Kinder- und Jugendhilfe: Die Arbeit mit starken Jungs

Bernd Andree (links) unterstützt Peter Wiersch bei der Arbeit mit den Jugendlichen.
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  • Bernd Andree (links) unterstützt Peter Wiersch bei der Arbeit mit den Jugendlichen.
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„Peter, bist Du vom Jugendamt oder bist Du ein ganz Normaler?“ Mit dieser Frage wird Peter Wiersch oft durch Jugendliche konfrontiert und erklärt ihnen dann immer: „Ich bin Peter und das Jugendamt ist norma!.“ Die Arbeit vom Jugendamt weiß Peter Wiersch nämlich sehr zu schätzen in seiner Arbeit mit „starken Jungs“, die oft einiges auf dem Kerbholz haben.

1982 absolviert Peter Wiersch im Alter von 13 Jahren ein Schulpraktikum in der Motorradwerkstatt von Bernd Andree. Die Zeit dort soll nachhaltig prägend für ihn und seinen gesamten Lebensweg sein, da er neben dem Schrauben an Motorrädern und wertvollem Fachwissen auch Anerkennung und Lob bekommt.
„Am Ende der Woche gab Bernd mir jedesmal 50 Mark. Das war seinerzeit viel Geld für mich“ erinnert sich der damalige Praktikant und heutige Leiter der Jugendwerkstatt der Kinder- und Jugendhilfe Ruhrgebiet.
Bernd Andree war es, der Peter Wiersch alles über Motorräder von der Pieke auf beibrachte: Schrauben, Reparieren, Ordnung halten und natürlich auch „Motorradfahren.“
„Das Praktikum im Betrieb von Bernd Andree und alles, was ich dort an wertvollen Grundlagen gelernt habe, ist inzwischen zwar schon fast 35 Jahre her, doch es hat an Aktualität und Wert gewonnen. Solche guten Vorbilder wie Bernd Andree prägen die Persönlichkeit eines Menschen nicht nur für einen kurzen Zeitraum, sondern beeinflussen oftmals den ganzen Lebensweg“ so der Hattinger Motorradprofi.
Nach seiner Ausbildung und Militärzeit landet Wiersch erneut bei Andree und arbeitet dort, bis er 1995 seinen eigenen Motorradfachhandel für Gelände-sportmotorräder in Hattingen eröffnet. Parallel jobbt er immer wieder nebenbei als Motorradstuntfahrer und Rennmechaniker.
„Durch den Rennsport und die Arbeit in meiner eigenen Motorradwerkstatt stand ich von Beginn an permanent in Kontakt mit jungen Männern und Jugendlichen. So waren die Motorräder und deren Technik zwar oft die Haupthemen, doch nicht selten wurde auch Persönliches besprochen. In angenehm lockerer Werkstatt-Atmosphäre fingen manche Jugendliche an zu reden, vertrauten mir ihre Sorgen und Probleme an. Ich machte also von Beginn an Jugendarbeit, ohne das überhaupt wahrzunehmen oder jemals geplant zu haben.“
Peter Wiersch ist zwar kein Pädagoge, aber inzwischen seit vielen Jahren eine geschätzte und erfahrene Persönlichkeit in der Kinder- und Jugendhilfe.
Seine Einrichtung, die Kinder- und Jugendhilfe Ruhrgebiet, kooperiert mit dem Jugendamt und der Heilpädagogischen Ambulanz von Jörg Winterscheid.
Der ehemalige Rennmechaniker ist eine Mischung zwischen Handwerker und Streetworker. Er kennt die harten Jungs und ihre Ängste, dringt in vielen Fällen bis zum weichen Kern durch. Deshalb werden zu ihm Jungen geschickt, für die man keine wirkliche Lösung mehr weiß. Bei solchen Jungs kommt dann manchmal gleich die ganze Palette ins Spiel: Drogen, Diebstahl, Körperverletzung, Schul- und Leistungsverweigerung und vieles mehr.
„Wenn man einen solchen Jugendlichen dazu bringt, offen über seine Ängste und Gefühle zu reden, ist das schon mal ein sehr guter Anfang. Vor kurzem hat sich ein Jugendlicher wieder bei mir gemeldet, mit dem ich vor einigen Jahren intensiv zusammen gearbeitet habe. Er steht jetzt kurz vor dem Ende seiner Ausbildung. Dabei hatten ihn zuvor alle schon längst aufgegeben. Wieder einmal mehr der Beweis, das sich jede, zu Beginn noch so unbedeutend erscheinende Unterstützung, langfristig durchaus positiv auswirken kann. Jede Form der Hilfe ist hier für mich erst mal wertvoll. Auch wenn sie eben nicht, wie von allen immer so dringend gewünscht‚ jetzt und sofort Früchte trägt. Erfährt man doch oft erst Jahre danach, was die Jugendlichen aus ihrer schwierigen Situation gemacht haben und wie es ihnen letztlich ergangen ist.
Dann zu erfahren, dass sie es gepackt haben, ist und bleibt für mich immer noch der höchste Lohn meiner Arbeit.“
Nur für Jungs ist das, was Motorradprofi Wiersch macht. Ein Teil der Arbeit wächst über das gemeinsame Schrauben, Fachsimpeln, fahren mit Motocrossmotorrädern auf professionellen Rennstrecken und über den Boxsport. In anderen Fällen ist er draußen unterwegs. Sucht die Jugendlichen an Orten, an denen sie rumhängen, versucht, ihnen so etwas wie Vertrauen zu geben. Wenn das klappt, stellen sich im Idealfall Werte wie Nähe und Verlässlichkeit, Verantwortung und Gemeinsamkeit ein. Da sind natürlich auch die Eltern Ansprechpartner und müssen mitziehen.
Zurück zu Bernd Andree: Im Scherz hat der 46jährige im Rahmen eines Gesprächs gesagt, er wünsche sich für seine Arbeit mal ein neues, zusätzliches Motocross-Motorrad für seine Jungs in der Jugendwerkstatt. Das hat Bernd Andree ihm dann ohne große Worte spontan besorgt und somit steht es jetzt der Kinder- und Jugendhilfe Ruhrgebiet zur Verfügung. Für die Jugendlichen eine tolle Sache. Peter Wiersch lobt die gute Kooperation mit dem Jugendamt und der Heilpädagogischen Ambulanz Jörg Winterscheid: „Wir versuchen auf authentischem und ehrlichem Weg starken Jungs eine starke Perspektive zu geben.“

Kontakt: Kinder- und Jugendhilfe Ruhrgebiet, Peter Wiersch, Telefon 02324/61111 oder Telefon 0172/6035312 oder E-Mail kinder-und-jugendhilfe-ruhrgebiet@web.de

Bernd Andree (links) unterstützt Peter Wiersch bei der Arbeit mit den Jugendlichen.
Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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