Illusionen aus Bier und Gips

Kassettendecke mit Holzimitationen in der Hörder Burg. | Foto: Michael Holtkötter.Denkmalbehörde
  • Kassettendecke mit Holzimitationen in der Hörder Burg.
  • Foto: Michael Holtkötter.Denkmalbehörde
  • hochgeladen von Anne Buerbaum

Unter Schutz gestellt werden Gebäude mit besonderer historischer und baulicher Bedeutung. Dass es sich lohnt, sie anzusehen, findet die Denkmalsbehörde und möchte den Blick der Dortmunder besonders auf die Hörder Burg und das gründerzeitliche Wohnhaus Lindemannstraße 24 lenken.

Diese Denkmäler haben eine Gemeinsamkeit, die wiederentdeckt wurde: Sie besitzen historische Ausstattungsstücke in einer fast vergessenen Dekorationstechnik. Zwei Holzimitate führten die Denkmalpfleger auf die Spur des kaum noch bekannten „Maserierens“ mit Bierlasur.
Beim Baudenkmal in der Lindemannstraße wurde die Eichenholzmaserung per Bierlasur auf das preisgünstige Weichholz der Innentüren aufgetragen. Eine neue Schicht schützt die Holzimitation.
Bier eignet sich beim Anstrich als Bindemittel, weil es beim Trocknen klebrig wird. Durch seine helle Grundfarbe lässt es sich problemlos mit Erdfarben mischen. Aufgetragen auf eine mit einem Öl-Grundanstrich behandelten Holzfläche kann eine Holzmaserung nachgeahmt werden. Die Farbmischung bestimmt die imitierte Holzart. Eine abschließende Firnisschicht schützt die leicht lösliche Lasur. Der Biergeruch verschwindet nach dem Trocknen des Anstrichs.
Ein anderes Holzimitat wurde beim Umbau der Hörder Burg entdeckt. Im ehemaligen Sitzungssaal der Hermannshütte, in der früher die „Ahnengalerie“ der Direktoren hing, wurde die abgehängte Decke entfernt.
Darunter erschien eine Holzkassetten-Decke. Dabei fielen weiße Flecken an einigen Ecken auf. Des Rätsels Lösung: Die Kassetten waren aus Gips geformt. Mit Hilfe eines Anstrichs erhielt man den optischen Eindruck einer hölzernen Decke, die zum edel ausgestatteten Raum mit Ledersesseln und repräsentativem Tisch passte. Im Zeitalter des Historismus des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts war es weit verbreitet, in solchen Fällen Imitationen einzusetzen, wissen die Denkmalspfleger.
Zu Zeiten des Historismus benutzte man gern neue preisgünstige Möglichkeiten, um edlere Materialien vorzutäuschen: marmorierte Linoleumfußböden oder vorgeblendete Putzfassaden, die Naturstein nachahmten. In diese Zeit gehören auch Linkrusta-Tapeten, die auch den Hausflur des Denkmals in der Lindemannstraße schmücken. Eine Papierbahn oder Textilgewebe trägt eine Mischung aus Leinöl, Harzen und Holzmehl, die mechanisch wie ein Stuckrelief strukturiert werden konnte – ein preisgünstiger Ersatz für Stuckmarmor, der seinerseits echten Marmor nachbildete.
Der zunehmende Einsatz dieser Pseudomaterialien wurde später als Heuchelei empfunden. Jugendstil, Werkbund und letztlich das Bauhaus propagierten als Reaktion den Einsatz echter, wahrer Materialien. Der Preis dafür war, dass die alten handwerklichen Fertigkeiten wie Maserieren und Marmorieren in Vergessenheit gerieten.

Autor:

Anne Buerbaum aus Dortmund-Süd

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