ZWEI NASSE HUNDE

„Jeder Tag, an dem wir uns nicht umbrachten, meine Frau und ich, war von nahem besehen ein Gottesbeweis, “ lachte Herr B., der in meinem Sprechzimmer vor mir saß. „Dabei, wenn ich mich richtig erinnere, sprachen wir auch früher nicht von Liebe. Denn als wir uns kennen lernten, waren wir wie zwei nasse Hunde in einem Hauseingang, die Wärme suchten.
Aber schon nach unseren Flitterwochen mussten wir uns trenne. Meine Firma schickte mich immer wieder ins Ausland. Da war Maren, meine Frau, plötzlich mit einem Mann verheiratet, der nur alle paar Wochen zu Hause war.“
„Vielleicht hatte sie manchmal das Gefühl den Ehering eines Toten zu tragen, “ sagte ich sachlich.
„Wahrscheinlich…, “ lächelte Herr B., „ gerade deswegen malte ich ihr unsere Zukunft in besonders bunten Farben …“
„… und vergaßen dabei die Gegenwart…“
„ Dabei wären all unsere Träume…“
„ …ihre Träume, Herr B.…, “ unterbrach ich ihn höflich. "...ihre Träume..."
„ Na ja, wie auch immer…, “ lächelte Herr B. „… aber ich wusste schon früh, dass es niemals wieder so werden würde, wie ich glaubte, dass es gewesen war. Denn unsere Ehe war inzwischen ein unsicheres Netz, auf das wir uns immer wieder fallen ließen.“
„Dieses Netz war an allen Ecken und Enden porös?!“
„Zumindest in diesem Punkt waren wir uns oberflächlich einig, “ nickte Herr B. „Aber unter dieser Oberfläche vibrierte ein elektrisches Störfeld, das sich entladen musste.“
„Da reicht schon ein gereizter Tonfall oder eine aggressive Geste…, “ sagte ich und ergänzte Herrn B.`s Krankenakte.
„Schon wenn ich die Wohnungstür aufschloss, “ sagte Herr B., „roch ich die Stimmung meiner Frau.
Hatte sie nun geweint?
Oder war sie nur einfach wütend?
Auf jeden Fall hatte sie nicht gekocht. Denn nach Essen roch es in unserer Wohnung nie.
Dafür aber lag im Gästeklo ständig die Wäsche herum. Und auf der Waschmaschine thronte der Kater „Carlo“ und fauchte mich an.
Wie oft schloss ich mich auf der Toilette ein und blätterte gedankenverloren in einer Illustrierten, um nicht mit Maren sprechen zu müssen?! Und…, “ lachte Herr B., „…irgendwann las ich eine kleine Notiz, dass Menschenaffen vor allem dann gefährlich würden, wenn man ihnen zu lange in die Augen sah.
Das ließ sich übertragen, dachte ich noch, während mein Gefühl von sanfter Lust, die ich noch soeben verspürt hatte, wie aus einem porösen Ballon entwich. Ich fühlte mich nur noch unendlich leer.
Aber als sie endgültig auszog, “ sagte Herr B., „wäre ich am liebsten mit ihr gezogen. Aber Maren sagte nur:
Mit dir kann ich nicht mehr leben!
Und ich sagte:
Aber ohne dich geht es doch auch nicht…“
„Ja…,“ sagte ich und schloss die Krankenakte, „… also mit Pillen kommen wir da nicht weiter…“

Autor:

Dr. Mathias Knoll aus Arnsberg

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