Post aus Hanoi. Aus dem Tagebuch eines Entwicklungshelfers.

Hallo liebe Leser

Es ist 5 Uhr morgens und ich sitze in einem Hotelzimmer in Soc Trang.
Das ist im Sueden Vietnams, im Mekongdelta und ca 2000 km suedlich von Hanoi gelegen.
Ich bin gestern angereist und habe mich im Hotel mit Tien getroffen, welcher das Wochenende in Saigon verbracht hat.

Nach unserer Vorstellung bei dem Direktor und der Einrichtung unseres Arbeitsplatzes stellte ich fest, dass es Zeit fuer einen USB Surf Stick ist.

Die Internetverbindungen im Hotel und die W Lan in den Firmen sind eine einzige Katastrophe.
Langsam und durch Sicherheitseinschraenkungen ist kein Arbeiten moeglich wie ich es mir wuensche.

Es bedarf ca 1,000,000 VND und 10 Minuten Zeit, dann bin ich im Besitz des Surfstick. Hier ist 1,7 GB Datenvolumen im Monat teil des Leistungsumfangs.
Ich habe einen Prepait Vertrag, da ich keine Ueberraschung am Ende des Monats erleben moechte.
C. ist es passiert, dass er nach Nutzung des Hotelinternets mehrere Hundert Dollar Gebuehren bezahlen musste.
Bei mir ist diese nun nicht moeglich, so hoffe ich.

Am Abend gehen wir in einem der Nachbarhaueser in ein Streetfood Restaurant. Es gibt Reis mit saurer Gurkensuppe. Dazu gekochtes Fleisch und ein tot gekochtes Ei.
Mit dem Reis und der Gurke bin ich zufrieden, ein wenig Diaet kann mir nicht schaden. Das Ei und das Fleisch wird mit einem gewissen Vorbehalt teilweise gegessen.

Da es angenehm warm ist, mit nicht zu hoher Luftfeuchtigkeit, koennen wir spazieren gehen ohne zu schwitzen! Also ueberrede ich Tien noch einen Kaffee mit mir zu trinken.

An einem der Strassencafes setzen wir uns und geniessen den Trubel.

In Sueden von VN ist es haefig zu beobachten, dass einzelne Lose von Lokals (einheimische Bevoelkerung) verkauft werden. Diese kosten 10,000 VND und sind so eine Art Rubbellos.

Leider auch oft von Kindern.
Ein solches Kind kam denn auch zu uns, als wir dort auf unseren Plastikstuehlchen hockten.

In der Hand einen frisch gepressten Orangensaft auf Eis. Das Kind ist ein ca 6 jaehriges Maedchen.

Mit Augen die zu gross fuer Ihren Kopf zu sein scheinen.

Diese Augen sind es, welche mich heute morgen um 5 Uhr aufwachen lassen und in das Gruebeln bringen.

Sie steht dort schweigend vor mir und haelt ihre fuenf Lose in der schmutzigen kleinen Hand.
Sie ist mager aber nicht unterernaehrt. Ihre Kleidung ist in einem schmutzigen braun aber vollstaendig.
Ob sie Barfuss ist oder die hier ueblichen Schlappen traegt, weiss ich nicht mehr. Sie ist arm aber nicht am verhungern.

Ich schaeme mich, fuer meinen Orangensaft. Ueberlege, ob ich ihr etwas zu trinken kaufen soll.

Mit ihren Losen kann ich nichts anfangen.

In ihren Augen, welche so schwarz sind, dass man nicht die Pupille von der Iris unterscheiden kann, liegt eine Traurigkeit und Weisheit die nicht zu ihrem Alter passt.

Vor ihrem bettelnden Blick waere jeder Hund vor Neid erblasst. Diese schweigsame Bitte mit den wortlos hingehaltenden Losen lassen mich dahinschmelzen.

Es kostet mich eine riesen Ueberwindung die Kleine nicht an mich zu reissen und sie vor dem Boesen der Welt zu beschuetzen. Sie ist doch noch so winzig, kleiner noch als meine Catharina.
(Unsere Kinder, Sohn 10 Jahre und Tochter 8 Jahre sind mit ausgereist.)

Meine Uberlegung ist, ob ich ihr nicht einfach die dummen Lose abkaufen soll, besser noch, ich schenke ihr ein wenig Geld, was sind denn schon ein oder zwei Millionen fuer uns?

Hauptsache ist doch, ich sehe diese Augen und ihr winziges wunderschoenes Gesichtchen lachen.

Umwillkuerlich greife ich nach ihrem Koepfchen und streichel ihre Wange und ihr strubbeliges, ungewaschenes, pechschwarzes Haar.

Sie nimmt es hin, ohne eine spuerbare Reaktion. Kein zurueckweichen aber auch kein anschmiegen.

Lediglich ihre Augen beginnen sich mit einer zunehmenden Traurigkeit zu fuellen, wenn das denn ueberhaupt noch moeglich ist.

Bewusst habe ich sie nicht auf den Kopf gefasst, denn das haette eine Ueberlegenheit meinerseits und Herabsetzung ihrer Person bedeutet.

Mittlerweile versuchen die Umstehenden die Kleine zu verscheuchen. Nur mit freundlichen Worten, nicht mit Handlungen.

Ich kaufe der Kleinen keine Lose ab.

Ich schenke ihr auch kein Geld.

Ich schenke Ihr meine Freundlichkeit und eine liebevolle Geste, begleitet von Worten welche sie nicht versteht.

Haette ich Ihr Geld gegeben, koennte sie sich doch keine Schulbildung davon kaufen.
Warscheinlich haetten es ihre Eltern noch im selben Augenblick weggenommen, um es fuer irgend etwas auszugeben.

Nur die Kleine haette gelernt, dass Westler Geld verschenken.
Die Folgen dieses Wissens enden guenstigstenfalls in Bettelei, meist in Schlimmerem.

Ich hoffe, ja ich wuensche, dass dies eine gute Entscheidung ist.

Wie gern wurde ich den Menschen hier helfen.

Es gruesst Euch

Oliver Stuckert aus Soc Trang am10.09.2013
Wo auch immer Ihr gerade seid.

Autor:

Oliver Stuckert aus Emmerich am Rhein

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