Manchmal lohnt es sich über den eigenen Schatten zu springen

Die Line der Miners beim Viertelfinalsieg in Crailsheim
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  • Die Line der Miners beim Viertelfinalsieg in Crailsheim
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"Ab heute ändert sich alles. Ich gehe jetzt ins Fitnessstudio!" - So fangen wohl die meisten Sätze von Leuten an, die danach monatelang etwas bezahlen, das sie nie wieder nutzen werden.

Zuerst geht man bewaffnet mit den extra neu gekauften Fitnessklamotten in ein Studio, lässt sich motivieren, beraten und einen Vertrag unterschreiben. Ja, man geht jetzt erstmal alleine. Aber man findet sicher neue Freunde. Nach den ersten zwei Einheiten ist man dann meistens in der Realität angekommen. Keine neuen Freunde, sondern durchtrainerte, muskelbepackte Männer und athletische Frauen in engen Klamotten laufen hier durch die Gegend. Daneben das dicke Mädchen, das nun verschüchtert in neuen Fitnessklamotten in der Ecke steht und eigentlich doch lieber wieder nach Hause möchte. So gestaltete sich auch meine sportliche Aktivität über Jahre. Wie viele Studios ich über Jahre hinweg finanziert habe und dann doch nie hingegangen bin, lässt sich inzwischen wohl nicht mehr an einer Hand - oder an den Gratis-Trinkflaschen, die man bei Vertragsabschluss bekommen hat - abzählen. Daneben habe ich noch diverse Sportarten ausprobiert, bei denen ich nie wirklich schlecht war, jedoch auch nie richtig mithalten konnte. Ich habe davon gelebt, meinen inneren Schweinehund dauerhaft zu überwinden, um am Ende doch einfach hinterher zu laufen. Frustration war vorprogrammiert. Es musste eine Veränderung her.

Schon immer war ich begeistert vom American Football. Diese Mischung aus Härte, Taktik und Teamgeist hat mich fasziniert. Aber mit 30 Jahren nochmal einen neuen Sport beginnen? Und tut das nicht alles auch ganz furchtbar weh? Finde ich überhaupt eine Position für mich? Fragen über Fragen, die sich nur beantworten lassen, wenn man es ausprobiert. Also habe ich mich über die Facebook-Seite der Miners gemeldet und bin zum nächsten Training gefahren. Schon nach etwa fünf Minuten war mir klar, dass das was für mich sein könnte. Nachdem nach einer Runde über den Platz auch andere Leute ziemlich außer Atem waren, war mir klar, dass ich hier einen Sport gefunden hatte, bei dem ich endlich mithalten konnte. Natürlich ist aller Anfang schwer. Aber der Teamgeist war sofort zu spüren. Obwohl ich mitten in der laufenden Saison eingestiegen bin, wurde ich sofort positiv aufgenommen und integriert. Meine Erfahrungen zeigen mir, dass die typisch amerikanischen Sportarten von ihrem Teamgeist leben. Es gibt kein "Du" und "Ich". Es gibt nur ein "Wir".

Die Fragen, die sich gestellt haben, waren schnell beantwortet: Ja, man kann mit 30 Jahren einen neuen Sport anfangen. Nein, es tut nicht weh. Und ja, es gibt für JEDEN eine Position in diesem Sport.

Auch heute gibt es Momente, an denen ich mittags im Büro sitze und überlege, welche tolle Ausrede ich mir einfallen lasse, um heute nicht zum Training zu gehen. Bisher musste ich aber noch nie auf mein reichhaltiges Repertoire zurückgreifen. Denn man denkt an seine Mannschaft und an die tollen Menschen, mit denen man Sport treiben kann. Man denkt an das, was man heute wieder lernen kann und welchen Spaß das alles macht. Und selbst, wenn man mal einen schlechten Tag hat, ist niemand sauer. Nein, man wird sogar aufgebaut. Und nach dem Training ist der Tag gleich nicht mehr ganz so schlecht. Ich habe noch nicht einen einzigen Tag bereut, diesen Schritt gemacht zu haben.

Fotos: Thorsten Look, Larissa Lüdtke
Text: Jennifer Caris

Bochum Miners bei Facebook

Autor:

Ramona Radstaak aus Bochum

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