Mit roter Kehle durch den Garten

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Da ist es wieder, ein roter Streifen blitzt in der Tanne, bevor sich das Auge daran gewöhnt hat, ist er wieder verschwunden, taucht dann kurz im Kirschbaum auf und ist auf wunderbare Weise wieder verschwunden. Ich reibe meine Augen, mein Gott was war das, ich schaue auf die Uhr, es ist elf Uhr in der Frühe, also kurz vor Mittag. Irgendwie kann ich meine Gedanken nicht mehr auf etwas anderes konzentrieren, ich muss wissen was das bedeutet. Ich ziehe meine Schuhe an und schleiche in den Garten. Es ist windstill und total leise, die Autos, die man sonst von der B 224 bis hierher hören kann, verstummen für einen Augenblick. Genau in diesem Moment fällt etwas vom Himmel direkt auf die Wiese kurz vor mir. Ich schrecke zusammen, dann sehe ich wieder nur Rot. Es versucht aufzuwirbeln, stößt in die Höhe, schwenkt kurz nach rechts und stürzt wieder ab. Nun liegt das Ding direkt vor mir. Irgendwie haben wir uns beide erschreckt. Jetzt sehen wir uns an, Auge in Auge. Das Rot an der Kehle wird immer heller und länger, es öffnet seinen Schnabel und es ertönt ein jämmerlicher Schrei. Dabei starrt mich das junge Rotkehlchen an. Ich habe das Gefühl, es redet mit mir, leider kann ich kein Rotkehlchenrisch. Brauche ich auch gar nicht zu können, denn plötzlich wimmelt es an allen Ecken im Garten von älteren Rotkehlchen. Mittendrin scheinen die Eltern zu sein. Ich habe nichts mit euren Nachwuchs zu tun, murmele ich ihnen leise zu, denn ich will nicht, dass sie Angst vor mir bekommen. Ein älteres Tier erhebt die Stimme und es erklingt ein schöner süßer Klang, der dann in einer tollen Melodie endet. Ich habe für einen Moment das Gefühl, als lache mich das kleine Vögelchen aus, denn plötzlich flattert es los und wenn ich mich nicht gebückt hätte, wäre es mir voll ins Gesicht geflogen, so landete ich auf den Hosenboden und der kleine Vogel flog sehr unbeholfen über mich hinweg und steuerte in die Richtung der Altvögel, die schon vorausgeflogen waren. Zuerst war ich richtig verdattert und dann mußte ich laut auflachen, dies hatte zur Folge, dass alle Vögel wegflatterten. Während meines Lachens hatte ich gar nicht bemerkt, dass sich ein paar kleine Mücken an meinem Hals zu schaffen gemacht hatten. Auf einmal fing es an zu jucken und so kratze ich mich an der Stelle, ich juckte und knetete meine Haut wohl so stark, das dort kleine Blutstropfen hervorkamen, die ich aber nicht bemerkte. Ich verrieb sie so an meinen Hals. Dann ging ich wieder ins Haus hinein. Dort wurde ich gefragt; was ich denn so gemacht hätte. Ich erklärte, dass ich eine Begegnung mit einer Schar Rotkehlchen hatte und dass ich mich sehr darüber gefreut hätte. Die Familie sah mich verwundert an und meinte nur, dass ich wohl das größte Rotkehlchen sei. Ich sah sie alle fragend an und schüttelte den Kopf. Ein paar Minuten später wusste ich den Grund, ich sah in einen Spiegel und merkte, das größte Rotkehlchen von allen war ich wohl selbst. Ob mich die jungen und alten Vögel jetzt als eines der ihrigen sehen und akzeptieren, wer weiß.

Autor:

Christoph Lammerding aus Bottrop

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