Angela Merkel und die Wettbewerbsfähigkeit

Selbst Bekowerdo stellt fest, dass man Wettbewerbsfähigkeit für alle Länder nicht herbeizaubern kann
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  • hochgeladen von Rüdiger Beck

Bei ihrem Besuch in Paris sagte Angela Merkel: „Die Euro-Zone muss Avantgarde sein, wenn es um die Wettbewerbsfähigkeit geht“. Gefährlich wird es immer, wenn Frau Merkel und auch andere deutsche Spitzenpolitiker fordern, dass alle Länder ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen sollen. Auch Wolfgang Schäuble hat immer wieder diese Forderung aufgestellt.

Das Dumme an der Sache ist nur, dass Wettbewerbsfähigkeit immer ein "relatives" Konzept ist. Wenn Deutschland stark bleibt, wird es weiterhin seine europäischen Partner an die Wand drücken. Es können nicht alle Länder ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Das ist gegen die Logik. Wenn ein Land seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern will, muss man immer fragen: "gegen wen?". Das scheint aber vielen Politikern nicht bewusst zu sein.

Europa kann nur stark werden, wenn sich alle an die Regeln halten. Deutschland hat sich jedoch seit Beginn der Währungsunion nicht an die Regeln gehalten und durch Lohndumping seine Wettbewerbsfähigkeit erhöht, und zwar zu Lasten der anderen Länder. Das kann und wird auf Dauer jedoch nicht funktionieren, weil die anderen Länder permanent Marktanteile an Deutschland verlieren und die Lohnstückkosten immer weiter auseinander laufen.

Es wäre schön, wenn man in der Politik endlich einmal begreifen würde, dass eine zentrale Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit einer Währungsunion die Anpassung an die eigenen Verhältnisse ist. Es darf kein Land "über" und kein Land "unter" seinen Verhältnissen leben. Deutschland hat jedoch massiv unter seinen Verhältnissen gelebt. Es können also durchaus Länder, die unterschiedlich in ihrer Produktivität sind, eine Währungsunion eingehen. Jedes Land muss sich allerdings mit seinen Löhnen an seine eigene Produktivität anpassen zuzüglich 2 Prozent, damit das von der EZB festgelegte Inflationsziel eingehalten wird und damit sich kein Land einen Wettbewerbsvorteil durch Lohndumping erschleichen kann. Aber genau das hat Deutschland seit Beginn der Währungsunion gemacht und das ist der Kern der Krise in Europa.

Die Eurozone benötigt eine völlig andere Wirtschaftspolitik. Macron will eine "Liberalisierung des Arbeitsrechts" - eine vornehme Umschreibung für Lohndumping nach deutschem Vorbild. Um in Frankreich und in Europa ein anderes Wirtschaftskonzept mit Erfolg durchzusetzen, muss sich Macron und seine französische Wirtschaftspolitik gegen Deutschland positionieren. Anders wird es nicht funktionieren. In Frankreich gibt es keinen Reformbedarf. Das ist ein frei erfundenes deutsches Märchen, denn die Produktivität in Stunden ist in Frankreich höher als in Deutschland. Frankreich hat sich darüber hinaus als einziges europäisches Land an die Regeln gehalten und seine Löhne um 2 Prozent über der nationalen Produktivität erhöht.

Dennoch gerät die französische Wirtschaft jetzt in Schwierigkeiten, weil Frankreich den "falschen Nachbarn" hat, der mit Klauen und Zähnen um Exportüberschüsse kämpft. Wenn man in dieser Situation die Verbesserung der französischen Wettbewerbsfähigkeit fordert und dabei die deutsche Position nicht verändern will, verlangt man etwas Unmögliches. Macron hat in einem Interview gesagt: "Man ist nur wettbewerbsfähiog im Vergleich zu seinen Nachbarn. Es besteht ein wirtschaftliches und kommerzielles Ungleichgewicht zwischen Deutschland und seinen Nachbarn. Deutschland muss sich bewegen."

In Frankreich hat man die Funktionsweise einer Währungsunion offensichtlich begriffen, in Deutschland leider nicht. Aber dazu müsste man in Deutschland umdenken und die neoliberale Linie verlassen und vor allem die dahinter stehende makroökonomische Logik begreifen. Das wird jedoch in der derzeitigen politischen Konstellation schwierig.

Autor:

Rüdiger Beck aus Dortmund-City

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