Bochum Ruhrtriennale: Wenn Ideale wanken

Die Festival-Eröffnungsrede hält diesmal Literatur-Nobelpreis-Trägerin Herta Müller.
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Johan Simons startet in sein letztes Jahr Ruhrtriennale:

Sein drittes und letztes Jahr als Leiter der Ruhrtriennale stellt Bochums kommender Intendant Johan Simons unter den berühmten Schiller-Titel der Europa-Hymne „Freude schöner Götterfunken“. Um dann schon bei der Programmvorstellung zu fragen, ob es diese Funken überhaupt noch gibt.

Simons sieht so vieles in rasantem Tempo und auf unglaublich unvorhersehbare Weise sich ändern, noch 2016 hatte er die Begriffe „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ befragt: „Inzwischen scheint es mir manchmal so, als ob sich die Menschheit nicht mehr selbstverständlich auf diese Werte und Ideale verständigen kann. Unsere europäische Sicht auf diese Welt, ich nenne es eine humanistisch aufgeklärte Sicht, ist nicht die einzig denkbare. Wir sind mit agressiven Gegen-Entwürfen konfrontiert.“ Und fragt sich „Waren wir uns zu sicher?“ und „Wie lange können wir in diesem absurden Luxus leben – auch moralisch? Ist meine „Freude“ der Schmerz der Anderen? Ist „schöner“ noch ein haltbares Versprechen? Verspüren wir noch „Götterfunken?“, fragt er die drei Motto-Worte nacheinander ab.

Die (allein schon durch ihre schiere Zahl beeindruckenden) 135 Veranstaltungen, der 41 Produktionen (darunter 26 Eigen- und Ko-Produktionen, 22 Uraufführungen, Neuinszenierungen, Deutschlandpremieren und Installationen) in 14 außergewöhnlichen Spielstätten der Ruhrtriennale in Bochum, Dinslaken, Dortmund, Duisburg, Essen, Gladbeck und Mülheim/Ruhr, stellen sich diesen Fragen.

Mit den unerschöpflichen Mitteln der Kunst und mit Welt-Künstlern aus Oper, Theater und Tanz. Und - nimmt man die beiden ersten RT-Jahre unter Simons als Maßstab - versprechen auch sie in ihren tiefsten und schönsten Momenten wieder „Freude schöner Götterfunken“ satt. Ein kleines Päckchen „Götterfunken“ kann schließlich jeder gebrauchen! Wohl deshalb haben seine RT-Macher als kleinen Vorgeschmack auch ein paar Götterfunken-Wunderkerzen an die Presse verteilt.

Eröffnung feiert die Ruhrtriennale am 18. August 2017 auch diesmal wieder rund um die Bochumer Jahrhunderthalle, der Westpark ist nun auch Sitz der Ruhr Kultur GmbH.

Die Festspiel-Eröffnungsrede in der Turbinenhalle hält keine geringere als Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller!

„Kulturell warmlaufen“ kann man sich ab der Eröffnung im Refektorium auf dem Gelände. Wo wieder kostenlos das Kunstdorf vom Atelier Van Lieshout mit „The Good, the Bad and the Ugly“ lockt und neue interaktive Aktionen kostenlos bietet. Die „Bretterbude Refektorium“ selbst bleibt ungezwungene Anlaufstelle mit Bistro, Ort neuer Aktionen und Talk-Shows.

Mit der Neuinszenierung der Oper „Pelléas und Mélisande“ von Claude Debussy am Abend des 18. August eröffnet in der Jahrhunderthalle die Ruhrtriennale 2017, in der Regie des Polen Krysztof Warlikowski, mit den Bochumer Symphonikern unter Sylvain Cambreling. Mélisande ist die kanadische Star-Sopranistin Barbara Hannigan, der ungarisch-russische Bariton Gyula Orendt ihr Pelléas. (Karten wie für alles: ruhr3.com/pel)

Besonders reizvoll: Diese „erste Oper der Moderne“ in einer zeitgenössischen industriellen Location. Debussys einzig vollendetes Opernwerk handelt vom Umbruch, den damit verbundenen Ängsten, musikalisch eindringlich ausgelebt in mythischen, fast unheimlichen Szenen: Ältester Sohn eines alles bestimmenden Familien-Clans verliebt sich in heimatlose Fremde. Das konnte schon im Mittelalter nicht gut gehen ...

Noch gesucht: Opern-Statisten

Für „Pelléas und Mélisande“ werden noch Männer im Alter zwischen 25 und 80 Jahren gesucht, sportlich-muskulös als Arbeiter, aber auch Butler, Bar-Keeper und -Gäste. Weibliche Statisten von 20 bis 80 Jahren als Hausangestellt, Köchin, Bargäste. Casting ist schon am 21.3.17. Probenzeiten für mitwirkende Bochumer vom 12.7. bis 5.8.17 dreimal wöchentlich. (Infos bei Jennifer Köhler, Tel. 0234 – 97483 343 oder statisterie@ruhrtriennale.de)

Bochum darf sich auch wieder auf „Teentalitarismus“ freuen: Hier hat die Jugend die Macht übernommen und arbeitet an neuen Regeln, neuen Rechten und Zukunftsmodellen. Für sich und die Welt. Action und Erfahrungsaustausch bei Tanz, Konzerten, Gesprächen. Themen zB. „Handys in the Hand of Teens“, „The End of Everything”, “Sex, Drugs and Criminality”. Alle Veranstaltungen sind kostenlos, Treff jeweils beim Kunstdorf. ( ruhr3.com/tee).

Auch die Fans von „Ritournelle“, der Festivalnacht der elektronischen Musik kommen wieder voll auf ihre Kosten, am 19. August ab 18 Uhr in der Halle. Infos und Karten unter: ruhr3.comm/rit . Weitere Stück-Aufführungen und andere Veranstaltungen die Masse, auch in Turbinenhalle und Gebläsehaus, manifestieren im Rahmen des Gesamtprogramms: mit der fertigen Gesamtanlage am BV, der Einbeziehung auch des neuen Musikforums und mit dem Simons-Wechsel danach ans Schauspielhaus hat das bewusst geographisch ausgreifende Revier-Festival nun in dieser Stadt endgültig sein ständiges Zentrum gefunden – für Bochum ein Riesengewinn.

Weitere Ruhrtriennale-Events in Bochum:

Euphoria: Julian Rosenfeld / Urbane Künste Ruhr / Di-So: 20.8. - 30. 9.17, ab Dunkelheit bis 24 Uhr, Fassade Dampfgebläsehaus an der Jahrhunderthalle, Eintritt frei (ruhr3.com/eup). Lampchop+TimberTimbre: 23.8.17 / 20 Uhr, Jahrhunderthalle (Karten: ruhr3.com/lam).

The End of Everthing is a New Beginning: Symposium mit der innogy Stiftung für Energie & Gesellschaft, 26. 8.17 / 15 Uhr, Refektorium, Vorplatz Jahrhunderthalle, Eintritt frei (ruhr3.com/end).

Elite am Ende. Die neue Kraft von unten: ZEIT Forum Kultur mit Norbert Lammert, Claudia Nierth u.a., 27. 8.17 / 17 Uhr, Turbinenhalle, (Karten: ruhr3.com/zei). Johan Simons High Noon: Sonntags lädt Simons RT-KünstlerInnen zum Gespräch am 27. 8.17 und 3., 10., 17., 24. 9.17 / 12 Uhr, Refektorium. Eintritt frei (ruhr3.com/joh). The Broke ´N´Beat Collective: Von und mit Theatre-Rites und 20 Stories High, 16. + 17., 21. + 22. + 23. 9. 17 / 18 Uhr, 18. + 19. 9.17 / 11 Uhr, Turbinenhalle.

Autor:

Caro Dai aus Essen-Werden

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