Ich bin kein Berliner...

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und das ist auch gut so, resümierte ich nach einem Zehntage-Aufenthalt in der wuseligen Bundes­hauptstadt, in der man unübersehbar keinen Stein auf dem anderen gelassen hat. Star-Architekten aus aller Herren Länder haben hier absolute Narrenfreiheit und setzen selbstgefällig ihre soli-finanzierten Duftmarken, bei denen man rechtwinklige Bau-Elemente vergebens sucht. Hoch, schief und gläsern lautet hier das Credo und vermutlich sind es die allgegenwärtigen silberfar­benen Stahlseile, die diese futuristisch anmutenden Gebilde vor dem Einsturz bewahren. Zu Füßen der himmelwärts strebenden Hotel- und Bürotürme herrscht lautes babylonisches Sprachengewirr, doch fällt hier auf, dass die sogenannte „Berliner Schnauze“ so gut wie garnicht mehr zu hören ist.

Kaum hatten die Berliner zwei aufeinanderfolgende Diktaturen überstanden, waren sie einer weiteren Plage ausgesetzt, Städteplaner, Baulöwen und Finanzjongleure haben eine Entwicklung in Gang gesetzt , die von den Soziologen als Gentrifizierung bezeichnet wird. Wohnungen in innenstadtnahen Vierteln werden derart luxussaniert, dass für die seit Jahrzehnten dort lebenden Menschen die Mieten unbezahlbar werden, was zwangsläufig den Austausch einer „statusniedrigeren“ durch eine „statushöhere“ Bevölkerung zur Folge hat.

Nun hatte ich keineswegs „Zille sein Milljöh“in dieser geschichtsträchtigen Metropole erwartet. Städte verändern sich nun mal im Laufe der Zeit und passen sich den modernen Bedürfnissen an – doch war hier die Abrissbirne allzu umtriebig, so dass den Ur-Berlinern nahezu alles genommen wurde, woran sie ihre Erinnerungen hätten festmachen können. Mittlerweile stehen etliche Büro-Kolosse halbleer in der Gegend und dennoch geht der Irrsinn munter weiter. Nach wie vor wird abgerissen, gebuddelt und gebaut – möglichst noch höher und schiefer. Architekten, die dem Prinzip „Form folgt der Funktion“ treu geblieben sind, brauchen ihre Entwürfe erst gar nicht einzureichen. Dekonstruktivismus nennt sich die derzeit angesagte architektonische Stilrichtung, die man spätestens dann verflucht, wenn beim Einzug die Unvereinbarkeit von rechtwinkligen Möbelstücken und runden bzw. schrägen Wänden erkannt wird. Ja, so ist das eben, wenn Räume Grundrisse in Form von Dreiecken, Rauten oder Trapezen haben können.

Für die Ewigkeit sind all diese Protzbauten ohnehin nicht konzipiert. Ständig wird an ihnen herumgewerkelt und umfangreiche Nachbesserungen sind die Regel. Gar eine kostenträchtige Kernsanierung war bei den schiefen Gehry-Bauten im Düsseldorfer Medienhafen vonnöten, obwohl seit deren Fertigstellung nur etwa elf Jahre vergangen waren.

Nun mag die Schilderung unseres Berlin-Aufenthalts nicht ganz so positiv rübergekommen sein – doch können wir in Anlehnung an das Mundorgel-Bolle-Lied sagen: Aber dennoch haben wir uns ganz köstlich amüsiert!

Autor:

Klaus Ahlfänger aus Herten

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