Im September 2015 beschloss der Rat der Stadt Sprockhövel im Rahmen seines Flüchtlingskonzeptes auch eine feste Bebauung von Wohneinheiten am Gedulderweg und am Waldweg. Der Rat der Stadt muss bei der Unterbringung von Flüchtlingen drei Dinge beachten: kurzfristig die Obdachlosigkeit der zugewiesenen Menschen verhindern (Notunterkünfte), mittel- und langfristig für eine entsprechende Unterbringung sorgen (Containerstandorte und feste Bebauung). Gegen die feste Bebauung am Waldweg gründete sich eine Bürgerinitiative. Sie stellt sich nach eigenem Bekunden keinesfalls gegen die Flüchtlinge, aber der festen Bebauung an diesem Standort muss dann ein beliebter Bolzplatz weichen. Das will die Initiative verhindern.
Die Initiative sammelte im Rahmen eines Bürgerbegehrens Unterschriften, die jetzt der Stadt Sprockhövel übergeben wurden. Ein gültiges Bürgerbegehren in Sprockhövel benötigt acht Prozent der wahlberechtigten Bürger über 16 Jahre, d.h. von ca. 21.150 Einwohnern braucht das Bürgerbegehren ca. 1.850 gültige Stimmen. 2596 Unterschriften wurden Kämmerer und Personalchef Rainer Kaschel überreicht. Die Stadt hat nun zunächst die Aufgabe, das Ergebnis der Unterschriftenliste zu prüfen. Dabei müssen sowohl die formellen Aspekte geprüft werden (sind beispielsweise die angegeben Adressen der Unterzeichneten richtig?) als auch über die Frage entschieden werden, ob der Rat dem Bürgerbegehren folgt. In diesem Fall würde ein Bürgerentscheid unterbleiben.„Soll der Ratsbeschluss vom 24.09.2015 betreffend der dauerhaften Bebauung der Grundstücke „Gedulderweg und Waldweg (Bolzplatz)“ für Flüchtlingsunterkünfte in Sprockhövel aufgehoben werden?“ So lautete die Frage in dem Bürgerbegehren. Der Rat hatte in seiner Sitzung vom 24. September die in der Sondersitzung des Haupt- und Finanzausschusses vom 20. August getroffenen Standortentscheidungen zur kurz- und mittel- und langfristigen Kapazitätserweiterung bei der Unterbringung von Asylsuchenden bestätigt. Die Belegungskapazität der Wohnhausstandorte am Waldweg und am Gedulderweg wurde auf jeweils 40 Personen festgesetzt. Außerdem wurde die Verwaltung beauftragt, den bestehenden Bolzplatz am Waldweg durch einen Neubau im direkten Umfeld zu ersetzen. Das allerdings gestaltet sich bis zum heutigen Tag als schwierig, denn eine angedachte Alternative lässt sich bisher nicht realisieren.
Erkennt der Rat der Stadt das Bürgerbegehren nur formell an, folgt ihm im Ergebnis aber nicht, so muss ein Bürgerentscheid terminlich angesetzt werden. Die Frist liegt bei drei Monaten. Der Bürgerentscheid wird durch ein Wahlverfahren entschieden, wobei mindestens 20 Prozent der wahlberechtigten Bürger (das wären 4.300) ab 16 Jahren Ihre Stimme mit „Ja“ abgeben müssen.
Während das Bürgerbegehren in der Durchführung in den Händen der Initiatoren lag, liegt der Bürgerentscheid in der Durchführung bei der Stadt. Ein erfolgreicher Bürgerentscheid muss von der Verwaltung genauso umgesetzt werden wie ein Ratsbeschluss.
Nach Erhalt der Unterschriften erklärt Rainer Kaschel, er beabsichtige, das Ergebnis in der Sitzung des Rates am Donnerstag, 17. März, 17.30 Uhr, Forum der Grundschule Börgersbruch, vorzulegen.
„Mit Hilfe von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid nehmen die Menschen in Nordrhein-Westfalen stärker am kommunalen Geschehen teil und bestimmen die örtlichen Belange mit. (...) Bürgerbegehren und Bürgerentscheid haben sich in Nordrhein-Westfalen als Element der kommunalen Willensbildung bewährt. Es zeigt sich: Die Menschen wollen auch außerhalb von Wahltagen in ihren eigenen Angelegenheiten mitbestimmen. Sie engagieren sich und sie gestalten mit. Das ist gut so!“ Das sagte Fritz Behrens, einst NRW-Innenminister.
Die Statistik von "Mehr Demokratie wagen“ sagt, in 2015 gab es in NRW 337 gültige Bürgerbegehren. 115 wurden vom Rat übernommen, 196 führten zum Bürgerentscheid, einige zu einem Kompromiss und einige andere laufen noch. Neben der Politikverdrossenheit einerseits stehen eben auch jene, die sich engagieren und ihre Meinung durch ein Bürgerbegehren zum Ausdruck bringen. Das muss die Politik ernst nehmen. Dabei geht es zunächst nicht um die Inhalte. Wenn die erforderliche Zahl der Unterschriften erreicht ist, dann vertritt eine große Zahl von Bürgern offensichtlich eine andere Auffassung als von ihnen gewählte politische Vertreter im Rat entschieden haben. In Sprockhövel wurden nun 2596 Stimmen für das Bürgerbegehren gesammelt. Bei der Kommunalwahl 2014 wählten 4450 Bürger die SPD, 3430 Bürger die CDU, 1493 Bürger die Grünen, 1002 die FDP, 667 die „Wir für Sprockhövel“ und 328 Bürger die Piraten. Da sind 2586 Stimmen nicht wenig.
Den politischen Vertretern im Rat der Stadt ist es anzuraten, diese Zahl ernst zu nehmen – auch wenn sie ihnen vielleicht nicht passt. Wie gesagt, es geht nicht um die Inhalte, sondern darum, die Ernsthaftigkeit eines wichtigen politischen Instruments zu demonstrieren. Und wenn sich daraus ein Bürgerentscheid entwickelt – was wäre daran so schlimm? Kippt dadurch der Ratsbeschluss, so geschah dies aufgrund einer großen Mehrheit der Sprockhöveler Bürger. Scheitert der Bürgerentscheid, so wissen die Entscheidungen des Rates den Bürger mehrheitlich hinter sich.