VRR – „Sozialticket“ ist ein Flop

100 Tage nach Einführung liegt die Nutzerquote im Kreis Wesel unter 1 %

Das Kreishaus in Wesel hatte öffentlich bereits für Ende Januar Nutzerzahlen zum VRR-„Sozialticket“ angekündigt. Jetzt, nach 100 Tagen VRR-„Sozialticket“ in Kleve und Wesel, liegen die Zahlen endlich für den Monat Januar auf dem Tisch. Nach einer Mitteilung aus dem Kreishaus wurden im Januar 2012 im Kreis Wesel ganze 425 Wertmarken verkauft. Die Nutzerquote liegt damit bei 0,82 %. Die Initiative „Sozialticket Niederrhein Jetzt!“ schätzt, dass die Zahlen im Kreis Kleve nicht viel anders aussehen und fordert die Kreistage in Kleve und Wesel auf, endlich ein Ticket anzubieten, dass den Bedürfnissen der sozial ausgegrenzten Menschen am Niederrhein entgegenkommt.

Seit dem 1. Dezember 2011 beteiligen sich die Kreise Kleve und Wesel an dem zeitlich bis zum 31.12.2012 befristeten Pilotprojekt VRR-„Sozialticket“. Das Ticket kostet 29,90 € und gilt für die Preisstufe A. Die Preisstufe A gilt für Fahrten innerhalb eines Tarifgebietes. Zudem gilt die Preisstufe A auch bei Fahrten in zwei benachbarten Waben unterschiedlicher Tarifgebiete.
So können die VRR-Sozialticketberechtigten innerhalb eines Tarifgebietes, z.B. Wesel – Tarifgebiet 03, Busse und Bahnen nutzen. Eine Fahrt mit dem Bus von Wesel Bahnhof nach Alpen Bahnhof erfordert jedoch schon die Preisstufe B und kann daher mit dem VRR-„Sozialticket“ nicht durchgeführt werden. Wer das machen möchte, benötigt ein Zusatzticket, dass für 3,50 € je Fahrt an den Verkaufsstellen angeboten wird. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Fahrten von Wesel nach Xanten oder Dinslaken, sowie für die Fahrten von Kevelaer nach Geldern.

Der berechtigte Personenkreis im Kreis Wesel beträgt insgesamt ca. 52.750 Personen. Ausgehend von einer Bevölkerungszahl von 472.175 Menschen entspricht die Anzahl der Berechtigten rund 11,2 %. Im Kreis Kleve geht man von 23.500 Berechtigten aus. Der VRR hatte nach „umfangreichen internen Berechnungen für das Pilotprojekt“ mit einer Nutzerquote von ca. 14 Prozent gerechnet. Der Kreis Kleve hatte sich dieser Einschätzung angeschlossen. Im Kreis Wesel wurde von vornherein mit einer geringeren Nutzerquote von rd. 9 % gerechnet. Nun sind diese Erwartungen bei weitem nicht erfüllt worden und die Kreistage müssen darauf reagieren.

Die Initiative „Sozialticket Niederrhein Jetzt!“ hat von Anfang an die Beschlüsse der Kreistage Kleve und Wesel zur Einführung des VRR-„Sozialtickets“ kritisiert. Nach den ersten Erfahrungen mit dem VRR-„Sozialticket“ haben sich die Befürchtungen und alle von der Initiative geäußerten Kritikpunkte voll bestätigt.

• Das VRR-„Sozialticket“ ist zu teuer
Die Differenz zwischen dem von der Bundesregierung zugestandenen 22,78 € und dem VRR-„Sozialticket“ (29,90 €) beträgt 7,12 €. Das bedeutet, dass es eine große Diskrepanz (31%) zwischen den Regelsätzen und der Realität von mehr als 50.000 Sozialgeld und ALG II BezieherInnen in den Kreisen Kleve und Wesel gibt. Diesem Personenkreis wird somit weit mehr als 4,2 Mio. € im Jahr vorenthalten. Da AsylbewerberInnen nur ein monatliches Taschengeld für alle Bedürfnisse von etwa je 40 Euro zugestanden wird, hat dieser Personenkreis faktisch keine Möglichkeit an dem VRR-„Sozialticket“ zu partizipieren und wird somit völlig ausgegrenzt.

• Das VRR-„Sozialticket“ bietet eine zu kurze Reichweite
Das VRR-„Sozialticket“ ist lediglich innerhalb eines kleinen Tarifgebietes (Preisstufe A) gültig. Dies geht – gerade in den kleineren Städten und Flächenkreisen – an der Lebensrealität vieler Berechtigter vorbei. Die nächstgelegene günstige Einkaufsmöglichkeit befindet sich oft im angrenzenden Stadtteil der Nachbarkommune. Der befristete und schlecht bezahlte Minijob befindet sich mit hoher Sicherheit nicht in der nahegelegenen Ortschaft. Wir meinen „Die Kreisstädte Kleve und Wesel müssen von allen Orten im Kreis mit diesem Ticket erreichbar sein“. Ein Zusatzticket nach dem VRR Regeltarif verursacht Mehrkosten, die die Berechtigten nicht aufbringen können.

• Das VRR-„Sozialticket“ führt zu Ausgrenzung und Diskriminierung
Das VRR-„Sozialticket“ ermöglicht eine kostenfreie Mitnahme von maximal 3 Kindern bis zu 14 Jahren nach 19:00 Uhr sowie ganztägig an den Wochenenden und gesetzlichen Feiertagen.

Mit dieser Regelung weicht das VRR-„Sozialticket“ von den Leistungen anderer Tickets (Bärenticket, Ticket1000, Ticket2000) ab und diskriminiert damit den Benutzerkreis. Mit anderen, ebenfalls subventionierten Tickets ist die Mitnahme von mindestens einer Person über 14 Jahre möglich. Es können mit solchen Tickets sogar bis zu fünf Personen mitfahren. Die Möglichkeit, Busse und Bahnen auch am Wochenende gemeinsam mit der gesamten Familie zu nutzen ist unserer Auffassung nach Voraussetzung, um soziale Kontakte aufrecht zu halten. Warum das mit der oben genannten Regelung verhindert werden soll, ist uns nicht ersichtlich.

Die Initiative „Sozialticket Niederrhein Jetzt!“ fordert die Mitglieder der Kreistage Kleve und Wesel auf sich endlich für ein Sozialticket einzusetzen, das seinen Namen verdient und möglichst allen Menschen in den Kreisen Kleve und Wesel zur Verfügung gestellt wird, dessen Einkommen unter die Armutsgrenze fällt. Es soll sowohl als Monatsticket, das nicht mehr als 15,- € kosten sollte, als auch als günstiges Viererticket erhältlich sein. Es soll rund um die Uhr im gesamten Kreisgebiet gültig sein. Die Kreisstädte Kleve und Wesel müssen müssen nach Ansicht der Initiative von allen Orten im Kreis mit diesem Ticket erreichbar sein!

Autor:

Klaus Kubernus-Perscheid aus Wesel

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