Pfanddosenstreit unter Nachbarn...

Ich bin geizig. Sehr geizig. Ich lasse nichts umkommen. Das habe ich von meiner Oma gelernt, denn meine Oma hatte zwei Kriege mitgemacht und musste genau überlegen, wie sie die Familie durchbrachte. Ich muss nur mich durchbringen. Aber das reicht.
Und so überlege ich, wie ich am günstigsten sparen kann. Ich reduzierte zum Beispiel meinen Klopapierverbrauch von drei auf zwei Blatt. Wenn man nämlich zwei Blatt im Drittel präzise faltet, reicht es für das kleine Geschäft. Den Kaffefilter aus Papier lasse ich trocknen, schüttle ihn aus und benutze ihn ein zweites Mal. Ein drittes Mal geht leider nicht, denn dann bekommt er in der Knickstelle Risse und das Kaffeemehl rieselt hindurch. Das habe ich ausprobiert.
Auch die Hälfte Waschpulver, Spülmittel und Allzweckreiniger zu verwenden, einen niedrigen Gang der Waschmaschine zu fahren, dient meinem Geldbeutel und der Umwelt. Stand-by auszuschalten, vergesse ich immer. Obwohl sich auf dem Schrank ein riesiges Warnschild befindet:
ANLAGE AUSMACHEN! Ich übersehe es einfach.
Beim Autofahren sehe ich zu, auf 2000 Touren zu bleiben, die Heizung nur halb anzuschalten und am Tage auch nicht das Licht. Manchmal ist das allerdings grenzwertig.

Nun ergab sich, dass wir gelbe Tonnen bekommen hatten, meine Nachbarn und ich. Und als ich eines Tages meinen Plastikmüll ordnungsgemäß hinein füllen wollte, erblickte ich einen kleinen Plastikbeutel mit vier Bierdosen, ganz ordentlich verpackt. Vier leere Pfanddosen. Entzückt nahm ich sie aus der Mülltonne. Jede Dose hat einen Pfandpreis von 0,25 €, das machte also 1,-€. Die Dosen konnte ich beim nächsten Tanken an der Tankstelle wunderbar einlösen. Und da jemand in diesem Haus wohl die Angewohnheit hatte, leere Pfanddosen in der Mülltonne zu deponieren, rechnete ich mir regelmäßigen Zugewinn aus. Wenn also acht Dosen in der Woche in der Mülltonne eingelagert würden, und ich sie an mich nahm, ergab das einen monatlichen Gewinn von rund gerechnet 10 Euro. Das war nicht zu verachten.
Mich beschäftigte nur die Frage, wer von den Nachbarn so großzügig sein konnte. Der Mann auf meiner Etage bestellte ganze Kästen Bier, das Paar hatte seinen Vorrat im Keller, und die Jammer – Oma unten rechts, die allen auf den Wecker ging, würde sicherlich nicht trinken, obwohl, es täte ihr gut. Also musste es die Frau vom ehemaligen Vermieter sein, die sich abends gerne einen zur Brust nahm.
Sie pflegte eine gewisse Abneigung gegen mich, da ihr Mann, als er noch lebte, sich gerne mit mir unterhalten hatte und oft mal zu einem Schwatz zu mir gekommen war.
Nach meinen gründlichen Überlegungen und Folgerungen bezüglich der Pfanddosen kam nur sie in Betracht. Leider musste sie mich irgendwann beobachtet haben, als ich die Dosen im kleinen Beutel zu meinem Auto brachte.
Von diesem Zeitpunkt an waren die Dosen geknickt in der Mülltonne anzutreffen und manchmal stark deformiert. Da gab sich jemand alle erdenkliche Mühe, die Dosen so zu verunstalten, dass sie nicht mehr automatengeeignet waren. Dann gab ich sie eben per Hand ab und die Verkäuferin wunderte sich über diese außergewöhnlichen Gebilde. Eine Zeitlang waren die Dosen ganz verschwunden und ich mutmaßte, sie seien jetzt fest verschlossen in einer unkenntlich gemachten Tüte. Oder akribisch unter dem ganzen Müll verbuddelt?
Neuerdings gibt es wieder Dosen, und auch nicht so stark geknickt. Hatte sie es aufgegeben? Oder ist das Zufall?
Ich werde diesen Tatvorgang weiterhin ausgiebig beobachten, und, wenn möglich, meinen Nutzen daraus ziehen. Denn wenn der Sprit durch Nachbarschaftshilfe einen Euro preiswerter wird, zahlt es sich aus, bei den heutigen Spritpreisen….

Autor:

Ingrid Dressel aus Bochum

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