Gesamtschule Hemer: Thementag zum Extremismus mit Aussteiger-Einblicken

Nachdenkliche Gesichter der Gesamtschüler während des Podiumsgespräches zum Thema Extremismus.
  • Nachdenkliche Gesichter der Gesamtschüler während des Podiumsgespräches zum Thema Extremismus.
  • hochgeladen von Christoph Schulte

„Nein, man steht nicht eines Morgens auf, hat einen steifen rechten Arm und ist plötzlich Nazi.“ In diesem Punkt waren sich Sascha, Orhan und Tim absolut einig, auch wenn sie völlig unterschiedliche „Karrieren“ im Bereich des Rechtsextremismus durchlaufen haben.

Inzwischen sind die drei längst aus der jeweiligen Szene ausgestiegen und inzwischen regelmäßig als „Botschafter“ bei Aufklärungsveranstaltungen zum Thema „Extremismus“ aktiv. So auch Dienstagvormittag im Juk, wo die Zehntklässler der Gesamtschule im Rahmen eines Thementages gespannt den Ausführungen auf dem Podium lauschten.
Tim hatte eine zumindest für ihn normale Jugend, war in der Schule nicht der Beliebteste. Nach der Ausbildung stand der Einzelgänger plötzlich ohne Job und ein Dach über dem Kopf auf der Straße, als er über einen Bekannten in Kontakt zu einer rechtsextremen Clique kam. „Ich hatte da zum ersten Mal Freunde. Das war richtig geil.“
Auch beim 38-jährigen Orhan standen politische Motive zu Beginn überhaupt nicht im Vordergrund.Er habe in einem türkischen Fußballverein gespielt, der sein Vereinsheim in einer Moschee hatte. „Erst allmählich erfuhr ich durch dort verteilte Broschüren etwas über die historischen Hintergründe des osmanischen Reiches und das Feindbild der kurdischen PKK“, so der Aussteiger, „irgendwann bekam ich dann kleinere ,Aufträge` und stieg so in der Hierarchie auf. Plötzlich hatte ich mal etwas zu sagen. Das kannte ich vorher nicht.“
Ähnlich verlief der Kontakt auch bei Sascha, der sieben Jahre der gewaltbereiten, rechtsextremen Hooligan-Fußballszene angehörte. „Wir haben uns alle als Außenseiter gesehen und waren plötzlich etwas.“ Das sei für ihn so etwas wie ein Ritterschlag gewesen.

„Mir war es lieber, oben als unten zu sein“

Auf die Frage, warum die extremistische Szene so attraktiv auf viele Jugendliche wirke, gebe es aus Sicht der drei Aussteiger eine gemeinsame Antwort: „Sie bietet zunächst Geborgenheit, Brüderlichkeit und eine andersartige, actionreiche Freizeitgestaltung für Jugendliche. Und wer das vorher nicht kennengelernt hat, für den ist das dann natürlich etwas Tolles.“ Politische Motive ständen hingegen zunächst eindeutig im Hintergrund, während der Schritt zu den ersten Gewalttaten schnell erreicht sei. Tim: „Wenn man zum ersten Mal einen umgehauen hat, wird man von den anderen auf Händen getragen.“ Sascha ergänzt: „Mir war es lieber, oben als unten zu sein.“ Dabei spiele auch das Feindbild bei den meisten nur eine untergeordnete Rolle. „Hauptsache, es gab eines. Wenn es zu meiner Zeit bereits den Salafismus gegeben hätte, wäre ich vielleicht auch dort gelandet.“
Aussagen, die die Gesamtschüler sichtlich nachdenklich machten.

Autor:

Christoph Schulte aus Hemer

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

16 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.