Lokalkompass-Lesetipp: Wertewandel, dramatische Satire in 3 Akten

Hieronymus Bosch - Der Heuwagen um 1500
Ein flämisches Sprichwort sagt - Die Welt ist ein Heuhaufen – ein jeder pflückt davon, soviel er kann. | Foto: wikipedia, gemeinfrei
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  • Hieronymus Bosch - Der Heuwagen um 1500
    Ein flämisches Sprichwort sagt - Die Welt ist ein Heuhaufen – ein jeder pflückt davon, soviel er kann.
  • Foto: wikipedia, gemeinfrei
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1. Akt:

O tempora (welche Zeiten), o mores (welche Sitten),
so beklagte Cicero im Jahre 63 vor Christus den Sittenverfall im alten Rom.

Damals konnte er ja noch nicht wissen, dass Tempora heute der Codename einer britischen Geheimdienstoperation des „Government Communications Headquarters (GCHQ) zur Überwachung des weltweiten Telekommunikations- und Internet-Datenverkehrs“ (Wikipedia) ist.

Und das diese Operation und andere erst dann unsittlich werden, wenn das Handy der Kanzlerin im Abhörkreuzfeuer steht, und erst dann Politiker ihre zuvor vollkommen konträre Meinung dazu dem Wandel der Gezeiten preisgeben, konnte er in diesem Umfang auch nicht wissen.

Oder hat er das etwa geahnt - in der Voraussicht eines Weisen ?

2.Akt :

Im Mittelalter war es gang und gäbe, sich mit dem geldwerten Erwerb eines Ablassbriefes den „Nachlass von auferlegten Strafen, die von dem Sünder nach seiner Umkehr noch zu verbüßen sind“(Wikipedia), zu erkaufen.
„Im Zuge der Verbreitung dieser Briefe spielte der Dominikanermönch Johann Tetzel eine besondere Rolle, vor allem mit dem berühmten Satz: `´Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt´`“ (Wikipedia).

Die Anwendung dieser praktischen Befreiungsübungen von Schuld hat sich aus dem mittelaterlichen Umfeld der kirchlichen Geldbeschaffungsmaßnahmen hinübergerettet in die steueroasenmentalitätsgesteuerte Unsitte der kleineren Hinterziehung oder je nach Größenordnung des sündhaft süßen und gierbeschmutzten, an der Allgemeinheit vorbei gesteuerten Geldtranfers, kurzum Steuerhinterziehung genannten Steuerbetrugs.

Dieser Steuerbetrug, wenn er denn einer honorigen Persönlichkeit nachgewiesen werden kann wie einem bayrischen Fußballgigantomanen, ist aber kein asoziales Verhalten und aller wichtigen Ämter verlustig werdender Straftatbestand, jedenfalls nicht in den Augen der ihn tragenden und stützenden ehrenwerten Aufsichtsratsgesellschaft.

Verstanden ?

Macht nichts – nachvollziehen kann ich diesen Wandel der Werte , der Moralvorstellungen ebenso wenig.

Für mich ist nicht mehr nachvollziehbar, wie eigentlich unangefochtene Firmenlenker von Firmen wie Audi, Adidas, VW und anderen Großkonzernen sich hinter oder vielmehr vor eine Person stellen, gegen die nun sogar ein Prozess wegen Steuerhinterziehung beginnt.
Wie hieß es zunächst unisono sinngemäß? Über einen Rücktritt U.H´s könne man erst dann entscheiden, wenn sich ein Prozess anbahnte. Nun bahnt er sich an, und dieser – mögliche- Fehltritt muß unbedingt abgetrennt werden von der öffentlichen Person.

Das beträfe doch lediglich den Privatmann !

Ich frage mich seit vielen Stunden, wie es nur möglich ist, sich ernsthaft mit einer solchen Logik an die Öffentlichkeit zu trauen.
Ist das Borniertheit ? Ist das die Abgehobenheit einer schier den Bodenkontakt verloren habenden elitären Minderheit, die aber alle Geldmacht der Welt besitzt, Ihre Interessen auch gegen bestehende Gesetze durchzusetzen, bei der nur noch das Geld „moralische Werte“ zu präsentieren scheint ?

O Zeiten o Sitten …..

3. Akt

Einkommen und Besitz waren im Mittelalter recht klar verteilt.

Eine dieser Gruppen gehörte zum Stand der Ritter, aus dem sich eine Untergruppe aussonderte und als Raubritter zu fragwürdiger Berühmtheit aufstieg.
Geistlicher und weltlicher Adel, aufsteigendes Bürgertum und andere Gruppierungen tummelten sich ebenso auf der Seite der Besitzenden.

Böse Zungen behaupten auch heute noch, daß jede dieser Gruppen auf ihre Weise ohne das Erbringen einer adäquaten Gegenleistung in den Besitz eines dagobertianischen Geldspeichers gelangte.

Den Schufterles hingegen blieb der Genuss der Armut.

Nach einem Sprung in die Neuzeit erweist sich der Blick zurück als ein Blick in eine finstere Vergangenheit. Wirklich ?

Möge der Leser nach der Lektüre der folgenden Gedanken entscheiden, ob sich an der mittelalterlichen Situation grundsätzlich etwas geändert hat.

Wenn in der heutigen Arbeitswelt Firmenlenker das 50- bis zu 120fache Gehalt eines Durchschnittsgehaltempfängers als Vergütung für „hervorragende Leistungen“ erhalten, bin ich versucht, die aus dieser Leistung resultierenden notwendigen Arbeitsstunden einmal hochzurechnen. Ein 50facher müßte dann bei gleichem Stundenlohn wie ein Durchschnittsempfänger gut 8.000 Stunden im Monat arbeiten, ein 122facher ca. 18.000 Stunden im Monat !
„So kann man doch nicht rechnen !“, sagen Sie ?
„So viel besser als ein Durchschnittsgehaltsempfänger kann niemand arbeiten, der allein schon das 50fache Gehalt bezieht !“, antworte ich.
Da gelten halt ganz andere Spielregeln, andere Werte, Und das ist in meinen Augen unmoralisch, überzogen, abgehoben.

O Zeiten, o Sitten.....

Und es gäbe noch so viele weitere Beispiele zu erwähnen.

So beende ich denn dieses satirische Drama mit einem weiteren sinngemäßen Zitat aus dem Munde Ciceros:

Wie lange noch (….)werdet ihr wohl unsere Geduld missbrauchen?

Hieronymus Bosch - Der Heuwagen um 1500
Ein flämisches Sprichwort sagt - Die Welt ist ein Heuhaufen – ein jeder pflückt davon, soviel er kann. | Foto: wikipedia, gemeinfrei
Johann-tetzel-Ablasshändler im MA | Foto: wikipedia gemeinfrei
Autor:

Lothar Dierkes aus Goch

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