Die Schulden Elite

Hagen, 17. März 2013 Politik ist die Kunst des Machbaren, die bisher in der Schuldenkrise versagt hat. Es hat den Anschein, dass Politiker und Wissenschaftler versuchen aus einem Rührei ein Spiegelei und aus Paniermehl einen Semmel machen zu wollen. Man nehme 5,2 Billionen Umsatz, plant ein Wachstum von 2 Prozent (104 Mrd. Euro) und ist am Ziel seiner Wachstumsträume. Ein Rückgang oder Stagnation des BIP wird nicht einbezogen. Reichen die Mehreinnahmen nicht, werden soziale Leistungen gekürzt und an der Lohnschraube gedreht. Das hat dazu geführt, dass die Schulden seit den 70er Jahren kontinuierlich von 64 Mrd. DM auf 2.071 Mrd. Euro gestiegen sind.

Deutschland hat ein eklatantes Einnahme-Problem. Der Grundsatz, dass Ausgaben und Kredite die Einnahmen nicht dauerhaft übersteigen dürfen, wird ausgehebelt. Privatinsolvenzen und Pleiten sind die Folge. Um die Schulden nicht ausufern zu lassen, wurde der Referenzwert von 60 Prozent eingeführt. Daran gemessen ist der Staat mit rund 550 Mrd. Euro überschuldet. Für den Bundeshaushalt, dessen Einahmen in den letzten 12 Jahren durchschnittlich bei rund 250 Mrd. Euro pro Jahr lagen, greift der Referenzwert 3 Prozent - gemessen am Bruttoinlandsprodukt.

In den letzten 7 Jahren wurden Kredite von rund 700 Mrd. Euro aufgenommen. Seit 1970 kam es darüber hinaus zu Billionen-Einnahmeverlusten. Es wurden 20 Steuerarten abgeschafft, darunter die Vermögens- und Börsenumsatzsteuer, der Spitzensteuersatz wurde von 57 % auf 42 % gesenkt. Eine weitere Belastung der Staatskassen erfolgte durch den Immobiliencrash 2008 in den USA. Die Folge sind Billionen-Bürgschaften für Banken, deren Schrottpapiere und Rettungsschirme. Der ESM ist mit 700 Mrd. Euro Barleistungen ausgestattet, der Anteil der BRD beträgt 170 Mrd. Euro.

Für Rettungsschirme und ESM werden überschuldeten Staaten, vorzugsweise Nehmerländer, in Anspruch genommen, die aufgrund ihrer Überschuldung als Bürgen untauglich sind. Der Zahlmeister Deutschland wird letztlich dafür haften. In Summe hält diese Entwicklung keine Volkswirtschaft aus. Die Schulden Verursacher, die jeweiligen Regierungen, sitzen das gelassen aus. Bisherige Versuche, über Sparmaßnahmen und Konsolidierung der Haushalte regulierend einzugreifen scheitern kläglich. Die Notenbanken der USA, China, Japan, der EZB und Länder-Notenbaken betreiben eine zügellose Geldpolitik. Sie haben Billionen frisches Geld gedruckt, um die Märkte zu beruhigen und damit neue Schulden produziert.

Große Geldströme fließen in die Börsen, die Aktien haben weltweit Höchstwerte erreicht. 8.000 Punkte waren die magischen Grenzen, nach denen es 2001 und 2008 zu Börsencrashs kam die Billionen verbrannten. Deutschland steht wie ein Fels in der Brandung und wartet mit stetig wachsenden Exporten auf. Exporte zu Lasten der Nachbarländer, da sie mit Dumpinglöhnen (Niedriglöhne, Leiharbeit und Werkverträgen) und Dumping Lohnnebenkosten - zu lasten der Beschäftigten - produziert werden. Deutsche Spitzenprodukte zu deutschen Niedrigpreisen sind als Made in Germany beliebter als je zuvor.

2012 liegt der Export-Überschuss bei rund 178 Mrd. Euro. Exporten von rund 1.078 Mrd. Euro stehen Einfuhren von rund 900 Mrd. Euro (Verrechnungseinheiten) gegenüber. In den letzten 12 Jahren kam es zu Überschüssen von fast 2 Billionen Euro, die die Schulden der Importeure in diesem Umfang erhöhten. Während sich das BIP dynamisch entwickelt, verharren die Einnahmen zum Bundeshaushalt auf einem niedrigen Niveau. Was hat die Agenda 2010 bewirkt? Sie hat aus den genannten Gründen zur Rückführung der Arbeitslosigkeit geführt und dazu, dass es immer mehr Arme und Reiche gibt. Schröder sollte seine Agenda 2020 dem Schuldenabbau widmen, doch das ist für ihn als Lobbyist kein Thema mit dem er glänzen kann.

Schröder scheiterte mit seiner Forderung nach gesetzlichen Mindestlöhnen und Eindämmung der Leiharbeit. Das deutsche Steuersystem ist in den vergangenen Jahren ungerechter geworden. Während insbesondere Vermögende und Unternehmen entlastet wurden, müssen Beschäftigte immer mehr zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben beitragen. Das EU-
Parlament wehr sich gegen Aufstockung des Haushaltes um rund 60 Mrd. Euro pro Jahr. Es wehrt sich gegen die Schulden Elite, die an hohen Subventionen für Großbauern festhält und eine Umverteilung zu Gunsten von Bildung und sozialer Gerechtigkeit ablehnt.

Hohe Schulden, leere Staatskassen, Ausgaben die weiter über Kredite finanziert werden, beflügeln die Rezession in Europa: Weiter steigende Arbeitslosigkeit - insbesondere Jugendarbeitslosigkeit - niedrige Löhne, steigende Mieten und steigende Mietnebenkosten (Strom, Gas, Öl, Gemeindekosten). Inflationärer Rückgang der Kaufkraft, Kürzung von Löhnen, Gehälter und Renten führen insbesondere zum wirtschaftlichen Niedergang südlicher Länder. Es ist wie bei einer schweren Epidemie, man befürchtet, dass sie auf Deutschland übergreifen könnte. Alle verschanzen sich hinter einem Berg Schulden und bekennen sich nicht dazu.

Die EZB wird im April die Durchschnitts-Vermögen im Euroraum bekannt geben. Demnach beträgt das Pro-Kopf-Vermögen in Deutschland 135.000 Euro. In den Schuldenländern Frankreich 206.000 Euro, Belgien 181.000, Italien 165.000 Euro und Österreich 139.000 Euro. In den Nehmerländern Irland 118.000 Euro, Zypern 87.000 Euro, Spanien 81.000 Euro und in Griechenland 70.000 Euro (ARD). Geht man davon aus, dass rund 70 Prozent der Erwachsenen ab 19 Jahre ein Durchschnittsvermögen von ein Prozent besitzen, besitzen die restlichen 30 Prozent rund 99 Prozent des Volksvermögens (davon 5 Prozent rund 95 Prozent).

Die Folge könnte sein, dass die EZB/EU die hohen Vermögen stärker besteuern wird. So, wie sie schlagartig über Nacht Sparkonten in Zypern mit einmaligen Sonderzinsen von 6,55 und 9,9 % belegten - Zinsertrag für den Staat 5,8 Mrd. Euro. Es ist unter diesen Gesichtspunkten eine Frage der Zeit, wann neben der SPD, Bündnis90/Die Grünen, Die Linken, Gewerkschaften, Sozialverbände und Kirchen, die die Wiedereinführung der Vermögenssteuer vehement fordern, die Koalition auf diesen Zug aufspringt. Es ist ein Teil der “neuen“ sozialen Gerechtigkeit die Bürger einfordern, der sich Angela Merkel nicht entziehen kann.

An den Fragen nach gesetzlichen Mindestlöhnen und Mindestrenten, die in 20 EU-Staaten an der Tagesordnung sind, werden sich die Geister scheiden. Mit gesetzlichen Mindestlöhnen werden einerseits Arbeitgeber stärker belastet, andererseits führen sie zu einem starken Anstieg der Binnennachfrage. Der Staat spart Milliarden bei den Regelsätzen und 17 Mrd. Euro allein bei Mietzuschüssen. Ohne eine angemessene Beteiligung der Finanz- und Vermögenselite an den Kosten des Staates wird das nichts mit dem Weg aus der Krise.

Wenn man sich nicht in der Sache einigt, bleibt der Weg eines Lastenausgleichs zu Gunsten der Armen und sozialer Gerechtigkeit. Nach dem Krieg wurde den Mensche geholfen, die in besonderem Maße unter den Folgen des 2. Weltkrieges gelitten haben. Durch das Lastenausgleichsgesetz zahlten die Bürger, denen ihre Immobilien nicht zerstört wurden, 50 Prozent des ermittelten Wertes an die, die alles verloren hatten. Jede reißerische Nachricht, und sei sie noch so schlecht, verdrängt Diskussionen zum Schuldenabbau.

Für Politiker, Ökonomen, Betriebswirte, Wirtschaftsweise und Arbeitgeber beginnt eine neue Zeitrechnung. Sie werden ihre teils antiquierten Auffassungen einer modernen Zeit anpassen müssen. Es reicht nicht, dass 50 % von ihnen Pro oder Contra neuer Lösungen, Ideen und Auffassungen sind, sie müssen gemeinsam Fragen der Zukunft beantworten. Greenpeace steht stellvertretend für Umweltschutz, Amnesty International für Menscherechte. Die Initiative Agenda 2011 – 2012 für soziale Gerechtigkeit.

Es helfen keine punktuellen Vorschläge, wenn sie nicht in einer Gesamtlösung eingebunden sind. Wie eine europaweite Lösung der Krise aussehen kann wurde der Öffentlichkeit bereits im Mai 2010 vorgestellt. Es wurde anhand von 30 Schwerpunkthemen ein Sanierungskonzept erarbeitet, das für die Erhöhung der Einnahmen der Bundeshaushalte von 255 auf 550 Mrd. Euro pro Jahr und Rückführung der Staatsschulden steht. Was die Politik auch an Lösungen anbietet, sie wird an diesen Themen nicht vorbeikommen.

Dieter Neumann

Autor:

Dieter Neumann aus Hagen

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