die Kleine lachte, man sah, dass sie sich über diese Begrüßung freute. - Ja! Das war ihr Wunschvater. Genauso hatte sie ihn sich vorgestellt. Sie stand auf und ging ihrem Vater entgegen. Er hob sie hoch über seinen Kopf und warf sie in die Luft. Das Mädchen jauchzte und konnte nicht genug bekommen. „Jetzt ist Schluss“ rief die Mutter, „hinsetzen und Frühstücken.“ Bei diesem Befehl strahlte sie über das ganze Gesicht. Nach dem Frühstück zog ihr die Mutter die neuen Kleider an, die sie gestern noch in der Stadt gekauft hatten. Der grüne Mantel mit dem weißen Pelzkragen stand ihr gut und sie drehte sich voller Freude vor dem Spiegel hin und her. „Schau an!“ Sprach die Mutter. „Unsere Tochter ist ein eitler Fratz.“ Die Kleine antwortete: „Bin kein Spatz. Doch so einen Schönen Mantel habe ich noch nie gehabt.“ Da sagte die Mutter: „Na dann setzt noch die hübsche Mütze mit dem weißen Bommeln auf und ab in den Garten. Vater wartet schon auf dich, er will dir heute dein neues Zuhause zeigen. Geh nach rechts in das kleine Glashaus, da wartet er schon.“ Noch ein Kuss auf den Mund und die Kleine konnte gehen.

Hanna ein Weisenkind
Hanna ist eine Geschichte aus dem Buch von Trudi
Autor:

Gertrud Gottschalk aus Datteln

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