Monheimer Badeanstalt: Ein "Schatz" für das Stadtarchiv

Wo heute der Schiffsanleger entsteht, gab es vor 105 Jahren schon einmal eine Baustelle. Stellmachermeister Carl Friedrich Esser wollte hier eine "Flussbadeanstalt" errichten. Doch dazu kam es nicht. Drei Tage vor der Einweihung ereignete sich ein schlimmes Unglück, bei dem sein Sohn ums Leben kam. Bodo Esser (auf dem Foto an der Unglücksstelle mit einem Bild seines ertrunkenen Großonkels Friedrich Wilhelm) hat dem Lokalkompass die in Monheim (fast) unbekannte Geschichte erzählt. Foto: Michael de Clerque
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  • Wo heute der Schiffsanleger entsteht, gab es vor 105 Jahren schon einmal eine Baustelle. Stellmachermeister Carl Friedrich Esser wollte hier eine "Flussbadeanstalt" errichten. Doch dazu kam es nicht. Drei Tage vor der Einweihung ereignete sich ein schlimmes Unglück, bei dem sein Sohn ums Leben kam. Bodo Esser (auf dem Foto an der Unglücksstelle mit einem Bild seines ertrunkenen Großonkels Friedrich Wilhelm) hat dem Lokalkompass die in Monheim (fast) unbekannte Geschichte erzählt. Foto: Michael de Clerque
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Die Geschichte Monheims ist ohne den Rhein nicht denkbar; der Rhein hat Spuren hinterlassen, und zwar in vielerlei Hinsicht. So auch bei der Familie Esser, deren Urgroßvater Carl Friedrich den Mitbürgern einen ganz neuen Komfort gönnen wollte. Eine Badeanstalt sollte es werden, und zwar zu Pfingsten 1912, zu einer Zeit also, als Bäder oder Badewannen in den Häusern noch weitgehend unüblich waren. Sein Urenkel hat sich mit Unterlagen und vergilbten Dokumenten an den Lokalkompass gewandt mit der Bitte, seine Geschichte öffentlich machen zu können.

Von Elfie Steckel

Bodo Esser hat von seiner Großtante Martha, einer Tochter von Carl Friedrich, etliche Dokumente und Bilder über die Familien- und auch die Stadtgeschichte übernommen. Sie war eine von drei Töchtern von Carl Friedrich Esser, der außerdem auch vier Söhne hatte. Uropa Esser also hatte die Idee zu der Badeanstalt, ungefähr an der Stelle, wo heute der neue Anleger entsteht und auch damals schon die Fähre anlegte. Er zeigt Pläne und Unterlagen der Königlich-Preußischen Rheinstrom-Bauverwaltung zu Koblenz vor, die bis in das Jahr 1902 zurückreichen, als Esser schon die grundsätzliche Baugenehmigung erhielt.

Anlage mit Restaurant

Die Badeanstalt muss man sich so vorstellen, dass man über eine Brücke zu Umkleidekabinen und Toiletten kam. In alten Plänen ist das alles maßstabgetreu eingezeichnet. In den Kabinen wurden die Kleidungsstücke aufgehängt, und dann setzten sich die Badegäste in eine Art Korb darunter, der im Rheinwasser stand. Die ganze Anlage sollte auch noch ausgebaut und erweitert werden um eine Küche und ein kleines Restaurant.

Bis alle Details (und sicher auch die Finanzierung) geklärt waren, ging etliche Zeit ins Land, die Genehmigung wurde aber stets verlängert, 1912 war dann endlich Baubeginn, und die Einweihung sollte am 26. Mai, Pfingstsonntag, stattfinden. Ein großes Fest war geplant und die letzten Vorbereitungen liefen, als sich am 23. Mai das Unglück ereignete: Ein Rheinschiff verlor in Höhe der auf Pontons schwimmenden Badeanstalt Fässer oder Kisten, die auf die Pontons zutrieben. Der 21-jährige Friedrich Wilhelm Esser, Geselle im Betrieb seines Vaters und als Betreiber der Badeanstalt vorgesehen, wollte Schlimmeres verhindern, sprang ins Wasser - und ging unter. Tage später wurde seine Leiche im Düsseldorfer Hafen angespült. 

Belohnung ausgesetzt

Der Düsseldorfer General-Anzeiger veröffentlichte am 25. Mai 1912 folgende Meldung: "Monheim, 24 Mai. Ertrunken ist im Rhein der 21jährige Stellmachergeselle Friedrich Wilhelm Esser, der auf einer Badeanstalt arbeitete, in dem Augenblick, als er eine von der Ladung eines Schiffes über Bord gegangene Kiste anlanden wollte. Auf die Auffindung der Leiche ist von den Angehörigen eine Belohnung ausgesetzt".

Mit diesem schrecklichen Unglück waren auch die schönsten Träume von Carl Friedrich Esser und seiner ganzen Familie geplatzt. Die Pontons wollte niemand mehr auf dem Monheimer Ufer liegen sehen; sie wurden erst mal zur Piwipp geschleppt und kamen später von dort in den Düsseldorfer Hafen, wo die Familie Esser auch noch jahrelang Liegegebühr zahlen musste.

Der Erste Weltkrieg und Prozesse mit der Lebensversicherung von Friedrich Wilhelm, der Versicherung der Badeanstalt und der des Schifffahrtsunternehmens verwischten die weiteren Ereignisse. Carl Friedrich Esser starb 1922 im Alter von 66 Jahren an einem Herzinfarkt.

Bewegende Geschichte

Nachdem uns Bodo Esser diese bewegende Geschichte erzählt und auch anhand von Dokumenten belegt hatte, fragten wir bei Stadtarchivar Michael Hohmeier nach, der selbst kleinste Details aus der Stadtgeschichte kennt, aber diesmal eine unglaubliche Antwort gab: "Davon habe ich noch nie etwas gehört!" Das Angebot, ihn im Rathaus mit allen Unterlagen und Bodo Esser zu besuchen, nahm er gerne an.

Einziger Beleg

Zwischenzeitlich hatte er als einzigen Beleg im Rathaus die Sterbeurkunde von Karl Friedrich ausgegraben mit folgendem Wortlaut: "Die Polizei-Verwaltung in Monheim hat mitgeteilt, daß der Stellmachergeselle Friedrich Wilhelm Esser, 21 Jahre 4 Monate alt, evangelischer Religion, wohnhaft in Monheim, geboren zu Monheim, ledig, Sohn des Stellmachermeisters Karl Friedrich Esser und seiner Ehefrau Helene geborene vom Ende, beide wohnhaft in Monheim, bei Monheim im Rheine am dreiundzwanzigsten Mai des Jahres tausend neunhundert und zwölf vormittags um elf ein halb Uhr ertrunken ist. Die Leiche ist am 30. Mai 1912 bei Düsseldorf im Rheine gelandet worden."

Bodo Esser, Industriemeister in der Chemie, hat sich sehr gefreut, die Unterlagen des Stadtarchivs ein klein wenig bereichern zu können. Er lebt in der Familientradition fort, und so wundert es nicht, dass er ebenfalls Feuerwehrmann (in der vierten Generation) ist, wie Urgroßvater Carl Friedrich, der seinerzeit die Feuerwehr in seiner Heimatstadt gründete. Nebenbei gehört er dem Vorstand des Heimatbundes als zweiter Vorsitzender an und bei den Chrisboomschmückern macht er auch gerne mit.

Autor:

Lokalkompass Langenfeld - Monheim - Hilden aus Monheim am Rhein

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