Sozialbetrüger Bundestag

Während die Politik mit Härte gegen Sozialbetrüger in der Privatwirtschaft
vorgeht, beschäftigte der Bundestag selbst Scheinselbstständige.

Die Politik ist wieder einmal ein gutes Vorbild. Weil jahrelang über hundert Mitarbeiter als Scheinselbstständige beschäftigt waren und deshalb keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlt wurden, musste die Bundestagsverwaltung nun knapp 3,5 Millionen Euro an Sozialbeiträgen an die Deutsche Rentenversicherung nachzahlen. Einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ) zufolge wurden für Angestellte in der Öffentlichkeitsarbeit und dem Besucherdienst keine Beiträge zur Kranken, Renten, Pflege oder Arbeitslosenversicherung geleistet. 

Nun hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ein vernichtendes Urteil gesprochen. Aber die Gesetzgeber in Berlin sind unbelehrbare Out-Laws.

„Und noch mehr, dass die Richter in einem Musterfall keine Revision zuließen und der Bundestag nun gegen die Nichtzulassung Beschwerde einreichte. Anstatt auch personelle Konsequenzen – für ein eigentlich kriminelles Verhalten! – zu ziehen und das Unrecht einzusehen, wird noch gegen das Gericht vorgegangen. So viel Selbstüberheblichkeit gibt es wohl nur in der Politik, wo eine abgehobene Klasse an Politikern am Volk vorbei regiert.“ 
Von Marco Maier

Mit seinem neuen Beitrag vom 10.08.2017 „Bundestag hat jahrelang Scheinselbständige beschäftigt“ schreibt Thomas Öchsner von der Süddeutschen Zeitung seine persönliche Fortsetzung im Bundestagsskandal um die Freiberufler im Bundestag „Ärger unter der Reichstagskuppel“(vom 10.03.2012).

Er fasst zusammen:
Der Bundestag soll jahrelang mehr als 100 Mitarbeiter als Scheinselbständige
beschäftigt haben.
3,5 Millionen Euro an Sozialbeiträgen musste das Parlament bereits
nachzahlen.
Trotzdem will die Bundestagsverwaltung im Rechtsstreit nicht nachgeben.

Bereits am 26.10.2012 stellte das Sozialgericht Berlin in dem Urteil S 81 KR 2081/10 fest, dass die Beschäftigung als Besucherbetreuerin eine nichtselbstständige Arbeit darstellt und somit von einem Versicherungspflichtigen Arbeitnehmerverhältnis auszugehen sei. Seinerzeit wurde über den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 29. Oktober 2009 verhandelt. Seit neun Jahren hält der Bundestag an seiner Rechtsbeugung fest und will für sich selbst den eigenen Gesetzen trotzen.

„Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekenn­zeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.“

Bundestag hat jahrelang Scheinselbständige beschäftigt

LSG Berlin zu Scheinselbständigkeit im Bundestag: Der Bundestag hat jahrelang Mitarbeiter als Scheinselbständige beschäftigt. Das hat das Landessozialgericht Berlin entschieden. Geklagt hat ein ehemaliger Öffentlichkeitsarbeiter, der auf Messen und Ausstellungen das Parlament vorstellte. Laut Landessozialgericht habe er dabei kein eigenes Risiko getragen und keine eigenen Mittel eingesetzt. Zudem seien Details der Tätigkeit einseitig vorgegeben worden, sodass der Mitarbeiter als Arbeitnehmer einzustufen sei. Nach Informationen der SZ (Thomas Öchsner) geht es um mehr als 100 Fälle. Die Bundestagsverwaltung habe bereits 3,5 Millionen Euro an Sozialbeiträgen an die Deutsche Rentenversicherung nachzahlen müssen.

In einem gesonderten Kommentar schreibt Thomas Öchsner (SZ), der Bundestag habe seine Vorbildfunktion verletzt. Wenn sich das Parlament nicht an die eigenen Gesetze halte, mache es sich unglaubwürdig. Statt sich einsichtig zu zeigen und die Mitarbeiter anzustellen, führe der Bundestag einen juristischen Kleinkrieg, die Abgeordneten sollten einschreiten.

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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