Mit Motocross das Leben wieder in den Griff kriegen

Peter Wiersch und Roger de Coster mit Kevin
3Bilder

Seit 1 1/2 Jahren gibt es sie in Hattingen, die „Kinder- und Jugendhilfe Ruhrgebiet“, gegründet von dem Hattinger Peter Wiersch. Der 43jährige betreibt eine Motorradwerkstatt in Hattingen, ist ehemaliger Leistungssportler und hat sich mit seinem bisweilen in Deutschland unverwechselbaren Konzept schwierigen Kindern und Jugendlichen verschrieben.

Das Engagement des Hattingers geht dabei in zwei Richtungen: Zum einen arbeitet er mit Jugendämtern zusammen und kümmert sich mit einem ehrenamtlichen Polizeibeamten um junge Schulverweigerer zwischen dem 11. und dem 16. Lebensjahr. Ältere Jugendliche werden begleitet und unterstützt bei der Suche nach Praktikumsstellen sowie bei der beruflichen Orientierung. Das Konzept verknüpft die Komponenten Jugendhilfe, Pädagogik, Sport und Handwerk so fein dosiert und ausgewogen miteinander, dass es gerade „jungen Menschen in belastenden Lebenssituationen“ den Weg in das Arbeitsleben über berufsvorbereitende, berufsfördernde, sowie berufsorientierende Maßnahmen ebnen kann.
Zum anderen erfüllt Peter Wiersch über seine Mitarbeit im Kinderhospizdienst Ruhrgebiet so manchen Wunsch, der mit Motocross und Motorrädern zu tun hat.
Die Kinder, mit denen Peter Wiersch in seiner Einrichtung arbeitet, nennt er auch gerne schon mal „Transformerkids“, da sich bei manchen doch hin und wieder ein Wandel „vom Rabauken zum liebenswerten Lausebengel“ verzeichnen lässt. Eine komplette und professionell ausgestattete Zweiradlehrwerkstatt inklusive einer kleinen Küche bildet das Herzstück der Kinder- und Jugendhilfe Ruhrgebiet in Holthausen.
Jeder Tag ist eine neue Herausforderung: „Wir bringen den Kids nicht nur bei Konflikte im Alltag gewaltfrei zu lösen, sondern lehren darüber hinaus über Spiel und Sport goldene soziale und handwerkliche Grundlagen.Manchmal brechen die Kinder nach wenigen Tagen die Maßnahme ab. Manchmal bleiben sie für Wochen oder Monate und kommen jeden Tag“, berichtet Peter Wiersch. Kinder und Jugendliche, die ganz schön was auf dem Kerbholz haben und die eines nicht wollen: Wieder einen Pädagogen an ihrer Seite, der auf sie einquatscht.
Peter Wiersch ist kein Pädagoge, arbeitet aber seit vielen Jahren mit Jugendlichen und ist Spezialist für die hoffnungslosen Fälle, für die seine Arbeit oft die letzte Chance ist, im Leben noch die Kurve zu kriegen. „Wenn es schon ein Problem ist, Struktur in den Alltag zu bringen und morgens überhaupt aufzustehen, dann braucht man diesen Jugendlichen nicht mit einem Schulabschluss zu kommen. Wenn man Glück hat, steht sowas irgendwann mal ganz am Ende“, sagt er.
Am Anfang stehen Intensivprojekte wie Motocross- und Endurorennsport mit eigenen Motocross-Motorrädern, Boxen, BMX, Wassersport – alles Schulersatzmaßnahmen für schulverweigernde Kinder und Jugendliche.
Durchgeführt werden die Maßnahmen in Kooperation mit Jugendämtern, Jugendgerichtshilfen und der Polizei. Auch Anti-Aggressivitäts-Trainings stehen auf dem Stundenplan.
Maximal sechs männliche Jugendliche finden in den Räumlichkeiten der Kinder- und Jugendhilfe Ruhrgebiet gleichzeitig die Möglichkeit, diese erlebnispädagogische Maßnahme zu durchlaufen. „Klar ist der Schulabschluss das große Ziel. Doch das ist schwer zu erreichen, weil vielen Kindern einfach das Motiv zum Lernen fehlt. Da gibt es zum Beispiel einen Jungen, der mit 13 Jahren seiner Lehrerin das Nasenbein gebrochen hat. Welche Schule will das Kind noch beschulen? Über den Sport und das Schrauben versuchen wir, Jugendlichen in ihrem Leben Ziele und somit wieder Struktur zu geben. Die Technik der Fahrzeuge muss permanent und verlässlich gewartet werden. Zuverlässigkeit und Werterhaltung durch Materialpflege spielen nicht nur im Motocross-Rennsport eine große Rolle. Solche Grundwerte kennen viele Jugendliche leider nicht, schon gar nicht die, mit denen ich arbeite. Um ein solches Sportgerät wie ein Motocross-Motorrad sicher händeln zu können, müssen Körper und Geist topfit sein. Hier kommt den Jugendlichen zum Ausgleich der Boxsport als besonders Disziplin- und fitnessfördernde Maßnahme positiv zu Gute.“
Ein zweites Standbein der Einrichtung ist die Erfüllung spezieller Wünsche in Kooperation mit dem Kinderhospizdienst Ruhrgebiet, über den der STADTSPIEGEL mehrfach ausführlich berichtet hat. Hier erfüllt Peter Wiersch besondere Wünsche. Entweder stehen dabei die kranken Kinder im Mittelpunkt, aber auch die Geschwisterkinder, die oft im Alltag eine untergeordnete Rolle spielen müssen.
So ermöglichte die Kinder- und Jugendhilfe Ruhrgebiet beispielsweise dem durch seine Krankheit bedingt ab dem Hals stark in seinen Bewegungen eingeschränkten Kevin „Mr.K“ einen exklusiven Besuch beim Training für das „Motocross of Nations MXoN 2012 der Chamberlain-Trophy“ .
Beim MSC Grevenbroich konnte „Mr.K“ die „Elite“ der weltbesten Profi-Motocrosser hautnah erleben und konnte sogar die späteren Sieger persönlich kennenlernen. Das MXoN 2012 Team-Deutschland konnte im belgischen Lommel Motocross-Geschichte schreiben und zum ersten Mal seit 66 Jahren Motocross-Mannschaftsweltmeister werden. Für Kevin „Mr.K“ ein unglaubliches Erlebnis.

Kontakt: Kinder- und Jugendhilfe Ruhrgebiet, Peter Wiersch, Telefon 02324/61111 oder Telefon 0172/6035312 oder EMail kinder-und-jugendhilfe-ruhrgebiet@web.de

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

11 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.