Blick hinter die Kulissen des Circus Antoni – "Hier macht jeder alles!"

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Wenn die Manege für die nächste Vorstellung um 16 Uhr erstrahlt, hat das Ensemble des Circus Antoni fast schon einen Zwölf-Stunden-Tag hinter sich. Schon morgens früh gegen 5 Uhr schellt der Wecker, denn es wartet auf alle 18 Mitglieder des Familienunternehmens eine ganze Menge Arbeit. Im Rahmen der Selbsttest-Reihe, der sich die Redaktionsmitarbeiter des Kettwig Kuriers auch in diesem Sommer wieder unterziehen, führt mich mein Weg zum Platz an der Meisenburgstraße, auf dem der Circus Antoni seine Zelte aufgeschlagen hat.

Zugegeben, um 5 Uhr bin ich dann doch nicht aufgestanden. Das wäre aber auch wirklich ein bisschen viel verlangt. Schließlich gelten die Mitglieder der „schreibenden Zunft“ ja nicht gerade als Frühaufsteher. Dennoch bin ich natürlich nicht minder gespannt auf alles, was mich hinter den Kulissen der kunterbunten Zirkuswelt erwartet, die man ja sonst nur als Zuschauer im großen Zirkuszelt bestaunen darf. Also stopfe ich meine Jeans in die mitgebrachten Gummistiefel – ich besitze tatsächlich welche – und stapfe schnurstracks zu einem der Wohnwagen, die für alle Mitglieder der Zirkus-Familie das mobile Zuhause sind. Ich ziehe meine Stiefel wieder aus und nehme erstmal Platz am Esstisch. Gerade wird das Mittagessen zubereitet – „Spaghetti Bolognese“ steht heute auf dem Speiseplan. „Hmmm, lecker“, denke ich, aber nach einer kurzen Einweisung über den Zirkusbetrieb nimmt mich Angelina Weiß auch schon wieder mit auf das Außengelände.

Die Tiere haben morgens Vorrang

„Morgens haben bei uns die Tiere Vorrang. Die Stallungen müssen ausgemistet und die Tiere gefüttert werden. Außerdem brauchen sie bei diesen Temperaturen vor allem ausreichend Wasser. Grundsätzlich werden bei uns morgens die Tiere zuerst versorgt. Erst dann sind wir an der Reihe“, erzählt Angelina Weiß, die im Zirkusbetrieb so etwas wie das „Mädchen für alles“ ist. „Wenn wir Vorführungen haben, stehe ich am Eingang und assistiere auch bei einigen Nummern als Statistin, wie beispielsweise beim Messerwerfen. Hier macht jeder alles“, lautet die schlichte Erfolgsformel für den Familien-Zirkus, der in Witten beheimatet ist. Derweil bin ich froh, dass ich offenbar nicht als Statist beim Messerwerfen einge-plant bin...

Jeder denkt für den anderen mit

Aber zurück zu den Tieren. Ein Pony, Pferde, Ziegen, Hunde, Esel und ein Kamel warten darauf, dass sie morgens, mittags und abends gefüttert werden. Hinzu kommen noch die Lamas, die in diesem Jahr neu im Programm sind und sich auf der Wiese im Außengehege tummeln. Jetzt ist es auch an mir, mich um das Wohl der Tiere zu kümmern. Also reiche ich dem Kamel eine handvoll Heu, aber der Appetit hält sich in Grenzen. Also weiter zu den Ziegen, die mich lauthals auffordern, sie zu füttern – übrigens mit Erfolg. Ein wenig zurückhaltender ist derweil das Pony, das offensichtlich gerade keinen Appetit auf Heu hat. Also versuche ich es stattdessen mit Wasser. Und tatsächlich wird die kleine Erfrischung angesichts der doch hohen Temperaturen gerne angenommen. Dennoch macht die Versorgung der Tiere natürlich nur einen Teil der Aufgaben aus, denen sich die Mitglieder des Circus Antoni widmen. „Bei uns denkt jeder für den anderen mit. Wenn ich zum Beispiel zu den Tieren komme und sehe, dass sich schon schon jemand um sie kümmert, dann suche ich mir eine andere Aufgabe. So funktioniert das hier bei uns einfach. Und anders wäre das alles auch nicht zu leisten. Denn schließlich haben wir es als Familienbetrieb schwer, uns gegen die großen Zirkusbetriebe durchzusetzen. Die verfügen über ganz andere Mittel“, erklärt Angelina Weiß. Beim Circus Antoni sind eben alle nicht nur in der Manege gefragt, sondern müssen auch dafür sorgen, dass ausreichend Besucher zu den Vorstellungen kommen. „Wer gerade nicht seine Nummern proben muss oder andere Aufgaben hat, der hängt in der Umgebung Werbeplakate auf, um auf uns aufmerksam zu machen. Denn wir leben nun einmal von den Zuschauereinnahmen.“

Barbara Tränkler ist die "Mutter der Kompanie"

„Mutter der Kompanie“ ist Barbara Tränkler. Mit ihren 74 Jahren hat sie das Familienunternehmen immer noch gut im Griff. Dazu gehört auch die Jüngste im Bunde, die 16 Monate alte Sienna, die schon bald in die Riege der Artisten aufsteigen wird. So wie beispielsweise Damian, der mit seinen gerade einmal zwei Jahren als Clown bereits das Publikum in der Manege unterhält.
Auf ein geregeltes Schulleben muss der Nachwuchs aber zwangsläufig verzichten. „Die Kinder werden bei uns von der Zirkusschule NRW unterrichtet. Die Lehrer kommen zu uns und unterrichten die Kinder, die dann ihren Schulabschluss machen. Das ist nicht mehr so wie früher. Da musste ich ständig die Schule wechseln, was nicht immer schön war. Aber heute kann ich mir kein anderes Leben mehr vorstellen“, erzählt Angelina Weiß und wenn man dabei in ihre Augen schaut, sieht man, dass es für sie kein größeres Glück zu geben scheint.

"Nur nicht über den Kopf werfen!"

Und zum Schluss unseres Selbsttestes „darf“ ich dann noch einmal ran – und zwar mit der Mistgabel. Denn nach dem Ausmisten müssen die Hinterlassenschaften der vierbeinigen Begleiter auf einen Hänger zum Abtransport geschafft werden. „Nur nicht über den Kopf werfen“, lautet die ebenso kurze wie einleuchtende Anweisung von Angelina Weiß. Und so habe ich den Mist schadlos auf den Hänger den Hänger befördert.

Autor:

Markus Tillmann aus Essen-Kettwig

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