Rosemarie Kaltenbach: Ein Tag bei der Rheinberger Tafel

Rosemarie Kaltenbach hat's versprochen und gehalten: Sie arbeitete einen Tag lang bei der Rheinberger Tafel mit.
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  • hochgeladen von Carmen Friemond

Rheinberg. Manchmal muss Rosemarie Kaltenbach einfach laut werden. Spätestens dann, als auch zum dritten Mal keiner auf den Aufruf „Nummer 267“ reagiert. Ist ja auch kein Wunder bei dem Lärm und dem Gedränge im St. Anna-Pfarrheim an diesem Nachmittag. Es ist Ausgabetag der Rheinberger Tafel. Und für Rosemarie Kaltenbach ein ganz besonderer Ausgabetag. Die SPD-Bürgermeisterkandidatin hat in dieser Woche einen Tag lang bei der Tafel mitangepackt. Um mehr zu erfahren über diese wichtige ehrenamtliche Arbeit, hautnah zu erleben, wie die Tafel organisiert ist, wo dem Team der Schuh drückt.
„Das Soziale liegt mir sehr am Herzen“, sagt Rosemarie Kaltenbach. Als Beigeordnete der Stadt Rheinberg ist sie zurzeit unter anderem für die Bereiche Personal, Sicherheit und Ordnung und den Dienstleistungsbetrieb zuständig, nicht für das Soziale. Aber sie schaut gerne über den Tellerrand.
Und packt wirklich mit an. Morgens um 8 hat die Schicht im Pfarrheim St. Anna begonnen. Obst und Brot sortieren, manches auch aussortieren, dann eine kurze Mittagspause, und ab halb drei bereit sein für den Ansturm, wenn die Ausgabe beginnt. 300 Namen stehen zurzeit in der Kartei der Rheinberger Tafel, das bedeutet 300 Menschen mit Berechtigung, hier Lebensmittel abzuholen. Hinter vielen Menschen steht eine Familie, so dass die Tafel aktuell rund 1000 Menschen versorgen dürfte. Die kommen zwar nicht immer alle an jedem Ausgabetag, aber voll wird’s trotzdem ganz schnell.
Für Rosemarie Kaltenbach wird’s ein schweißtreibender Nachmittag. Sie steht an der Ausgabe, reicht volle Körbe über die Tische und sammelt die leer geräumten wieder ein. „Abends habe ich gewusst, was ich getan habe.“ Aber trotz der Anstrengung sei der Tag für sie sehr interessant gewesen. „Das Team hat mich wirklich nett aufgenommen, mir alles gut erklärt.“ Alle seien per du, jeder schaue, wo er helfen könne. „Das geht hier alles Hand in Hand.“ Sie habe jetzt noch mehr Respekt vor der Arbeit der Tafelhelfer, „denn es ist eine schwere Arbeit, vor allem zum Schluss der Ausgabe, wenn jeder seine Augen überall haben muss, um noch Lebensmittel für diejenigen, die zum Schluss dran kommen, zusammenzukratzen.“
Seit mehr als zehn Jahren gibt es die Rheinberger Tafel, Koordinatorin ist Tanja Braun, die auf den im vergangenen Jahr viel zu früh verstorbenen Klaus Kellner folgte. 50 Helferinnen und Helfer gehören zum Team. Sie alle sind gut ausgelastet. Denn aufgrund der Flüchtlinge, die nach Rheinberg kommen, sind die Zahlen der Bedürftigen stark gestiegen. „Vor einem Jahr hatten wir noch 100 Namen in der Kartei.“ Mit 300 Bedürftigen stoße die Tafel wirklich an ihre Grenzen, gerade auch, was die Menge der Lebensmittel betreffe. Grundnahrungsmittel, alles das, was länger haltbar sei, würden dringend benötigt.
Tanja Braun ist keine Sozialromantikerin, sie weiß, dass die Tafel nicht jedem helfen kann, aber ihr Herz schlägt einfach für Menschen, denen es nicht so gut geht. Dass in einem reichen Land wie Deutschland gerade auch viele Rentner zur Tafel kommen müssen, verurteilt sie, „das ist einfach ein respektloser Umgang mit diesen Menschen“.
Viele Schicksale rühren die Mitarbeiter, Menschen würden oftmals in Tränen ausbrechen, wenn sie aus ihrem Leben erzählten. Kinder wiederum freuten sich manchmal unglaublich über Kleinigkeiten. „Was ist denn für uns schon eine Tafel Schokolade?“ Und dann denkt sie wieder an den kleinen Knirps, ein Flüchtlingskind, das sich mit seiner Schokolade freudestrahlend unter dem Tisch versteckte und sie ganz schnell gegessen hat. „Da bekomme ich noch heute Gänsehaut.“
In Zeiten, in denen die Tafel noch nicht so überlaufen war, gab’s noch Zeit für persönliche Gespräche. Das ist vorbei, bedauert Tanja Braun, „das finde ich sehr schade.“ Auch Rosemarie Kaltenbach hatte erwartet, mit dem einen oder anderen ins Gespräch kommen zu können, „aber das war unmöglich, alle hatten so unglaublich viel zu tun bei der Ausgabe der Lebensmittel, da kann sich keiner mehr rausziehen.“ Ein Fazit für sie: „Wir müssen versuchen das hier zu entzerren, denn der Aufwand ist für die Helfer hier kaum noch zumutbar.“

Die Rheinberger Tafel freut sich über Geld- und Lebensmittelspenden (lange haltbare Grundnahrungsmittel). Infos bei Tanja Braun, 0171/1864463. Wer Interesse hat, kann auch dienstagsvormittags ab 8 Uhr im Pfarrheim St. Anna vorbeischauen und sich die Arbeit der Tafel erklären lassen.

Autor:

Carmen Friemond aus Dinslaken

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