Handwerksbetrieb will von Mitarbeiterin um 100.000 Euro betrogen worden sein

8 Zeugen hatte der Vorsitzende Richter Johannes Kimmeskamp geladen, um nach der vierstündigen Hauptverhandlung urteilen zu können, ob dem Widerspruch gegen einen Strafbefehl entsprochen werden kann.

Die früher in Hattingen wohnende 36 Jahre alte Angeklagte wurde beschuldigt, in 21 Fällen ihren Arbeitgeber, einen Hattinger Handwerksbetrieb, betrogen zu haben. Dafür war ihr von der Staatsanwaltschaft ein Strafbefehl über 80 Tagessätze zu je 10 Euro, insgesamt 800 Euro zugestellt worden. Dagegen hatte sie Widerspruch eingelegt, sodass jetzt eine Hauptverhandlung erforderlich wurde.

Sehr ausführlich erzählte die Angeklagte dem Gericht ihre Version des Geschehens und bestritt, Betrugshandlungen begangen zu haben.

Sie hatte den Sohn des Geschäftsführers des Handwerksbetriebes über ein Internetspiel kennengelernt. Als die Zuneigung stärker wurde, zog sie von Potsdam nach Hattingen, wohnte zusammen mit ihm in dem Haus des Handwerksbetriebes und begann ab April 2013 dort eine Beschäftigung.

Fast täglich Überstunden

Von Anfang an will sie dort, erst im Rahmen der Einarbeitung, später bei wachsendem Aufgabengebiet, fast täglich und auch am Wochenende Überstunden geleistet haben. In 16 Monaten Beschäftigung wurden so ihrem Konto neben dem Lohn über 1.500 Überstunden vergütet. Sie bestätigte dem Gericht, alle Überstunden auch geleistet zu haben, was von dem Geschäftsführer vor Gericht später bestritten wurde.

Dieser bedauerte, der Freundin seines Sohnes so vertraut und erforderliche Kontrollen ihrer Arbeit nicht früher durchgeführt zu haben, was von dieser schamlos ausgenutzt worden sei. Nach seinen Angaben sei sein Sohn in ein Abhängigkeitsverhältnis zu der Angeklagten geraten. Auch durchgeführte Lohnerhöhungen für die Angeklagte seien mit ihm weder abgesprochen noch von ihm genehmigt worden.

Während der Sohn des Geschäftsführers, gleichzeitig früherer Freund der Angeklagten, deren Aussage bestätigte, schilderte der Geschäftsführer seine Version vollständig anders. Er gab den erlittenen Schaden seiner Firma mit 100.000 Euro an. Er beschuldigte weiterhin die Angeklagte, Tankkarten der Firma missbräuchlich verwendet zu haben, was von ihr mit dem Hinweis bestritten wurde, ihr Freund habe berechtigterweise mit den Tankkarten bezahlt.

Zu dem Vorwurf, es seien unberechtigte Bestellungen zulasten des Amazon-Kontos des Handwerksbetriebes von ihr veranlasst worden, erklärte diese, nur eine Amazon-Parfum-Bestellung über 397 Euro irrtümlich zulasten des Firmenkontos bestellt, dafür aber den Gegenwert unverzüglich dem Geschäftsführer in bar ausgehändigt zu haben, was ihr Freund bestätigte und sein Vater vor Gericht bestritt.

Lügen vor Gericht

Die insgesamt vollkommen abweichenden Zeugenaussagen von Vater und Sohn kommentierte dann Richter Kimmeskamp später mit den Worten, „Einer von ihnen beiden lügt uns hier die Hucke voll“. Ob von Seiten der Staatsanwaltschaft diesbezüglich Ermittlungen wegen Falschaussage aufgenommen werden, bleibt abzuwarten.

Ende Mai 2015 wurden die Angeklagte und ihr Freund nach einem gemeinsamen Urlaub mit den Betrugs-Vorwürfen konfrontiert. Die Angeklagte wurde fristlos entlassen und ist seit dieser Zeit „arbeitsunfähig“. Inzwischen ist das Verhältnis zwischen Vater und Sohn vollständig zerrüttet und es gibt auch arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen.

Vergleich beim Arbeitsgericht

Der Verteidiger der Angeklagten, Rechtsanwalt Belitz, wies dann noch daraufhin, dass im Widerspruch zur Höhe des aktuell angegebenen Schadens von 100.000 Euro im bereits erfolgten arbeitsgerichtlichen Verfahren mit seiner Mandantin ein Vergleich zustande kam. Danach soll die Angeklagte bei einem ursprünglichen Streitwert von 54.500 Euro nur ein erhaltenes Arbeitgeberdarlehen in Höhe von 1.950 Euro in monatlichen Raten an den Handwerksbetrieb zurückzahlen. Das Arbeitsverhältnis mit fristloser Kündigung wurde wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung mit fristgerechter Kündigung zu Mitte Juni 2016 aufgehoben. Das Aufzeigen dieses Widerspruches kommentierte der Geschäftsführer mit einem Terminversäumnis der Widerklage seines Anwaltes.

Am Ende der Beweisaufnahme wurde mit Zustimmung aller Gerichtsparteien das Verfahren gegen die Angeklagte gegen Zahlung von 400 Euro an die Krebshilfe Hattingen/Sprockhövel eingestellt. Hat die Angeklagte den Betrag gezahlt, kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden.

Während Rechtsanwalt Belitz diese Einstellung mit den Worten „ Damit ist die Schuld nicht bewiesen“ kommentierte, erläuterte Richter Kimmeskamp die Einstellung mit den Worten „Damit ist die Unschuld nicht bewiesen“.

Autor:

Hans-Georg Höffken aus Hattingen

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