Böse Mädchen

Alles fing damit an, dass ich mich outete, gerne mal ein böses Mädchen sein zu wollen.
Also nicht irgendein böses Mädchen. Nein, so ein böses Mädchen, nachdem eine Fernsehsendung benannt ist.
In der böse Mädchen der Männerwelt den Kopf verdrehen, sie aber gleichzeitig mächtig auf den Arm nehmen. Beides schonungslos!
Im sexy Outfit treffen sie sich zum Blind Date und wenn das Gegenüber spitz wie Nachbars Lumpi ist, dann bestellt sie sich Spaghetti Bolognese, das böse Mädchen. Frißt wie ein Schwein und läßt wirklich nichts aus, was das schlechte Benehmen betrifft.

Mir wurde nun nach diesem Outing wärmstens und dringend empfohlen, mein böses Innerstes zu durchleuchten. Es aufzuschreiben, um so die Reinigung meines Innerstes zu erreichen.

Die erste Frage die sich mir spontan stellt ist die, ob ich das überhaupt anstrebe. Also die Reinigung.
Die zweite Frage, ob ich denn überhaupt wirklich und wahrhaftig ein böses Innerstes besitze. Und wenn ja, warum. Und ob nicht letztendlich jeder Mensch irgendwo tief in sich ein böses Innerstes besitzt.
Und dann gibt es noch zu klären, ob so ein böses Innerstes von Geburt an angelegt ist, quasi genetisch bedingt ist oder sich im Laufe der Jahre entwickelt.
Also schon mächtig viele Fragen, welche ich auf den Grund zu gehen gedenke, bevor ich mir weitere Gedanken über die Reinigung mache.

Hierzu muß ich mich natürlich erstmal zurück in die Kindheit begeben, um dann festzustellen, dass nicht mal meine Mutter mich als böses Mädche bezeichnete. Obwohl gerade sie sicher allen Grund dazu gehabt hätte. Empfand sie mich doch immer als schwieriges Kind.
Manchen Lehrer brachte ich mit meinem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn zur Verzweiflung. Für meine Schwester war ich irgendwann, als sie Barbiepuppen gegen ihren ersten Freund eintauschte, ein lästiges Anhängsel.
Und dennoch bekam ich später ihre Bewunderung, weil ich immer meinen Weg ging und die Konfrontation nicht scheute.

Spielen tat ich am liebsten mit den Aussenseitern dieser Welt, welche von den anderen Kindern gemieden wurden, nur weil sie vielleicht ein verbranntes Gesicht hatten oder aus ärmlichen Verhältnissen stammten.

Ich war eine Rebellin, wäre besser ein Junge geworden, hieß es oft. Wobei ich nie verstand, warum ein Junge die Dinge, die ich tat, wohl durfte und ein Mädchen nicht.
Sind Mädchen die Jungensachen tun böse Mädchen???

Wenn ich früher, im Brautkleid meiner Mutter, Sissi war, so wollte ich später wie Jeanne d 'Arc sein. O.K ich mußte nicht unbedingt heilig gesprochen werden, aber wollte eine Heldin, eine Märtyrerin sein. Und ganz sicher mutig, ehrlich, gerecht, stark und berühmt! Auch wenn ich dafür auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden würde.

Es waren die recht harmlosen „Verstehen Sie Spaß“ -Varianten oder „Upps – die Pannenshow“, bei denen sich meine Familie, an meine angeblich ausgeprägte Schadenfreude, gewöhnte.
Es machte mir nichts aus, ob ein Kleinkind den Auftrag bekam fünf Eishörnchen von A nach B zu transportieren und dabei noch zwei geschlossene Türen zu überwinden hatte . Oder ob Omi dem Opi aus versehen ein blaues Auge schlug oder irgendein Schlauchboot umkippte.
Ich behauptete damals schon, dass es keine Schadenfreude sei , welche mir die Tränen über die Wangen trieb. Richtig erklären konnte ich es aber auch nicht.

Ich lache ja nicht darüber, dass sich jemand verletzt oder weh tut.
Ich lache über die Komik der Situation. Und oft sieht man schon im Voraus was passieren wird.
Und glaubt mir, würde vom Sender nicht vorher eifrig beteuert, dass in all den Filmen, dem Opfer nie was ernstes passiert sei, ich würde keine Miene verziehen.
Ja, die Sendung gar boykottieren.

Wenn ich mit meinen Mädels durch Kneipen und Discos zog, machte ich mir einen Jux daraus die aufdringlichen Herren zu veräppeln.
Die, die ich nett fand sprachen mich sowieso eher selten an. Hatte ich die Initiative ergriffen, bekam ich zu hören, sie hätten Angst vor mir gehabt.
Wobei dadurch mein Interesse an ihnen auch gleich wieder drastisch verflog.

Ich liebe es noch heute auch mal neben die Etikette zu treten. Zu provozieren.
Ich bin immer ehrlich und direkt oder direkt ehrlich. Das kommt nicht immer überall gut an.
Bin ich deswegen nun eins von diesen Mädchen welche nicht in den Himmel aber dafür überall hinkommen?
Dann ist doch alles gut.

Sicherheitshalber analysiere ich aber noch Horoskope, Enneagramme, nach angeblichen Charaktereigenschaften meines Sternzeichens oder was es so alles gibt.
Wegen der Reinigung.
Es gibt gute Eigenschaften, weniger gute, zutreffende, weniger zutreffende, aber nirgends steht was von böse.

Entgegen aller Erwartungen muß ich aber feststellen, dass der Wunsch ein böses Mädchen zu sein nicht ganz unerfüllt geblieben ist.
Ich bin ein böses Mädchen. Aber ein böses Mädchen zu sein ist nichts schlechtes.
Es ist vielmehr eine Gabe.
Es ist Humor. Vielleicht ein böser, ein schwarzer. Aber HUMOR.

Und manchmal ein kleines bisschen böse sein: das reinigt!

O.V.

Autor:

Olga Vierweg aus Düsseldorf

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