Die ersten Jahre von Rot-Weiss Essen

„Immer wieder RWE!“ dokumentiert die Geschichte des Vereins von der Hafenstraße bis zum vorletzten Aufstieg in die 2. Bundesliga. Uwe Wicks Beiträge behandeln den ersten Teil der Vereinsgeschichte bis zur frühen Nachkriegszeit. (Foto: Gohl) | Foto: Gohl
  • „Immer wieder RWE!“ dokumentiert die Geschichte des Vereins von der Hafenstraße bis zum vorletzten Aufstieg in die 2. Bundesliga. Uwe Wicks Beiträge behandeln den ersten Teil der Vereinsgeschichte bis zur frühen Nachkriegszeit. (Foto: Gohl)
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Der Sportwissenschaftler Uwe Wick hat sich eingehend mit der Geschichte von Rot-Weiss Essen beschäftigt. In Zusammenarbeit mit Georg Schrepper veröffentlichte er bereits 2004 das Buch "Immer wieder RWE! Die Geschichte von Rot-Weiß Essen." Das folgende Interview mit Wick erschien 2007 anlässlich einer Sonderbeilage zum 100-jährigen Bestehen des Vereins, veröffentlicht im Stadtspiegel Essen.

Warum wird Rot-Weiss Essen mit Doppel-S geschrieben?
Der Verein hat sich irgendwann um 2000 herum wohl im Vereinsregister mit Doppel-S eintragen lassen.

Tatsächlich erst so spät?
Ich weiß nicht, ob man das gemacht hat, um den Namen ans Internet anzugleichen. Ich kann es nicht nachvollziehen, denn es war ursprünglich lange so, dass man sich auch im Verein ganz normal geschrieben hat. Also mit „ß“ wie es auch nach der neuen Rechtschreibung noch der Fall sein sollte. Dann haben die irgendwann angefangen, sich konsequent mit Doppel-S zu schreiben. In der Stadionzeitung steht es so schon seit Jahren. Selbst in der Festschrift zum 75-jährigen Bestehen 1982 hat man aber im normalen Text den Vereinsnamen mit „ß“ geschrieben. Ich kann’s mir nur erklären, dass man da buchstäblich überlegt hat, eine Marke zu etablieren.

Ein anderer Streitpunkt ist der Geburtstag. Was spräche denn dafür, dass man vielleicht doch 1923 nimmt? Denn da taucht der Verein erstmals unter seinem heutigen Namen auf.
Ich sag mal ganz provokant: Der 1. FC Köln ist 1948 gegründet worden aus der Fusion von zwei Vereinen. Man hat Wert darauf gelegt, dass man wirklich etwas Neues machen wollte. Und obwohl man 1998 eine Festschrift zum Fünfzigsten herausgegeben hat, ist bis heute der offizielle Name 1. Fußball-Club Köln 01/07. Man könnte für RWE 1923 nehmen. Rot-Weiss hat selbst einmal 1912 genommen, aber im End­effekt ist es bei unheimlich vielen Fußballvereinen so, dass man diese unorganisierte Phase mitgenommen hat. Man hätte auch 1906 nehmen können. Vater Melches hat seinen Söhnen Hermann und Georg zu Weihnachten den Ball geschenkt. Wobei ich die Passagen in der Festschrift ganz stark anzweifeln möchte, dass der Ball erst am zweiten Weihnachtstag geschenkt worden ist.

Heiligabend oder halt spätestens am Morgen des ersten Weihnachtstages ist doch üblich...
Ich vermute mal, die haben am zweiten Weihnachtsfeiertag zum ersten Mal gegen den Ball gekickt und am 1. Februar hatte man einen Stamm von Spielern zusammen, wollte sich dann ein festes Gerüst geben und auch um Punkte kicken. Es war damals nicht so einfach, in den Verband zu kommen, weil der Fußball einen Boom mit sehr vielen Vereinsgründungen erlebte. Nicht wenige Vereine nahmen oft nur für ein Jahr am Spielbetrieb teil.

Wann hat der Fußballboom hier in der Region eingesetzt?
Der älteste Verein in Essen hat ab 1899 gespielt. Die heutige ESG 99/06 war ein Verein von ehemaligen Schülern des Carl-Humann-Gymnasiums. Dann kam bereits 1900 die Spiel­abteilung vom ETB. Ab 1905/06 gab es vermehrt Vereinsgründungen.

Wie kann man sich den Spielbetrieb in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg vorstellen?
Der Spielbetrieb wurde im November 1902 in der Region aufgenommen. Damals waren gerade einmal neun Vereine dabei, manche mit drei Mannschaften. Mit dabei waren die Spielabteilung vom ETB und der Meidericher Spielverein. Es gab drei Klassen in drei Bezirken im Köln/Aachener Raum, rund um Mönchengladbach und von Duisburg bis Dortmund.

Wann hat den Rot-Weiss Essen auf nationaler Ebene eine Rolle gespielt?
Eigentlich erst in der Nazi-Zeit. Es gab in den zwanziger Jahren relativ viele Veränderungen im Spielsystem. Das hing damit zusammen, dass auf der einen Seite eine unheimliche Protestflut da war, auf der anderen Seite war ein enormes Gewaltpotenzial bei den Zuschauern vorhanden.

Ist RWE von den Nazis gefördert worden, gibt es einen braunen Fleck auf dem Vereinshemd?
Nein. Es gab zu dieser Zeit illegale Bezahlungen und Bemühungen vom Verband, den Berufsfußball einzuführen, was beim DFB aber nicht mehrheitsfähig war. Einen Vorteil hatten damals eindeutig Vereine wie Schalke 04 und im weitesten Sinne Rot-Weiss Essen durch die enge Verbindung zu Zechen. Georg Melches sich hat ab den zwanziger Jahren als Geschäftsführer engagiert und gleichzeitig seinen beruflichen Aufstieg gehabt. Es gibt durchaus ernst zu nehmende Spekulationen, dass er ab den dreißiger Jahren angefangen hat, gute Fußballer von anderen Vereinen anzu­locken, und die hatten dann hier auch eine Arbeitsstelle. RWE hat damals erstmalig den Aufstieg in die Gau-Klasse geschafft. 16 Gaue gab es zu dieser Zeit mit jeweils zehn bis zwölf Mannschaften, da hatten nur die Meister die Chance, sich für die Endrunde zur Deutschen Meisterschaft zu qualifizieren.

Also hat sich RWE zu dieser Zeit national mit 160, 170 Mannschaften auf Augenhöhe bewegt?
Sagen wir mit 160. Im Endeffekt hatte man nur die Möglichkeit, über Freundschaftsspiele auch außerhalb der eigenen Region aufzutreten. Der einzige Essener Verein, der es in der Meisterschaft mal geschafft hatte, war 1941 der TuS Helene.

Es wird immer wieder die These aufgestellt, dass RWE erfolgreich war, wenn der Bergbau in der Region brummte, was ist da dran?
Die Zeit des National­sozialismus war für RWE die Zeit, in der es der Verein geschafft hat, überhaupt das erste Mal mit dem ETB auf Augenhöhe zu spielen. Schwarz-Weiß war eigentlich inoffiziell so etwas wie ein städtischer Repräsentationsverein. Das Uhlenkrugstadion ist aus Vereinsmitteln gebaut und 1922 eingeweiht worden. Rot-Weiss hat das erste Stadion 1939 eingeweiht. Das ist nur über Melches und seine berufliche Verbindung zur Montanindustrie gelaufen. So konnte man ohne große Unterstützung der Stadtverwaltung weit kommen. Im Endeffekt hat man dann den Fehler gemacht, das Stadion auszubauen. Als die Bergbaukrise kam und Georg Melches krank wurde, brach das System zusammen.

Autor:

Steilpass 2014/15 aus Herne

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