Frauenpower: Bernhardine Lützenburg - Zwischen Vorstandsarbeit, Schule und Atelier

Im Keller ihres Hauses hat sich Bernhardine Lützenburg ein Atelier eingerichtet. Hier entstehen nicht nur ihre großformatigen Bilder, sondern auch die bekannten Skulpturen. | Foto: Thomas Eickholt
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  • Im Keller ihres Hauses hat sich Bernhardine Lützenburg ein Atelier eingerichtet. Hier entstehen nicht nur ihre großformatigen Bilder, sondern auch die bekannten Skulpturen.
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Frühsommer 2011, ein ganz normaler Vormittag. Bei Bernhardine Lützenburg klingelt das Telefon, am anderen Ende ist der Leiter des Kulturamtes. „Sitzt du?“, fragt Dieter Wollek.

„Ich habe gedacht, oh Gott, jetzt kommt bestimmt irgendwas mit Geldkürzung oder so“, erinnert sich Bernhardine Lützenburg. Weit daneben getippt. Die Jury hatte sie gerade zur Trägerin des Kulturpreises der Stadt gekürt. „Als Dieter Wollek mir das gesagt hat, habe ich total angefangen zu zittern, ich bekam eine richtige Gänsehaut.“ In der Begründung der Jury heißt es: „Frau Lützenburg hat sich in besonders herausragender Weise um die Förderung der lokalen Kulturszene verdient gemacht.“ Mit einer ähnlich lautenden Erklärung durfte Berhardine Lützenburg bereits 2001 die Stadtplakette entgegen nehmen.

Das Zittern und die Aufgedrehtheit war auch nicht verschwunden, als im November 2011 die feierliche Verleihung des Kulturpreises stattfand. Der Kammerkonzertsaal platzte aus allen Nähten, eine Reihe von Gäste stand auf den Fluren und verfolgte das Geschehen über eigens aufgebaute Bildschirme. „Ich habe befürchtet, dass ich in Tränen ausbreche, wenn ich vor all den Leuten eine Dankesrede halten soll“, erinnert sich die Preisträgerin.

Aber „Bernie“ wäre nicht sie selbst, wäre ihr nicht eine Lösung für das Problem eingefallen. „Ich habe an diesem Abend einen großen Tonklumpen auf einen Tisch auf der Bühne gehievt und habe live vor allen Gästen eine Figur modelliert“, erzählt sie. „Als ich fertig war, habe ich ein vorbereitetes Schild reingesteckt, auf dem ganz groß „Danke!“ stand.“ Gesprochen hat Berhardine Lützenburg kein Wort, der Applaus des Publikums war ihr auch so sicher.
Schon als Kind bemerkte die gebürtige Kirchhellenerin, dass sie die Kunst liebte.

Gerne hätte sie diese zum Beruf gemacht, doch es erging ihr wie vielen anderen: „Meine Vater sagte: Davon kann man nicht leben! Ende der Diskussion“, erzählt sie. Also lernte die junge Bernhardine brav Einzelhandelskauffrau, später Bürokauffrau. Erkaltet ist ihre Liebe jedoch nie. Berufsbegleitend besuchte sie Zeichen- und Töpferkurse, belegte Keramikkurse bei der VHS, suchte ihre Urlaubsziele nach den dort verfügbaren künstlerischen Workshops aus.

Eine Führung durch das Atelier des Künstlers Johannes Fischedick Ende der 60er Jahre war eine der Initialzündungen im Leben der heutigen Vorsitzenden des Künstlerbundes. „Die Faszination war schon vorher da, aber bei ihm bin ich hängen geblieben“, blickt sie zurück. Ein Jahr lang war Bernhardine zwei, drei Mal pro Woche zu Besuch in seinem Atelier und lernte von Johannes Fischedick.

Eine große künstlerische Liebe war geboren. Das Arbeiten an Skulpturen kann Berhardine Lützenburg bis heute nicht lassen - warum auch? Im Laufe der Jahre sind also dicke liegende Frauen, Schalen, Kasper-Köpfe oder hochbeinige, dünne Könige entstanden - die Liste ließe sich fortsetzen. Ihr zweites Arbeitsfeld ist die Malerei, gerne großformatig, oft abstrakt, mal fast monochrom, dann wieder in leuchtenden Farben. „Ich fühle mich in beiden Genres zuhause“, sagt sie.

Seit Ende der 70er Jahre gibt Bernhardine Lützenburg selber Kurse an der VHS, seit 1992 ist sie Mitglied des Dozenten-Teams der Kulturwerkstatt. In einer Reihe von Schulen in Bottrop hängen inzwischen großformatige Reliefs an den Wänden, die Bernhardine Lützenburg gemeinsam mit den Schulkindern entworfen und angefertigt hat.

Mit Beginn des neuen Schuljahres wird sie wieder in den Offenen Ganztagsangeboten der Richard Wagner Grundschule, der Fürstenberggrundschule und der Ludgerusschule anzutreffen sein. Bei den Angeboten „Kultur und Schule“, die gemeinsam mit der Kulturwerkstatt organisiert werden, ist sie ebenfalls an Bord. „Ich gebe mein Wissen gern weiter“, erklärt sie. Das tut sie zum Beispiel auch bei Projekten mit Behinderten, unter anderem im Heinrich-Theissen-Haus. „Hin und wieder bin ich noch auf Besuch dort, und ich werde immer noch von den Teilnehmern des Projektes erkannt und begrüßt“, freut sich Bernhardine Lützenburg, die schon das nächste Angebot dort plant.

Der Bottroper Kunstgemeinschaft gehört sie schon lange an, im Jahr 1992 aber musste sie sich entscheiden, ob sie Häuptling oder Indianer sein wollte. Der Vorsitzende war gestorben, die Gruppe umfasste nur noch 13 Mitglieder, die Auflösung schien vor der Tür zu stehen. Eigentlich hatte Bernhardine Lützenburg sich schon mit diesem Gedanken abgefunden - bis ihr Mann Wolfgang ihr zuredete, sich stärker zu engagieren. „Er hat mir Rückhalt gegeben.“ Bernhardine Lützenburg entschied sich, den Vorsitz des Künstlerbundes zu übernehmen. „Doch ich habe gesagt: Dann müssen wir auch anders arbeiten als früher. Und ich bin damit auf offene Ohren gestoßen.“

Es hat sich gelohnt. Heute zählt die Kunstgemeinschaft 42 Mitglieder, bei zwei großen Ausstellungen im Jahr - eine bei der RWW, eine in den Räumen der Sparkasse am Pferdemarkt - zeigen die ihr angehörenden Künstler eine große Schaffens-Bandbreite. Am 6. November steht für die Kunstgemeinschaft das nächste bedeutende Datum im Kalender. Zum 45-jährigen Bestehen gibt es eine große Ausstellung.

Was ist ihr Antrieb? „Ich möchte in einer Stadt leben, in der sich etwas positiv verändert“, versucht sich Bernhardine Lützenburg an einer Erklärung. „Ich glaube, wenn ich nicht mehr künstlerisch arbeiten könnte, würde ich krank. Da wäre ich lieber tot.“

Im Keller ihres Hauses hat sich Bernhardine Lützenburg ein Atelier eingerichtet. Hier entstehen nicht nur ihre großformatigen Bilder, sondern auch die bekannten Skulpturen. | Foto: Thomas Eickholt
Autor:

Judith Schmitz aus Bottrop

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