Billy Idol rockt die Mitsubishi-Halle in Düsseldorf

In den achtziger Jahren trat plötzlich so ein blonder frecher Kerl auf die Bildfläche und beschleunigte nicht nur meine Bewegungen auf der Tanzfläche – auch auf dem Fahrrad kam ich doppelt so schnell am Rhein entlang nach Kaiserswerth, wenn ich Billy Idol auf dem Walkman hatte. Mit „Wedding Day“ und „Rebell Yell“ machte er uns Beine und zeigte, das über Punk hinaus noch etwas möglich ist, was mehr in die melodiöse Richtung geht.

So war denn auch zwischen der schrecklich lauten und blechernen Vorgruppe und dem eigentlichen Auftritt von Billy Idol die Musik der „Sisters of Mercy“ vom Band der Mitsubishi-Halle ein angemessenes Intro für das, was wir alle sehnsüchtig erwarteten.

Bedenken Sie, das Billy Idol fast 30 Jahre nach seinem damaligen Erfolg nun wieder auf der Bühne stand. Nach Krankheit, Ausflügen in die Welt der Drogen und des Alkohol, hat Mutter Erde ihn wieder aufgenommen und seine Selbstheilungskräfte haben ihr übriges dazu beigetan, das dieser Mann schlank und rank mit muskulösem Körper auf der Bühne einen Auftritt hatte, der uns alle Pfeffer unter die Füße jagte.

Das eigentliche Ereignis des Abends begann folgendermaßen:

Erstmal standen unendliche lange Schlangen von Autos im Stau rund um die Mitsubishi-Halle mit Kennzeichen aus dem gesamten Ruhrgebiet bis hin nach Holland.
Ebenso lange Schlangen drängelten vor den Eingangstüren und anschließend vor den Garderoben und vor dem Bierausschrank. Wir wurden kontrolliert, damit wir kein Glas mit in die Halle nehmen. Bier gab es nur im großen Plastikglas, das aber einen Henkel dafür hatte, mit dem man es auf der Rückenlehne des Vordermanns aufhängen konnte.

Frontal gegenüber der Bühne konnte ich einen Platz finden – weit hinten auf den erhöhten Sitzreihen. Zwei bis drei Stunden vor der Bühne stehen, das wäre mir selbst mit 16 schon zu anstrengend gewesen. So fand ich glücklicherweise in der vierten Reihe am Rand einen Platz, von dem aus ich beobachten konnte, wer da alles hineinströmt in die Halle, die 7.500 Leute umfaßt.

Wundersame Menschen, u.a. Punks mit geschorenen Seitenschläfen und einer knallroten Haarfontäne vom Haupt bis zum Po, Punks mit unglaublichen Tätowierungen auf den dargebotenen nackten Schultern und Armen, Rocker mit langem ergrauten Haupthaar, Frauen mit breiten Hüften und bequemen Laufschuhen, Teenis im süßen Girly-Look, um nur einige zu nennen, strömten so nach und nach in die große Halle ein, während die Rowdies auf der Bühne die Instrumente für die Band her richteten.

Gefühlte 10.000 Leute schienen sich nun in der Halle aufzuhalten – sie war belegt bis zum letzten Platz und zwischen die Menschen auf den Stehplätzen hätte keine Maus mehr gepaßt. Lautes Stimmengemurmel war zu hören – und da, leise erklangen von der Bühne die ersten rhytmischen Takte – erzeugt von Schlagzeug und Gitarren. Heute denke ich, das es das Beste am Konzert war. Diese archaischen Rhythmen vom Dunkel der Bühne in den Raum mit den schwatzenden Menschen – sie rollten langsam in unsere Ohren, wurden etwas kräftiger und nach ca. 15 Minuten war eine Ruhe im Saal eingekehrt, die ohne diese Klänge nicht denkbar gewesen wäre.

Weiter trug uns dieser Rhythmus in unsere Erinnerungen an Billy Idol, unsere Träume von den achtziger Jahren – an Lieben der damaligen Zeit, Trennungen, Entäuschungen, Flashs for Fantasie.

Und dann plötzlich war es so weit. Die Bühne erstrahlte im Glanz und zwischen goldenen Scheinwerfersäulen stand der goldene König und haute seine Stimme in unsere Ohren. Guter neuer Song, rockig, groovig. Ja, man konnte durchaus sitzen bleiben und sich mitziehen lassen. Nach nur wenigen neuen Songs – und ich glaube, einer Begrüßung an Luxemburg – aber ich bin ja auch schon schwerhörig – also nach nur wenigen neuen Songs beschwörte er den guten alten Rock und gab seine alten Songs zum besten. Bei „Sweet Sixteen“ liefen nicht nur mir die Tränen. Es war sehr schön vorgetragen auf Akkustikgitarren – auch Billy bediente eine solche.

Es war schon erstaunlich, wie man sich in diesen Klangteppich einweben ließ, verzaubert wurde, weggetragen wurde in eine Welt, in der man früher mal lebte und von der man dachte, sie ginge niemals vorbei.

Dreißig Jahre später und ich sitze in der großen Halle, sehe einige Herrschaften den Saal verlassen. Die Leute sind teils in meinem Alter, teils noch älter – schauen ein wenig mürrisch. Vielleicht haben sie sich nicht gefreut über die Konfrontation mit ihrer Jugend ? Ich weiß es nicht, war irgendwann müde, wollte heim zum schönsten Mann im Umkreis von drei Metern und wartete die Zugaben nicht mehr ab. Ich war satt.

Der Garderobenmann konnte mir dann erklären, warum so Einige schon gegangen seien. Es läge an der Akustik, meinte er. Es sei alles so schlecht abgemischt und viel zu laut und zu blechern und er frage sich, warum die Tontechniker eine Ausbildung machen, wenn sie es hinterher doch nicht können.

Es ist mir zwar auch aufgefallen, das da mit der Akustik was nicht stimmte – ich hatte dem aber weniger Bedeutung beigemessen, war zu sehr damit beschäftigt mich energetisch mit Billy Idol zu vereinen, zu dessen Musik ich immer schon gerne tanzte. Das Vergnügen konnte ich mir denn am Ende meines Daseins auch noch bereiten, indem ich wie ein Derwisch im hinteren Teil der Halle zwischen anderen Derwischen hin und her flog – immer noch ein wenig den Träumen der achtziger Jahre nachfegend.

Dankeschön Billy und Band für das tolle Konzert !

Autor:

Karin Michaeli aus Düsseldorf

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