Hexen in the City - die Kastration

Er war ein kleiner Angestellter, der sich zu Großem berufen fühlte. Was er nicht konnte und wusste, machte er mit ausschweifendem Pathos wett und belieferte andere mit merkwürdigen Statements, nicht einfach zu durchblicken, aber ganz amüsant.
Da sein Büro hauptsächlich von Männern frequentiert wurde, benötigte er Ausgleich aus dieser unappetitlichen Lage.
Also chattete er im Internet nach passenden weiblichen Begleitungen für abendliche Annehmlichkeiten.
Ich schob seine eindrucksvollen Reden wie zähes Kaugummi zwischen den Zähnen hin und her: „Nach einem One Night Stand bin ich froh, wenn die Damen morgens schnell wieder verschwinden.“ Wollte er dies als Vorzug seines nächtlichen Erfindungsreichtums darstellen? Welchem abstrusen Alphaaffenplaneten war der denn entsprungen?
Der Ballon blähte sich auf, Falten wurden zeitweilig verhindert, prahlte mit lateinischen Sprüchen und ein scharfer Schuss Zynismus gab seinen Worten die letzte Würze.
Gefühle schienen ihm nicht sonderlich zu liegen. Vielleicht war die Vernetzung seines Präfrontalen Cortex nicht so ganz in Ordnung?
Dummerweise machte er Eindruck auf mich, drückte mich ein. Ich war mir aus unverständlichen Motiven plötzlich sicher, ich hätte mich in ihn verliebt.
Das konnte er nicht auf sich sitzen lassen: „Welches Wort von – Ich liebe dich nicht – hast du nicht verstanden?“ Sein Gag war „Two and a half man“ entnommen, eine Frechheit, die ich korrekt konterte: „Logisch – das Wort „nicht“.
Der Mailkontakt wandelte sich in ein mephistophelisches Spiel.
Je gemeiner er wurde, desto mehr stachelte ich meinen hervorragenden Dickschädel an, um ihn zu bezwingen.
Der Riesenmensch mit gigantisch selbstbewusstem Bauch war mein Goliath, den ich gerne mit der Steinschleuder des Spotts versah, wenn ich ihn schon nicht kriegen konnte.
Was er im sexuellen Denken von sich gab, schloss auf sprießende Hormone, was nicht gegen einen defekten Präfrontalen Cortex sprach, mich aber reizte.
Sein Lieblingswort war „Blow Job“.
Es passte zu seiner Art der Lebensbewältigung: „Ich tue nur etwas, wenn absolut kein anderer was tut.“
Also brauchte er noch ein paar Mails von mir, beschloss ich. Ich bettelte – was nichts nützte, ich provozierte – was auch nichts nützte. Irgendwann war mein Repertoire erschöpft.
Dass er mich liebreizendes Wesen mit dem Schmach der Verachtung bedachte, nahm ich ihm übel.
„Das sollst du büßen!“ dachte ich und ersann einen Plan.

Eva war eine große schlanke Frau mit langen schwarzen Haaren, ein hexenhaft aufreizendes Luder in vorwiegend schwarzer Kleidung, schwarzen Augen und Wimpern, die Welt und Männer aus Rache an dem ihr zugefügten Leid verachtete und kaltschnäuzig kein Blatt vor den Mund nahm.
Das war die Richtige!
Wir organisierten ihren Besuch in seinem Büro, wobei sie sich mit raffinierter weiblicher Kunst und sexy Kleidung betörend schön präsentieren würde. „ Denk an die schwarzen Strümpfe und Strapse. “ riet ich ihr, bürstete ihr Haar und lieh ihr mein Parfüm. „Perfekt! Du siehst ungeheuer sexy aus!“ Wir hatten den Termin so spät am Abend gewählt, dass er danach frei und viel Zeit haben musste. Ich war sicher: - Einen Fisch an der Angel ließ er sich nicht entgehen!

„Und? Wie war es?“ fragte ich später. Eva schüttelte den Kopf, lachte böse und verächtlich. „Das kannst du dir nicht vorstellen…“ Sie machte eine bedeutungsvolle Pause.
„Klar lud der mich ein. Im Restaurant schlang er alles vor-kriegsmäßig in sich hinein und bekleckerte sein Hemd. Zwischen Schmatzen und Schlucken kamen dann seine Sprüche, die ich ja von dir schon kannte, so wie …. er wäre schon immer Single gewesen … eine Beziehung halte eh nicht lange… und so weiter. Das ist seine Masche! -
„Kontraproduktiv!“ Ich rollte mit den Augen. „Was für ein Idiot!“ - „Dann bei ihm zu Hause schüttete er sich gleich einen Whisky ein. Und noch einen. Ich trinke ja nicht und fand das ziemlich langweilig, ein paar Scherze, na ja… Um das Ganze abzukürzen, machte ich einen kleinen Strip. Da ging die Hose runter.“
Ich lachte. „ Wir wälzten uns ein bisschen herum, aber so einen „Wonneproppen“ kann man ja nicht über sich ertragen, da kriegt man Erstickungsanfälle.“
Eva war göttlich, direkt aus dem Paradies entsprungen!
Ich lachte noch mehr.
„Da die ganze Prozedur nicht funktionierte, kam er auf die Idee, ich solle zaubern.“ - „Ja, ja, seine Blow Jobs...“ grinste ich. „Geschnitten! Ich bin doch nicht so bescheuert und hol jedem einen runter! Ich hatte auch einfach keinen Bock, ehrlich, mein Typ ist der nicht.“
Ich musste mich jetzt aufgrund meiner damaligen Verwirrung verteidigen. „Schönheit und er sind nicht gerade ein Traumgespann!“
Eva lachte. „Er war nicht beleidigt, schüttete sich noch einen Whisky ein... Tja, dein lieber Herr Groß-Protz versteht nicht viel von Frauen.“ - „Na ja, schließlich hat er mehr mit Männern zu tun, ist ja kein Gynäkologe.“ verteidigte ich ihn, obwohl ich nicht sicher war, ob Gynäkologen viel von Frauen verstanden.
„Und er schlief mit einer Menge Whisky ein. Da hab ich mich verdrückt.“
„Ist der impotent?“ - „ Hm…vielleicht… so quasi…. Ob der jemals ...“ - „Muss wohl, schließlich war er verheiratet und hat ein Kind geschafft.“ - „Weißt du, ob er das Kind wirklich eigenhändig zustande gebracht hat?“
Eva und ich schauten uns einen Augenblick sehr ernst an. Dann brachen wir plötzlich wie auf Kommando in schallendes Gelächter aus.
Wir erörterten noch einige unwichtige Details, die hier nichts zur Sache tun, und hatten einen satanischen Spaß dabei.
Athene sah uns wohlwollend zu, während Amor wutschnaubend im großen Götterhimmel zu passenderen Objekten verschwand.
Ich hätte den Triumph zwar selbst gerne genossen, doch Amazonen kämpften gemeinsam, und ich gab mich mit dem Ergebnis unserer Genussforschung, was Sex von gewissen männlichen Wesen betrifft, zufrieden.

Neulich stellte ich fest, dass er sich aus den Single Börsen abgemeldet hat.
Wow! - dachte ich. - Wir haben ihn kastriert!

Autor:

Ingrid Dressel aus Bochum

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