Mal wieder ein schönes Beispiel, wie die WAZ sich die Tatsachen zurechtlegt

"Großfamilie verwüstet Wohnung in Duisburg-Beeck" - so titelt die WAZ Online am 26.11.2013. Was war geschehen?

Ich kann hier wieder nur aus dem urteilen, was die Zeitung selber schreibt. Eine Familie richtet sich in einer leerstehenden Wohnung ein. Sie nimmt Möbel und Matratzen mit und streicht die Wände an. Alles nichts Ungewöhnliches.
Nur eben das: Die Familie hat keinen Mietvertrag und ist illegal in die Wohnung eingezogen. Sie stammt aus Rumänien und zählt sich selbst zur Minderheit der Roma. Und sie besteht aus 20 Erwachsenen und 8 Kindern.

Das erste Problem wäre mit einer Räuming behoben (was ja auch geschehen ist). Nicht schön aber Alltag, wo das Dach über den Kopf etwas kostet und der dringende Bedarf allein den Anspruch auf eine Sache nicht rechtfertigt.
Der zweite Punkt ist dann der Auftakt, mal wieder schön nach alter Manier die gängigen Klischees in der Bevölkerung nach Kräften zu bedienen:

"In der Wohnung haben die ungebetenen Besucher Chaos hinterlassen. Auf dem Tisch liegen ranzige Wurstscheiben." Mal Hand aufs Herz: Seit wann ist es ein Verbrechen, dass die Wohnung nicht immer tipp topp aussieht - vor allem dann, wenn man keinen Besuch erwartet?
"Im Hof stapelt sich ein Berg Müll." Es wäre ja auch ungewöhnlich, wenn die Müllabfuhr kommt, wenn die Vermieterin sie nicht bestellt hat. Schließlich ging sie davon aus, dass die Wohnung leersteht.
"Im Badezimmer ist eine Urinlache." Kein schöner Anblick, aber wenn ich ausversehen mal daneben pisse, steht über mich auch nicht gleich ein Skandalbericht in der Zeitung.
Aber jetzt hat die WAZ ihre Leser*innen offensichtlich soweit und semmelt noch ein paar Fakten oben drauf, die selbst bei der ordentlichsten deutschen Spießbürgerin Gang und Gäbe sind: "In den Zimmern stehen Betten und Sofas." Und Skandal: Sie haben die Wand in PINKer Farbe gestrichen! Steht darauf neuerdings die Todesstrafe?

Mal ehrlich: Die Leute, die die Wohnung illegal bezogen haben, haben sich ihre Situation bestimmt nicht ausgesucht. Wer lebt schon freiwillig mit so vielen Menschen auf so engem Raum zusammen? Die WAZ stellt sich diese Frage nicht. Für sie scheint klar zu sein: Das sind Roma, die sind so, alles was sie machen verdankt sich ihrer Kultur und das können wir nicht verstehen. Nur die Köpfe schütteln, wie unangepasst sie doch sind und uns darüber empören, dass sie sich mietfrei in einer Wohnung einrichten, wo jeder von uns doch brav seinen monatlichen Zins dafür auf den Tisch legt. Dass es mit 28 Personen in einer Wohnung nicht immer so aussieht, wie Otto Normalbürgerin sich das vorstellt, ist doch vollkommen klar. Und die Alternativen, die sich für die 28 Menschen jetzt bieten, sehen offenbar noch schlimmer aus:
"Eine Frau (...) schimpft wie ein Rohrspatz. Sie reißt Papierblumen von der Wand und knallt der Hauseigentümerin Müll vor die Füße." Wer von uns erwärmt sich bei dem Gedanken, bei diesen Temperaturen vor die Tür gesetzt zu werden? Würden wir nicht alle schimpfen, wenn wir von jetzt zu gleich, ohne Alternative aus unserer Wohnung herausgeschmissen werden würden?

Um dieses klarzustellen, es ist nicht meine Absicht, Haus- oder Wohnungsbesetzung zu propagieren. Es geht auch nicht gegen die Vermieterin. Die hat schließlich nur ihr Recht durchgesetzt. Es geht mir darum, zu zeigen, wie tief in der Bevölkerung verankerte Feindbilder immer wieder neu bedient und auf diese Weise aufrechterhalten und erneuert werden. Und es geht mir darum, auf welche Weise Banalitäten zurechtgebogen und so verwendet werden, dass sie gerdae diesen Zweck erfüllen.

Autor:

Thomas Herrmann aus Dortmund-City

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