Hauptsache extrem: Nico Glinka fährt Motocross

Nico Glinka mit seiner neuen Kawasaki KX 250F vor dem Werkstattwagen. Bemerkenswert am Motorrad sind der schmale Sattel und das äußerst dicke Profil der Reifen. Wegen der Sturzgefahr sind die Motocross-Fahrer gut gepolstert mit verschiedenen Protektoren. Dennoch hat der 15jährige Sprockhöveler schon mehrere mehr oder minder starke Verletzungen durch den Sport davon getragen.   Foto: Römer
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  • Nico Glinka mit seiner neuen Kawasaki KX 250F vor dem Werkstattwagen. Bemerkenswert am Motorrad sind der schmale Sattel und das äußerst dicke Profil der Reifen. Wegen der Sturzgefahr sind die Motocross-Fahrer gut gepolstert mit verschiedenen Protektoren. Dennoch hat der 15jährige Sprockhöveler schon mehrere mehr oder minder starke Verletzungen durch den Sport davon getragen. Foto: Römer
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Nico Glinka ist anders. Extrem anders. In sportlicher Hinsicht. Skifahren war ihm nach wenigen Tagen zu langweilig – ein Snowboard brachte den gewünschten Kick. Fahrradfahren? Nur etwas für „Normalos“. Besser BMX. Motorradstraßenrennen wie Papa? Nicht extrem genug.

Aber Motorrad, das war schon cool. Und ist es noch. Fast elf (!) Jahre fährt Nico Glinka Motocross. Dabei ist er erst 15 Jahre jung und Schüler der Hardenstein Gesamtschule Witten.
Ja, genau. Motocross, das ist dieser bis zu zweieinhalb Kilometer lange Rundkurs. Mit glatter Asphaltpiste hat der Acker, auf dem die Fahrer in einem mörderischen Affenzahn unterwegs sind, aber überhaupt nichts zu tun.
Kein Wunder also, dass der Motorradsattel einem Betrachter eher „unterentwickelt“ vorkommt. „Meistens stehen wir beim Fahren“, erklärt denn auch Nico Glinka gleich. „Man lenkt so wenig wie möglich, legt sich stattdessen in die Kurven rein.“
Die Strecke selbst gleicht einer Buckelpiste, der Untergrund besteht aus Lehm oder tiefem Sand. Darum haben die Reifen auch ein extrem dickes Profil. Schließlich müssen sie die Maschine und den Fahrer kurze, aber extreme Steigungen hoch tragen. Am Ende der Steigungen können die Motorräder zeigen, wie robust sie gefertigt sind, denn dann fliegen sie mit ihrem Fahrer meterweit durch die Luft.
Etwas mehr als zwei Minuten brauchen gute Fahrer für so einen Rundkurs durchs Gelände. Zwanzig Minuten sind zu absolvieren plus zwei weitere Runden. Ein so genannter Transponder an jeder Maschine ist für die Zeitnahme. Daraus geht hervor, wer Sieger ist. „Man fährt für sich und gegen den Rest der Welt“, erklärt Nico Glinka seinen Sport.
Gleich zwei Vereinen gehört er an: dem MSC Greven­broich und dem AMC Geseke. Auf diesen „Hausstrecken“ hat auch Vater Stephan mal ein Ründchen riskiert – und es schnell wieder gelassen. „Bei mir fährt das Motorrad, wohin es will. Bei Nico nicht“, lacht der Lkw-Fahrer, der selbst früher Motorrad-Straßenrennen gefahren ist. Bis Nico sagte, er wolle auch mal. „Lern erst einmal Fahrrad zu fahren“, war damals seine Entgegnung. Sie zeigt, dass es den damals knapp vierjährigen Nico schon früh auf Zweiräder gezogen hat.
Ruckzuck wusste der Knirps auf dem Rad zu überzeugen und Papa Stephan musste sein Versprechen halten. Noch heute erinnern alte Fotos an Nicos kurze Zeit auf kleinen Straßenmaschinen. Das war ihm nämlich schnell langweilig und so kam er auf Motocross.
Erfolgreich macht er das seitdem, fährt bei den ziemlich guten Fahrern in der Gruppe LK2. Vom AMC Geseke ist er dafür ausgezeichnet worden: Als Jüngster der Klasse ist er gleich Fünfter geworden.
In der LK3, da fahren eher die Anfänger und Hobbyfahrer. LK1, so erklärt Nico Glinka, sei unrealistisch: „Da müsste ich zwei Jahre lang an der Spitze der LK2 fahren. Aber dazu fehlt uns einfach das Geld. Dann müsste das Motorrad getunt werden.“
Auch so ist der Sport schon teuer genug. Ihm ordnet die Familie Glinka alles unter. Stephan Glinka rechnet vor: „Vor gut vier Monaten haben wir ein neues Motorrad gekauft, eine Kawasaki KX 250F. Aber auch so kostet uns Motocross im Jahr rund 12.000 Euro, also etwa 1.000 Euro im Monat. Alle drei Wochen brauchen wir neue Hinterreifen, alle vier Wochen neue Ritzel und Kette. Die Startgebühren kosten jeweils 25 Euro, einmal im Jahr muss sich Nico für 50 Euro einschreiben. Dafür braucht er die Lizenz vom Deutschen Motorsport-Bund, dem DMBS, die kostet auch 20 Euro. Jedes Jahr geht es zum Arzt, um die körperliche Fitness bescheinigt zu bekommen, und letztlich braucht das Motorrad auch noch Benzin. Da sind fünfzig Liter am Wochenende eigentlich normal – und das bei den Spritpreisen momentan.“
Damit Nicos jüngere Schwester Kim (9) sich nicht zurückgesetzt fühlt, geht sie zum Reiten. Für Urlaub bleibt da nicht viel, auch wenn Mutter Heike als Frisörin voll mitarbeitet.
Und natürlich haben auch die Ferien mit Motocross zu tun: Es geht dann vorzugsweise mit dem Wohnwagen „in den Osten, weil da die Motocross-Strecken im Gegensatz zu hier auch wochentags geöffnet haben“, erklärt Stephan Glinka.
Die Saison dauert von Mitte April bis Ende Oktober. 14 Rennen sind es in 2012, die die Glinkas auch über die Landesgrenzen führen. Für die Familie bedeutet das keinen Stress, sondern es ist ihr Leben geworden, von freitags bis sonntagabends an Rennstrecken zu campieren und den ganze Tag Motorenlärm um sich zu haben.
„Mir gefällt alles an meinem Sport“, schwärmt Nico Glinka, der in diesem Jahr eine Ausbildung als Kfz-Mechatroniker beginnt. „Wenn ich könnte, würde ich so lange wie möglich beim Motocross mitfahren. Und falls ich mal eine Freundin habe, dann müsste sie selbstverständlich meinen Sport akzeptieren. Mein Vater und ich, wir schrauben viel selbst am Motorrad herum, das macht uns Spaß. Nur alles rund um den Motor, das lassen wir andere machen.“
Und auch wenn Nico Glinka schon auf eine erstaunlich lange Liste an Verletzungen und Brüchen verweisen kann, machen sich seine Eltern selten Sorgen bei einem Rennen. Stephan Glinka: „Wir wissen ja, was Nico kann. Außerdem wissen wir immer genau, was unser Sohn macht. Das können heutzutage nicht viele Eltern sagen.“

Autor:

Roland Römer aus Hattingen

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