Wortmann blickt mit gemischten Gefühlen zurück auf das Jahr 2015

„So schwer vieles werden wird, wir Landwirte blicken auch immer mit Freude in ein neues Jahr“, sagt der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Ruhr-Lippe, Hans-Heinrich Wortmann. | Foto: privat
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  • „So schwer vieles werden wird, wir Landwirte blicken auch immer mit Freude in ein neues Jahr“, sagt der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Ruhr-Lippe, Hans-Heinrich Wortmann.
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Kreis Unna. Wie war das Jahr 2015 für die heimischen Bauern? Der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Ruhr-Lippe (Kreis Unna, kreisfreie Städte Bochum, Dortmund, Hamm und Herne), Hans-Heinrich Wortmann, fasst das Jahr 2015 aus landwirtschaftlicher Sicht zusammen.

Wie blicken die heimischen Bauern auf das vergangene Jahr zurück?
Wortmann: So gemischt wie selten! Natur, Wetter und Ernteergebnisse lassen uns in unserer Region zufrieden und mit Dankbarkeit auf 2015 zurückblicken. Die Preise und damit die wirtschaftliche Situation sind jedoch die reinste Katastrophe. So ist die Stimmung nicht gut, denn die wirtschaftlich angespannte Lage ist für viele existenzgefährdend. Im politischen Bereich bereiten uns die geplanten Vorhaben massive Sorgen.

Fangen wir mit dem Positiven an, wie fiel denn die Ernte der verschiedenen Früchte im Jahr 2015 aus?

Wortmann: Im Schnitt aller Fruchtarten sind wir in der Region Ruhr-Lippe (Kreis Unna, kreisfreie Städte Bochum, Dortmund, Hamm und Herne) zufrieden. Die Erträge beim Getreide waren in diesem Jahr sehr unterschiedlich und zeigten eine große regionale Spannbreite, im Durchschnitt waren sie aber durchaus gut. Auch mit dem sommerlichen Erntewetter konnten wir zufrieden sein. Witterungsmäßig hat es schon schlechtere Jahre gegeben, so das vergangene Jahr, in dem uns besonders der regnerische August einen Strich durch die Rechnung machte. Bei Kartoffeln, Zuckerrüben und Mais fielen die Erträge 2015 ebenfalls zufriedenstellend aus.

Trotz der Zufriedenheit mit der Natur und mit der Ernte des Jahres 2015 haben die Bauern zum Ende des Jahres Sorgenfalten auf der Stirn. Warum?
Wortmann: Die Preise sind in nahezu allen Produktbereichen in den Keller gerutscht. Viele Bauern schreiben tiefrote Zahlen, denn die Erzeugerpreise für Milch und Fleisch sind katastrophal und auch das Getreide hat einen kräftigen Sturz erlebt. So stehen vor allem unsere Tierhalter wirtschaftlich unter Druck; das sind die Schweinemäster, noch mehr die Sauenhalter und die Milchbauern.

Was sind die Gründe für die Preisabstürze?
Wortmann: Neben der abgeschwächten Konjunktur in Schwellenländern wie China hat vor allem das russische Importverbot zu der extrem angespannten Situation geführt. Wir Bauern zahlen einen hohen Preis für die politischen Eingriffe in den Markt. Eine Aufhebung des russischen Embargos für landwirtschaftliche Produkte würde eine deutliche Entlastung bringen.
Aber auch das Verhalten des Lebensmittelhandels ist nicht in Ordnung. In dieser angespannten Situation wird ein unfaires, unmoralisches Preisdumping betrieben. Wer Lebensmittel liebt, kann nicht gleichzeitig die Bauern mit Niedrigpreisen knebeln. Der Handel nutzt seine Macht massiv aus.

Woher kommt diese Macht des Handels?
Wortmann: Es hat im Lebensmitteleinzelhandel eine enorme Konzentration stattgefunden. Es sind nur noch wenige im Geschäft und die diktieren die Preise. Einzelhandel und Ernährungsindustrie kaufen zu Niedrigpreisen ein, was zu Lasten der Wirtschaftlichkeit der Landwirtschaft geht. So hat sich auch die Diskrepanz zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen in diesem Jahr bei vielen Produkten vergrößert. Angesichts des dramatischen Preisverfalls bei Fleisch und Milch müssen aber auch Schlachtunternehmen und Molkereien massiv daran arbeiten, wie sie sich erfolgreicher gegenüber dem Handel positionieren können.

Auch das, was derzeit im politischen Bereich diskutiert werde, bereite den Bauern in der Region Sorgen, sagten Sie. Was sind das für Vorhaben?
Wortmann: Es gibt einige geplante Gesetze und Änderungen wie das Landeswasser- und Landesnaturschutzgesetz NRW, die Nachhaltige Nutztierhaltung in NRW, die Düngeverordnung und das Artenschutzabkommen, die extreme Auflagen mit sich bringen. Wir Landwirte sind zu allen Gesprächen und auch zu Veränderungen bereit; es gibt aber in den Entwürfen zu diesen Gesetzen und Verordnungen Punkte, die haben mit besten Willen nichts mehr mit Praktikabilität zu tun. Wer ständig erwähnt, dass die bäuerliche Landwirtschaft das politische Ziel sei, der muss darauf achten, dass Bauern nicht durch immer mehr Auflagen und strengere Vorschriften im Wettbewerb untergehen. Das ‚Aus‘ trifft zuerst die kleineren Höfe, von denen wir in unserer Region nicht wenige haben.

Wie blicken die heimischen Landwirte auf das Jahr 2016?
Wortmann: Es wird nicht leicht, aber wir lassen uns nicht unterkriegen! Gegen die schlechten Preise kämpfen wir an und mit der Politik müssen wir intensivste Gespräche führen. Aber auch wir haben an der einen oder anderen Stelle Verbesserungspotenzial. Dass die Landwirtschaft beispielsweise für höhere Standards im Tierkomfort steht, hat sie nicht nur mit der im Frühjahr gestarteten Initiative Tierwohl bewiesen. In unserer Region wollten mehr als doppelt so viel Berufskollegen mitmachen, wie mitmachen konnten. Hier muss auch der Handel, der die Initiative Tierwohl finanziell mitträgt, nachlegen.
So schwer vieles werden wird, wir Landwirte blicken auch immer mit Freude in ein neues Jahr, denn wir haben einen verdammt schönen Beruf. Ich persönlich wünsche mir, dass möglichst viele der Höfe, die es heute, zum Jahreswechsel in unserer Region gibt, am Ende des Jahres 2016 auch noch existieren und ich wünsche mir Rahmenbedingungen, die jungen Leuten, die Spaß an der Landwirtschaft haben, auch Mut machen, Bauer zu werden.

Autor:

Jörg Stengl aus Unna

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