Schwule, Asylanten und Migranten, eine Frage von Toleranz

Hagen, 15. Januar. 2014 Im Bauernkrieg von 1523 - 1526 erhob sich die Landbevölkerung, die zu 80 Prozent aus Landarbeitern und Bauern bestand, gegen die feudale Vorherrschaft. Der Hochadel war nicht an einer Änderung der schlechten Lebensumstände seiner Untertanen interessiert. Die Bauern trugen die Hauptlast zur Aufrechterhaltung der Feudalgesellschaft: Fürsten, Adel, Beamte, Patrizier und der Klerus lebten von deren Arbeitskraft, und da die Zahl der Nutznießer immer weiter anstieg, stiegen auch die Abgaben, die die Bauern zu leisten hatten.

Diese Gründe und eine lange Reihe von europäischen Aufständen, führten zu kriegerischen Auseinandersetzungen bis ins 19. Jahrhundert. Martin Luther (1483 – 1546) wollte die Katholische Kirche reformieren, nicht spalten. Er trug aber wesentlichen zur Dynamisierung der Entwicklung bei, die im Zusammenhang mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) und der Französischen Revolution (1789 – 1799) zu sehen ist. Die Macht der Katholischen Kirche und Feudalherrschaft, wurde gebrochen. Was nicht erreicht wurde waren Toleranz, Humanität und Gleichberechtigung im Miteinander der Menschen.

Mit der um 1840 langsam einsetzenden Industrialisierung entstand nach Karl Marx ein Proletariat, wobei Menschen nur durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft ihren überwiegenden Lebensunterhalt erzielen konnten. 1910 lebten im Ruhrgebiet drei Millionen Menschen. Eine halbe Million war polnischer, oberschlesischer oder masurischer Herkunft. Seit den 1950er Jahren kamen in die Bundesrepublik insgesamt ca. 2,5 Millionen Menschen aus Polen, vor allem Aussiedler, Arbeitsmigranten, aber auch politische Emigranten.

Seit dieser Zeit wanderten Millionen Italiener, Jugoslawen, Griechen, Franzosen, Portugiesen, Kroaten, Serben, Spanier, Amerikaner, Afrikaner, Asiaten und Türken nach Deutschland ein, um hier zu arbeiten und zu leben. Sie haben sich angepasst und sind gleichberechtigte Partner und Freunde geworden. Warum also die ganze diskriminierende Diskussion unserer Tage? Warum entstehen ständig neue Feindbilder gegen Minderheiten und wem ist damit geholfen? Dienen sie letztlich nur dazu von den eigenen Problemen abzulenken?

Seehofer bringt es auf den Punkt, er verbindet Arbeitsmigranten mit Armutsmigranten, schon spricht man von Sozialschmarotzern und „Wer betrügt, der fliegt“. Die EU-Kommission in Brüssel hat in einem juristischen Streit über deutsche Sozialleistungen für Ausländer Stellung bezogen und fordert, arbeitslosen Zuwanderern aus den EU-Staaten Hartz-IV-Leistungen nicht per se zu verwehren, sondern vielmehr jeden Einzelfall zu prüfen. Die Debatte erhält eine neue Richtung.

Wer als Asylbewerber nach Deutschland kommt, erhält eine Geldleistung, die knapp unter dem Regelsatz liegt. Arbeiten dürfen Asylbewerber 9 Monate lang nicht. Deutschland ist in den ersten drei Monaten gar nicht verpflichtet, arbeitsuchenden EU-Bürgern Sozialhilfe zu gewähren, danach setzen europäisches und deutsches Recht Hürden für Neuankömmlinge, deren Lebensunterhalt nicht gesichert ist. Dadurch soll der sogenannte Sozialtourismus in Europa verhindert werden.

Die Debatten führen an dem eigentlichen Thema vorbei. Menschen mit ausländischen Wurzeln sind in Deutschland häufiger arbeitslos als die Gesamtbevölkerung. Ihr Anteil an Arbeitslosen beträgt 35 Prozent, wie aus einer Befragung der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht. Unter den Hartz-IV-Empfängern sind es sogar etwa 40 Prozent. Diese etwa 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund umfassen seit 1950 nach Deutschland Eingewanderte und deren Nachkommen. Diese Gruppe ist nicht deckungsgleich mit den in Deutschland lebenden Ausländern. Mehr als die Hälfte (8,8 Millionen) der Migranten hatte 2011 einen deutschen Pass.

Von den rund 2,9 Millionen Arbeitslosen hat mit 1,086 Millionen mehr als ein Drittel einen Migrationshintergrund. Ein schlechtes Ergebnis das Anlass zur Sorge gibt. 783.000 (27 Prozent) haben eigene Migrationserfahrung, was bedeutet, dass sie außerhalb Deutschlands geboren sin. Unterteilt man diese Personengruppe noch weiter, befanden sich darunter 338.000 (15 Prozent) Ausländer, 130.000 (6 Prozent) Spätaussiedler bzw. Aussiedler und 174.000 (6 Prozent) andere Deutsche mit einer Migrationserfahrung.167.000 (7 Prozent) der Arbeitslosen weisen einen Migrationshintergrund auf, sind aber in Deutschland geboren und haben dadurch keine eigene Migrationserfahrung.

Dies war bei 87.000 (3 Prozent) der Arbeitslosen der Fall, die eine ausländische Staatsbürgerschaft haben. Weitere 145.000 (5 Prozent) der Arbeitslosen hatten selbst keine Migrationserfahrung, galten jedoch als Arbeitslose mit Migrationshintergrund, da mindestens ein Elternteil zugewandert ist. Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in der Bevölkerung lag im Jahr 2013 bei 20 Prozent. Somit sind Menschen mit Migrationshintergrund in der Arbeitslosigkeit deutlich häufiger betroffen. Gründe sind schlechte Ausbildung und Sprachbarieren.

Es geht also nicht darum Armutsmigration zu fürchten und zu bekämpfen, sondern für eine bessere Ausbildung zu sorgen. Es müsste heißen, arbeitslose Migranten gegen berufsspezifisch besser ausgebildete Arbeitsmigranten auszutauschen, was in einem toleranten und humanen Staat nicht möglich ist. Bei der Eingliederung von 180.000 Arbeitsmigranten aus Bulgarien und Rumänien laufen wir Gefahr, dass sie schlecht bezahlt werden und weiteren Druck auf Löhne und Gehälter ausüben.

Die Regierenden suchen verzweifelt nach neuen Einnahmequellen und sind sich selbst im Weg. Nahles will Renten, Schwesig die 32-Stundenwoche für Eltern über Steuern fínanzieren. Aigner die Ökosteuer an Fixkosten koppeln und 72 Mrd. Euro aus „zukünftigen“ Steuern bezahlen. Dabei scheuen sie bewusst den Ausdruck „Über neue Schulden“. Sie sollten erst überlegen und dann reden, nachdem sie ihre Gedankenblitze mit der Parteiführung abgesprochen haben. Sie sind tolerant gegenüber Gewerkschaften und Unternehmer, die gesetzliche Mindestlöhne wie zähen Brei behandeln und von der Wiedereinführung der Vermögenssteuer ebenso wenig halten wie von einer Erhöhung der Erbschaftssteuer.

Sie wollen bei den Niedriglöhnen in Europa nicht die Silber-, sondern die Goldmedaille. Sie wollen den Soli, der die Beschäftigten jährlich rund 11 Millionen kostet und Frauen für die gleiche Arbeit, die ihre männlichen Kollegen leisten, weiterhin 23 Prozent weniger verdienen. Sie wollen keine Börsen- und Finanztransaktionssteuer die ihre Gewinne schmälern, schon gar nicht, dass das jährliche Steuergeschenk von einer Milliarde Euro an Hoteliers zurückgeben wird. Steuererhöhungen für Besserverdiener und Reiche halten sie für den Untergang der Republik.

70 Prozent der Beschäftigten in Nordrhein Westfalen sind in der untersten Lohnklasse und arbeiten für 7,43 Euro (ARD), das ist Arbeitgeber-Metier. Sie sind wie Geier, sie wechseln nicht ihr Nest, sondern die Äste auf denen sie sitzen. Luther wollte keine neue Kirche. Egward Snowden wollte nicht die Gesellschaft ändern, sondern ihr eine Chance geben das selbst herauszufinden. Martin Luther King und Mandela wollten eine tolerante, humane und gleichgestellte, gleichberechtigte Gesellschaft. Die Initiative Agenda 2011 – 2012 setzt sich für mehr soziale Gerechtigkeit ein. Sie stimmt dafür, dass sich die Vermögenselite den Herausforderungen des Staates stellt und sich stärker an seinen Kosten beteiligt.

Bereits im Mai 2010 wurde der Öffentlichkeit ein Sanierungskonzept vorgestellt, das mit einem jährlichen Volumen von über 275 Milliarden Euro Wege aus der Krise aufzeigt. Das Konzept ist auf 10 Jahre ausgelegt und umfasst rund 3 Billionen Euro. Es steht für ausgeglichene Haushalte und Rückführung der Staatsschulden. Das Programm „Aktion Zukunft“ steht bei Agenda 2011 - 2012 für eine nachhaltige Erhöhung des Wirtschaftswachstums, der Binnennachfrage und deutliche Verbesserung bei Einkommen, Investitionen, Umsätzen und Renditen. Das Gründungsprotokoll ist als Sachbuch erschienen.

Ach ja, dann outet sich noch ein Fußballstar, dass es schwul ist. Wenn man bedenkt, dass 1994, mit der Abschaffung des sogenannten „Schwulenparagraph 175“, die Weichen auf Akzeptanz gestellt wurden, leben wir doch in einem liberalen und toleranten Staat.

Dieter Neumann

Autor:

Dieter Neumann aus Hagen

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