Nie wieder Krieg! ( kleiner Excurs / I. Weltkrieg )

Welch ein Wahnsinn. Alle sind sich einig. Alle waren sich einig:
Nie wieder Krieg!
Und doch, täglich sterben Tausende von Menschen. Menschen, die nur die Statistik kennt. Große Zahlen verbergen mehr, als dass sie etwas offenbaren. Aber in einer „Tragödie“ kann nur ein Toter die Hauptrolle übernehmen. Erst dann wird für den Betrachter das „Schicksal“ lebensnah.
Ich also war nach „Verdun“ gekommen, um mich auf die Spuren der Großväter zu begeben. In ihrem Namen wollte ich mich sozusagen meinen „Exercitien“ widmen. Nicht, um von den „Sünden“ befreit zu werden. Sondern, um mich für den Augenblick zu wappnen, in dem ich „Nein!“ sagen muß, obwohl jeder von mir ein „Ja!“ erwartet.
Doch wo sollte ich meinen Großvater suchen?
Oder hatte er gar nicht an diesem Krieg teilgenommen, weil ich auf den schlichten Holzkreuzen der Kriegsgräber seinen Namen nicht entdecken konnte?
Oder lag er anatomisch zerlegt im „Gebeinhaus“, in dessen Grabkammern man von Aussen hineinblicken kann wie durch ein Schaufenster? Knöcherne Reliquien, die sich dem weiteren Zerfall widersetzten, während im Hintergrund der Grabkammer das „ewige Licht“ flackert.
Der Blick in die Grabkammern verwirrte mich.
War das Großvaters Schädel? Oder lag dort auf einem Stapel von Knochen sein Oberschenkel? Oder war es sein „fröhliches“ Schambein, das meine Oma in Depressionen stürzte?
Oder gehörten gerade diese Knochen dem „Feind“?
Dem „Franzosen“? „Engländer“? „Amerikaner“? Vielleicht einem „Farbigen“? Oder doch einem „Juden“?
Unterschiede konnte ich nicht erkennen. Denn der Unterschied muss vermutlich da gesucht werden, wo die nationalen Vorurteile einsetzen und der Verstand aussetzt.
In der „Ehrenhalle“ des Gebeinhauses brach ich die Suche nach Großvater ab. Denn im gedämpften Tageslicht sah ich, dass hier in diesem Kuppelbau auf den honigfarbenen Gedenksteinen nur die Namen gefallener „Franzosen“ und „Amerikaner“ verewigt worden waren.
Vielleicht aber, dachte ich, lag mein Großvater auch irgendwo tief gequirlt unter der Erde. Denn für die Granaten war die Erde hier allenfalls ein leichter Mürbeteig, der alles Leben verschluckte.

Autor:

Dr. Mathias Knoll aus Arnsberg

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