Offener Ganztag - viel Mängel, wenig Moneten und mehr

Eine nicht schillernde Schul-"Revue“. Mit Vorteilen, Nachteilen, Nebenwirkungen...!

Was macht eigentlich der Offene Ganztag? Wie sind die Erfahrungen an der Bodelschwingh-Grundschule in Essen-Altendorf? Wir sprachen mit Rektorin Hanne Herz-Höhnke, Konrektorin Ulrike Burgmüller-Günther, Lehrerin Ayfer Kahveci. Um es vorweg zu sagen: Der Anfang, das Versprechen 2007, war vielversprechend. Doch dabei blieb es. Bis jetzt…

Was versteht man unter Offenen Ganztag?
Frühbetreuung von 7 bis 8 Uhr, dann beginnt der Unterricht. Danach OG bis 16 Uhr, anschließend Spätbetreuung bis 17 Uhr.

Wie viel Schüler hat die Bodelschwinghschule – wie viel Kinder sind im OG?
Von 240 Schülern, mit fast 30 Nationalitäten, ca. 91 % Migranten, sind 86 Kinder im OG in drei Gruppen – verteilt auf zwei Gruppenräume mit 3 Erziehern.
Da fehlt doch ein Raum?
Das Versprechen und Konzept 2007 vom Gremium lautete: Eine Gruppe, ein Raum. Maximal 25 Kinder pro Klassen- bzw. Gruppenraum. Dafür sind finanzielle Mittel geflossen, um auch die Räume entsprechend auszustatten. Die ersten Schulen wurden auch so ausgestattet. Dann musste man um 2010 Einsparungen vom Land hinnehmen.

Viele Schüler, wenig Räumlichkeiten. Wie funktioniert das?
In der Bodelschwinghschule wurde der Betreuungsbedarf wie an vielen anderen Standorten immer größer. Wir hatten aber nur die zwei Gruppenräume. Sind also in der Zwangslage, seit Sommer 2011drei offizielle Gruppen überwachen zu müssen. Ausstattungsmittel für eine dritte Gruppe gab es nicht. Das ist überall so: 3 Gruppen – 2 Räume, das heutige Raum-Konzept.

Das bedeutet für die Kinder?
Viel Unruhe, Durcheinander, Chaos.Als Erzieher muss man ein Organisationstalent sein, um den Kindern einen vernünftigen Ausgleich zum Unterrichtsvormittag zu vermitteln; dass sie „runterkommen“ vom Schulstress. Das Raumproblem macht sich bemerkbar auf die Unterrichtssituation. Durch die Ausweitung der Offenen Ganztagsbetreuung mussten auch die Unterrichtsräume im Nachmittag mehr genutzt werden. Kinder wie Lehrer – die am Vortag in dem Raum Vorbereitungen für den nächsten Tag treffen – finden ihre Sachen nicht mehr, weil nachmittags Arbeitsgruppen in den Klassen mit fremden Leuten (Honorarkräften) stattfinden.

Das Entscheidende - was fehlt?
Erziehung braucht mehr Personal und qualifizierte Kräfte; die fehlen absolut. Für ca. 30 Kinder nachmittags mit einer verantwortlichen „Erzieher“- Kraft, das geht nicht. Der OG steckt immer noch in den Kinderschuhen. Bei uns sitzen die Kinder sehr beengt auf kleinem Raum oder unbeaufsichtigt in Fluren, Pausenhalle, Toilettenanlage – wie Hühner auf der Leiter. Trotz allem, wir sind eine gute Schule, aber haben keinen Platz. Wir müssen viele Kinder ablehnen.

Offener Ganztag rückblickend?
Der Schulalltag ist unruhiger geworden. Die Kinder sind gerne hier – Zuhause wären sie teilweise allein. Die Arbeitsgruppen sind schon ein Zugewinn. Aber es ist laut, es fehlen Räumlichkeiten, Ausstattungen und qualifizierte Leute, die sich auch mit Kindern auskennen. Nicht jeder, der sein Fach beherrscht, „beherrscht“ auch Kinder.

Die Folge?
Unzufriedenes Personal, das nachmittags die Arbeitsgruppen anbietet: Weil es mit den erziehungsschwierigen Kindern Problem hat; Erzieher zu wenig Zeit haben, sich mit den Honorarkräften zusammen zu setzen, um Probleme, wichtige Anliegen miteinander zu besprechen.

Offener Ganztag jetzt?
Bedeutet heute immer noch Stress, Unruhe, Unzufriedenheit, Lärm. Auch Dreck – Toiletten werden nur einmal am Tag gereinigt. Nach dem Mittagessen ist die WC-Situation verheerend.

Vorteile des Offenen Ganztags?
Dass die Schüler viel Zeit miteinander verbringen; Freundschaften entstehen, sich vertiefen, ein gesundes Mittagessen, Hausaufgaben werden in der Schule gemacht, kontrolliert. Bildungsangebote werden wahrgenommen wie Tanzen, Fußball, Koch AG, Trommeln, Musik Handwerken und mehr.

Von 7 bis 17 Uhr: Ein unendlich langer Tag für einen Schüler.
Ja, Kinder sind gerade nach dem Wochenende (PC, TV…) wie gepusht. Damit sie zur Ruhe kommen, haben wir einen „Ruhetag“ – montags – eingeführt. Von 14 bis 15 Uhr herrscht in der Bodelschwingh absolute Stille im Haus. Nach dem Mittagessen werden alle 86 Schüler auf 6 bis 8 Gruppen aufgeteilt – für Yoga, Lesen, Meditation. Montags entfallen auch Hausaufgaben, Arbeitsgruppen. Muße hat etwas mit Genuss zu tun. Das ist schon eine Seltenheit. Alle – Lehrer wie Schüler – stehen unter Druck.
Übrigens: Die Stadt Essen sucht Betreuer für Ganztags-Grundschulen als Honorarkräfte. Pädagogische Ausbildung ist nicht erforderlich…!

Betreuer von der Stadt gesucht
7800 Grundschulkinder besuchen den Offenen Ganztag. Die Stadt Essen sucht jetzt für den OG Honorarkräfte für stundenweisen Einsatz. Die Betreuer müssen über keinerlei pädagogische Ausbildung verfügen, jedoch „pädagogische Eignung“ mitbringen. Der Verdienst liegt zwischen 10 – 15 Euro pro Stunde…Näheres im Internet unter „Kultur und Bildung“, Stadtverwaltung .

Foto: Renate Debus-Gohl / West Anzeiger Essen

Autor:

Ingrid Schattberg aus Essen-West

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