„Eine noch größere Familie“: Es begann mit zwei Rosen...

Monika Antic (l.) und Bente Klausen stöbern im Fotoalbum.  Foto: Kosjak
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(von Dino Kosjak)

Zwei Rosen auf dem Grab ihres Vaters? Monika Antic konnte sich nicht erklären, wo die herkamen. Auch in der Familie wusste niemand Antwort. Monika Antic und ihr Mann Petar brachen auf zu ihrem Urlaub in Kroatien. An die Rosen dachten sie nicht mehr.

Wochen später, zurück in Hattingen, erwartete die beiden ein Brief der Evangelischen Kirchengemeinde. „Wir möchten uns mal melden, stand darin“, erinnert sich Monika Antic. Sie erfuhr, in Dänemark lebe eine Tochter ihres Vaters.
Monika Antic lehnt sich vor. „Damit hatte ich nicht gerechnet“, sagt sie mit ungläubigen Augen. Ihr Vater Kurt Weber ist vor 25 Jahren gestorben. „Von einer Tochter in Dänemark hatte ich nie gehört.“
Nach und nach klärte es sich auf. Als Besatzungssoldat war Kurt Weber im jütländischen Viborg stationiert. Er lernte eine Dänin kennen. Aus der Beziehung ging eine Tochter hervor: Bente wurde 1945 geboren. Vor zwei Monaten haben die beiden Halbschwestern zum ersten Mal telefoniert. Jetzt besuchten Bente Klausen und ihr Mann Verner zum ersten Mal die Familie Antic.
Monika Antic hat noch mehr Familie zu diesem besonderen Besuch eingeladen. So ist es ein wenig eng im Wohnzimmer.
Als Verner Klausen ein Fotoalbum hervorholt, wechselt man sich ab, um einen Blick über seine Schulter zu erhaschen. Dabei erzählen die Klausens die Geschichte ihrer Suche. Wo Bente ins Stocken gerät, hilft Verner weiter – er spricht das bessere Englisch.

Mit 13 Jahren über den Vater erfahren

Schon im Alter von 13 Jahren erfuhr Bente, dass ihr leiblicher Vater ein Besatzungssoldat war. Doch Beziehungen zwischen Einheimischen und Besatzern galten als Schande, viele Mütter erfuhren Demütigungen. „So haben wir kein Wort mehr darüber verloren“, sagt Bente Klausen. Der Wunsch, den Vater zu finden, habe sie nie verlassen.
Erst im Jahr 2000 aber fand sie den Mut, Fragen zu stellen. Erfolglos. Sie hatte längst aufgegeben, als ihr Mann sie vor zwei Jahren ermutigte, es noch einmal zu versuchen.
Und tatsächlich: Mit Hilfe des Dänischen Staatsarchivs und des Roten Kreuzes fanden sie vielversprechende Spuren, die schließlich nach Hattingen führten – an das Grab Kurt Webers.
Kurt Weber wird von Familie Antic in bester Erinnerung behalten. „Er war ein herzensguter Mensch“, sagt Petar Antic, und er unterstreicht seine Worte, indem er die rechte Hand zum Herzen führt.
Zurück in Deutschland heiratete Kurt Weber eine Kriegswitwe mit ihren drei Kindern. Seine leibliche Tochter Monika wurde 1948 geboren. Monika und Petar Antic leben seit Jahrzehnten in Hattingen. Sie zogen eine große Familie auf und führten eine Gastronomie in der Hattinger Altstadt.

Nach der Geburt ins Pflegeheim

Die kleine Bente kam bald nach ihrer Geburt in ein Pflegeheim; bei ihrer ledigen Mutter durfte sie nicht bleiben. Als Zweijährige kam sie zurück zu ihrer Mutter, denn die hatte mittlerweile geheiratet. An den Stiefvater erinnert sich Bente Klausen nicht gerne. „Da war keine Liebe“, sagt sie, „nie nahm er mich in den Arm“. Zu diesen Worten streicht Verner Klausens Hand seiner Frau sanft über die Schulter. Ihre Mutter aber sei fabelhaft gewesen, sagt Bente Klausen. „Eine liebevolle, starke Frau.“ Verner Klausen holt ein Foto hervor, das die Mutter in jungen Jahren zeigt: Der Betrachter sieht in selbstbewusste, neugierige Augen.
Bente und Verner Klausen leben im dänischen Struer, nahe der Küste. Bente arbeitete zunächst als Pflegerin in einem jüdischen Altenheim. Später fand sie Anstellung als Journalistin bei einem lokalen Radiosender. „Das hat mir sehr gefallen“, sagt sie und nickt eindringlich. Ihr Mann Verner arbeitete als Polizist, Makler und schließlich als Ingenieur. Auch die beiden leben inmitten einer großen Familie.
„Jetzt sind wir eine noch größere Familie“, lacht Monika Antic. Das sei ihr klar gewesen als sie dem Besuch aus Dänemark die Tür öffnete. „Ich glaubte, das Gesicht meines Vaters zu sehen.“ Sie blickt hinüber zur ihrer Halbschwester. „Da wusste ich, wir brauchen keinen Gen-Test.“

Autor:

Roland Römer aus Hattingen

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