Pflegedienste protestieren in Bottrop

Am Donnerstag zogen auch in Bottrop Pflegekräfte in einem Demonstrationszug durch die Innenstadt. | Foto: Michael Horst
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Über 60 Mitarbeiter der ambulanten Pflegedienste von Caritas, DRK, Diakonie, ASB und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband haben sich an einem Demonstrationsmarsch durch die Fußgängerzone beteiligt.

Mit der Aktion nahmen sie an der landesweiten Initiative der Freien Wohlfahrtspflege NRW „Hilfe! Mehr Zeit für Pflege!“ teil. Die Wohlfahrtsverbände und die ihnen angeschlossenen Pflegedienste setzen sich dabei für bessere Bedingungen in der häuslichen Krankenpflege und vor allem für mehr Zeit für die Patienten ein. Von den Krankenkassen fordern sie eine angemessene Vergütung der Pflegeleistungen.

Häusliche Pflege bedeutet, dass Menschen trotz körperlicher oder geistiger Einschränkungen in ihrem gewohnten Zuhause leben können und nicht in eine stationäre Altenpflege-Einrichtung müssen. Neben der Professionalität ist die persönliche Beziehung zwischen den Kunden und der Pflegeperson entscheidend für die Qualität, die Akzeptanz und den Erfolg der Leistungen. Doch Vertrauen benötigt Zeit.

„Nicht selten müssen in einer vierstündigen Pflegedienst-Tour 16 und mehr Menschen versorgt werden, vor zehn Jahren waren es noch zwei bis drei Menschen weniger. Dabei ist zu berücksichtigen, dass unsere Mitarbeitenden immer häufiger Patienten mit einer demenziellen Erkrankung antreffen, die eine besondere Ansprache und somit deutlich mehr Zeit benötigen, was durch keine Krankenkasse refinanziert wird“, fasst AG Wohlfahrtssprecherin Andrea Multmeier zusammen.

Ein Beispiel aus der Praxis: Für das Ausziehen von Kompressionsstrümpfen, die Gabe von Medikamenten und das Verabreichen von Augentropfen bekommt ein Pflegedienst durchschnittlich zwischen 12,26 und 9,12 Euro, in manchen Fällen sogar nur 7,30 Euro. Die Anfahrt sowie die umfassende Leistungsdokumentation und die Organisation des Pflegeeinsatzes sind natürlich bereits inbegriffen!
Die seit geraumer Zeit bestehende unzureichende Finanzierung der häuslichen Krankenpflege durch die Krankenkassen gefährde das Versorgungsniveau und somit auch die Versorgungssicherheit, so Kerstin Schönlau, Prokuristin der Seniorenhilfe des Diakonischen Werkes: „Um weiterhin gute Arbeit leisten zu können, brauchen die Dienste von den Kassen deutlich mehr Geld. Denn Geld bedeutet hier Zeit – und die zählt für die Menschen.“

Um die täglichen Probleme einmal „hautnah“ demonstrieren zu können, hatte der ASB Bottroper Politiker zu einem „Mini-Pflegepraktikum“ eingeladen. Sowohl die CDU-Landtagsabgeordnete Dr. Anette Bunse, als auch ihre Kollegin der SPD, Cornelia Ruhkemper, waren dabei. „Jetzt habe ich gesehen, wie wenig Zeit eigentlich bleibt und wie schwierig es für den Pfleger ist, allen Ansprüchen gerecht zu werden“, so Ruhkemper. Auf der Pflege-Tour mit ASB-Mitarbeiterin Ute Schlüter bekam Cornelia Ruhkemper einen umfassenden Einblick. „Ich habe die unterschiedlichsten Erkrankungen kennengelernt und vor allem an Demenz erkrankte Menschen getroffen“, erzählt Ruhkemper, die auch selbst mit angepackt hat. Der Berufsalltag sei für die Altenpfleger sehr stressig, da die Zeit zu eng bemessen sei.

Dem kann auch die Pflegeleitung, Caroline Stöbling, nur zustimmen. Die Pflegekräfte nannten viele Beispiele aus ihrem Berufsalltag. So werde für die Medikamentengabe oft nur eine Minute vergütet. „Da müsste man die Tablette von der Tür aus dem Kunden in den Mund schmeißen“, entrüstet sich Ute Schlüter. „Das kann im Leben so nicht funktionieren!“ Auch Sandra Gieselmann nennt ein solches Beispiel: „Wenn einem Demenzpatienten zehnmal am Tag Essen und Trinken angereicht werden müssen, werden pauschal drei Minuten dafür vergütet. Das sind 18 Sekunden für jedes Anreichen. Absolut nicht machbar!“

Was wünschen sich die Pflegekräfte nun konkret? „Mehr Zeit, damit man auf jeden Patienten eingehen kann und nicht mit dem schlechten Gewissen die Wohnung verlassen muss, sich nicht genug gekümmert zu haben.“

Am Donnerstag zogen auch in Bottrop Pflegekräfte in einem Demonstrationszug durch die Innenstadt. | Foto: Michael Horst
Cornelia Ruhkemper packte selbst mit an. | Foto: ASB Ruhr
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Lokalkompass Bottrop aus Bottrop

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