Aus Altenbochum für Afrika

2014 wurde Reinhard Micheel herzlich von den Schülerinnen und Schülern der  „RESEP International Primary School“ in Damago in Nord-Ghana, einem Projekt zur ländlichen Entwicklung, begrüßt. | Foto: Aktion Canchanabury
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  • 2014 wurde Reinhard Micheel herzlich von den Schülerinnen und Schülern der „RESEP International Primary School“ in Damago in Nord-Ghana, einem Projekt zur ländlichen Entwicklung, begrüßt.
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Das Ende einer Ära: Reinhard Micheel, Geschäftsführer der Aktion Canchanabury, geht in den Ruhestand

Am 12. Dezember ist sein letzter Arbeitstag. "Dann werde ich abends meinen Schlüssel abgeben und nach Hause gehen - das war's." Nach 26 Jahren als Geschäftsführer der Aktion Canchanabury geht Reinhard Micheel in den Ruhestand. Über ein halbes Jahrhundert lang war der "Altenbochumer durch und durch" das "Gesicht" der Bochumer Hilfsorganisation, prägte ihre Arbeit und ihre Ausrichtung maßgeblich.

Von Petra Vesper

Gefeiert wurde mit Weggefährten, Mitarbeitern und Mitgliedern schon vor zwei Wochen in der Geschäftsstelle der Aktion Canchanabury an der Mettestraße. "Ich gehe nicht ganz freiwillig", gibt Reinhard Micheel zu, der im kommenden Februar 64 Jahre alt wird, "aber mein Arzt hat Druck gemacht - die Pumpe will nicht mehr so richtig und er hat mir geraten, kürzer zu treten."
Schon Mitte letzten Jahres hat er den Vorstand von seinem Entschluss unterrichtet ("Seither geht es mir deutlich besser, der Druck ist weg.") und im Sommer entschied sich der Vorstand für den Bochumer Gerd Stegemann als Nachfolger. Seither arbeiten beide Hand in Hand. "Ich kann beruhigt gehen. Er wird bestimmt vieles ganz anders machen als ich, aber das ist ja auch richtig so. Bei ihm ist die Aktion in guten Händen", betont Micheel. "Als wir jetzt zusammen in Afrika waren, haben wir oft abends noch am Lagerfeuer zusammen gesessen. Wir ticken ähnlich und kommen aus dem gleichen Stall, waren beide bei den Pfadfindern von Christ-König."
Die letzte Reise nach Togo und Ghana im November, sie diente nicht nur dazu, seinen Nachfolger bei den Projektpartnern vor Ort vorzustellen, sondern war für Reinhard Micheel auch so etwas wie eine kleine Abschiedstour. "Aber das ist kein Abschied für immer", steht für den zukünftigen Rentner fest. "Ich werde zurückkehren nach Afrika. Mein Wissen und meine Kontakte sind dort gefragt - und ich will mich gerne weiter engagieren. Bis jetzt war alles Pflicht - jetzt kommt die Kür." 55-mal bereits hat er den Kontinent bereist.

Die Hilfsaktion "umme Ecke"

Das Interesse für Afrika und für Entwicklungsprojekte war schon da, bevor Reinhard Micheel, der an der Ev. Fachhochschule Soziale Arbeit studiert hat, sich 1990 als Geschäftsführer der Aktion Canchanabury bewarb: "Ich habe das Glück, meine Interessen zu meinem Beruf gemacht zu haben." Sein Beruf ist für Micheel vor allem Berufung: "Und natürlich habe ich mir die Arbeit auch ein bisschen zurechtgebogen", gibt er lachend zu. "Früher zum Beispiel war der Vorsitzende des Vereins in Personalunion auch der Geschäftsführer. Davon wollte ich weg." Die Projektarbeit, so erläutert er, sei inzwischen so hochspeziell geworden, dass sie von hauptamtlichen Mitarbeitern gemacht werden müsse. Nur dadurch könne auch die Ehrenamtlichkeit des Vorstands und der Mitglieder machbar bleiben. "Als ich angefangen habe, waren wir noch in ganz Deutschland präsent", erinnert er sich. "Doch als so kleine Aktion macht das nicht wirklich viel Sinn." Micheel trieb die Regionalisierung und Konzentrierung voran. "Wir sind die Hilfsaktion 'umme Ecke'", schmunzelt Micheel. "Unsere Basis ist hier in Altenbochum - von hier aus helfen wir." So könne man auch den Ehrenamtlern gute Möglichkeiten zur Mitarbeit bieten. "Bei uns arbeiten viele Leute gleichberechtigt mit - vom ehemaligen Opel-Arbeiter bis zur Philosophie-Professorin der RUB."
1961 vom schwerbehinderten Bochumer Rollstuhlfahrer Hans Reinhard als zunächst reine Leprahilfe gegründet, hat die Aktion Canchanabury ihre Hilfe längst ausgeweitet auf Menschen in Ländern des Südens, die durch ihre Krankheiten zu Aussätzigen gemacht werden - und da steht seit den 1990er Jahren vor allem HIV/AIDS in Afrika an erster Stelle: "Das hat sich so entwickelt."
Die Aktion Canchanabury leiste vor allem Netzwerk-Arbeit: "Wir verstehen uns nicht als Bettler, sondern als Mittler zwischen den Projektpartnern vor Ort und Menschen hier, die gerne was tun wollen." Unterstützt werden nachhaltige Projekte im Gesundheitswesen, Bildungsprojekte und solche, die Einkommen für die Menschen vor Ort generieren. "Wir unterstützen Menschen mit Ideen - und stellen nicht einfach nur einen Brunnen irgendwo hin."
Sein Ruhestand, soviel ist klar, wird für Reinhard Micheel alles andere als ruhig werden. "Also, die ersten zwei Monate werde ich aber rein gar nichts tun, um einen Schnitt zu machen", hat er sich vorgenommen. "Aber im Frühjahr will ich anfangen, bei uns im Haus zu renovieren. Da ist meine Familie in Südamerika, das passt also ganz gut." Außerdem hat er sich vorgenommen, an der Ruhr-Uni Geschichte zu studieren. Einen Master-Abschluss strebt er aber nicht mehr an: "Ich will mir ja keinen Stress mehr machen." Viele Bücherstapel warten darauf, gelesen zu werden, viele Freunde in ganz Deutschland, die in den letzten Jahren zu kurz gekommen sind, wollen besucht werden. In der Gemeinde und im Stadtteil will er sich noch stärker engagieren und als begeisterter Wanderer warten noch einige Touren auf ihn: "Den Inka-Trail, den ich mir immer vorgenommen hatte, werde ich aber nicht mehr schaffen", bedauert Micheel.
In seiner Schublade liegt zudem ein Manuskript für einen Krimi: "Den gibt es eigentlich schon lange, aber den kann ich erst veröffentlichen, wenn ich im Ruhestand bin", lacht er. Und dann ist da noch die Idee, seine vielen Reiseberichte aus Afrika in Buchform zu veröffentlichen... Eines aber wird Reinhard Micheel auch in Zukunft nicht dürfen: "Meine Frau verbietet mir, samstags morgens Brötchen holen zu gehen. Sie hat immer Angst, dass ich dann stundenlang unterwegs bin, weil ich an jeder Ecke mit einem Bekannten quatsche."

Autor:

Petra Vesper aus Bochum

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