"Artige Kunst" - Kritischer Blick auf die Kunst in der NS-Zeit im Museum unter Tage

Flyer zur Ausstellung im Museum unter Tage, Stiftung Situation Kunst, Bochum-Weitmar
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„Artige Kunst“ – Kunst und Politik im Nationalsozialismus – kein leichtes Thema, an das sich die Stiftung Situation Kunst in ihrem Museum unter Tage (MuT) im Schlosspark Bochum – Weitmar heranwagt. Die Ausstellung setzt sich in kritisch-analytischer Weise mit der Kunstpolitik im Nationalsozialismus auseinander. Keine leichte Kost, eher ein Lehrstück, das Bewusstsein und Auseinandersetzung beim Besucher fördern möchte.

Der Titel „Artige Kunst“ ist dabei als Gegenbegriff zur diffamierenden NS-Terminologie der „entarteten Kunst“ zu verstehen. In der Ausstellung werden beide „Arten“ gezeigt. Sie prallen in harter Gegenüberstellung aufeinander. Die „artigen“, systemkonformen Bilder und Skulpturen stehen und hängen in unmittelbarer Nachbarschaft zu Werken der verfolgten und verfemten Künstler.

Vor einem Jahr wurde das Museum unter Tage eröffnet. Die Dauerausstellung „Weltsichten“ mit Landschaftsmalereien aus verschiedenen Epochen wurde nun etwas verkleinert und neu zusammengestellt, so dass jetzt in fünf Räumen die aktuelle Ausstellung gezeigt werden kann.

Kunst und Politik im Nationalsozialismus

Wie sah „artige“ Kunst im Nationalsozialimaus aus, bzw. in wie weit waren Kunst und Politik miteinander verwoben? Wie konnte systemkonforme Kunst das Nazi-Regime stützen? Wer offensichtliche Propaganda oder Hakenkreuze erwartet, wird überrascht. Nichts davon ist zu sehen, eher eine „artige Welt“, harmlos und banal, mit Betonung auf Familie, Landschaft und Idylle. Körperliche Ertüchtigung und monumentale Bauprojekte des sogenannten „Tausendjährigen Reichs“ wurden großformatig ins Bild gesetzt. Oft sind Motive mythologisch inspiriert. Die Gegenwart wurde ausgeblendet oder beschönigt. Und wenn Krieg zum Thema wurde, dann eher heroisch wie Soldatenbilder und Stillleben zeigen. Großformatige Ölgemälde haben dabei Hochkonjunktur. Die harmlosen, vermeintlich unpolitischen Bilder wie auch die Filme zu jener Zeit hatten eine Art Entlastungsfunktion. Fern der Realität konnten sie so durchaus systemstabilisierend wirken. Und das ist dann doch letztendlich Propaganda, unterschwellig und subtil.

Mit kritischem Blick – das Museum als Ort gesellschaftspolitischer Bildung

Werke der offiziell geduldeten und geförderten Kunst der NS-Zeit verschwanden nach 1945 von der Bildfläche. Sie wurden zum größten Teil von den Alliierten beschlagnahmt. Nach 1990 wurden sie teilweise zurückgegeben und landeten zumeist in den Depots der Museen, so im Depot des Deutschen Historischen Museums in Berlin, welches eines der Leihgeber der Ausstellung ist. Selten werden diese Werke museal gezeigt. Man fürchtet, sie durch eine Museumsausstellung aufzuwerten. Die Situation Kunst allerdings sieht das Museum und insbesondere ihr Museum, das eine universitätsnahe Einrichtung ist, als einen Ort der kulturellen und gesellschaftspolitischen Bildung und Aufklärung. So ist es denn auch ganz sinnfällig, dass Studierende der Kunstgeschichte die Ausstellung begleiten und den Besuchern für Fragen zur Verfügung stehen.

Die Besucher der Ausstellung treffen auf harte Brüche. Die Ausstellung stellt angepasste, nach den Wünschen der NS-Elite gefertigte Kunst neben die der verfolgten Avantgardekunst. Besonders die dokumentarischen Fotografien von Zerstörung, Krieg und Massenvernichtung sorgen für schockierende Gegenpole zur dargestellten, heimelige Idylle. All das, so wird dem Besucher bewusst, geschah im gleichen historischen Ablauf. Das ist keine leichte Kost – aber ein Lehrstück. Eine Ausstellung, die anregen soll über das Verhältnis von Kunst und Politik sowie über Widerstand und Gehorsam nachzudenken. Gerade in Zeiten zunehmend rechter Strömungen ist diese Ausstellung mutig und wichtig.

Die Ausstellung läuft bis 9. April 2017.
Sie wird begleitet von diversen Vorträgen, die zur Diskussion und Auseinandersetzung anregen. Schirmherr der Ausstellung ist Bundespräsident Dr. Norbert Lammert

Mehr Infos zur Ausstellung und zu den Vorträgen hier

Situation Kunst mit Kubus und MuT
Nevelstr. 29c / Schlossstr. 13
im Parkgelände von Haus Weitmar
44795 Bochum
www.situation-kunst.de

Autor:

Andrea Gruß-Wolters aus Duisburg

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