Bundesregierung verurteilt Psychopharmaka-Verabreichung in Zoos als Tierquälerei

Aufgrund einer Anfrage der Fraktion Die Linke äußerte sich die Bundesregierung jetzt in einer Antwort zur Psychopharmakagabe an Zootiere: "Ein dauerhafter und routinemäßiger Einsatz von "Psychopharmaka" - etwa Beruhigungsmittel - zur Kompensation ungeeigneter Haltungsbedingungen verstößt nach Auffassung der Bundesregierung gegen die Vorgaben des Tierschutzgesetzes. Das Tier ist seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen zu ernähren, zu pflegen und verhaltensgerecht unterzubringen".

Das Hagener Wal- und Delfinschutz-Forum (WDSF) hatte nach einer Akteneinsicht im Tiergarten Nürnberg aufgedeckt, dass Delfine regelmäßig Psychopharmaka erhalten. Die Begründung des Zoos für die Medikamentengabe lautet in den Akten:" Nervosität, Unruhe, schlechtes Fressverhalten."

Der Zoo Duisburg verweigerte der Tierschutzorganisation eine Akteneinsicht. Erst aufgrund einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf bekam das WDSF im Oktober 2014 recht. Dem Gericht reichte allerdings die auszugsweise Veröffentlichung der tiermedizinischen Berichte auf der Homepage des Duisburger Zoos. Das WDSF legte daraufhin Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster ein, weil es die Akten vollständig und direkt einsehen will.

WDSF-Geschäftsführer Jürgen Ortmüller: "Der Tiergarten Nürnberg stellt nicht nur die Delfine mit Psychopharmaka ruhig sondern auch andere Tiere wie zum Beispiel Gorillas, wie wir jetzt bei einer erneuten Akteneinsicht feststellen konnten. Immer noch werden Delfine mit dem Medikament Diazepam, sprich Valium, behandelt, so erst kürzlich nach der Geburt eines Delfinbabys bei der Delfinmutter Sunny im November. In den vergangenen Jahren wurden einem einzigen Delfin innerhalb von sieben Monaten rund 4.100 mg verabreicht. Insgesamt konnten wir innerhalb von 4 1/2 Jahren für die Delfine etwa 10.600 mg des Psychopharmaka Diazepam nachweisen zuzüglich weiterer Beruhigungsmittel wie Serenin."

Diazepam kann laut Herstellerangaben bereits nach einer mehrwöchigen Verabreichung ein Suchtpotential auslösen. Nach Angaben des WDSF sind die städtischen Aufsichtsbehörden bisher nicht gegen die Medikamentengabe eingeschritten. Vom Nürnberger Tiergartendirektor Encke war zu vernehmen, dass Diazepam nur als Appetitanreger eingesetzt würde.

Mit der Antwort der Bundesregierung im Rücken will das WDSF nun aufgrund der Untätigkeit der Behörden Fachaufsichtsbeschwerde einlegen und Strafanzeige stellen.

Ortmüller: "Vor den Toren der Zoos klebt ein Siegel des Schweigens. Tierquälerei hat in Zoos nichts zu suchen. Wir haben vom Verwaltungsgericht als Tierschutzorganisation die Legitimation erhalten, dass wir zeitlich uneingeschränkt tiermedizinische Berichte anfordern können. Die Zoos und Tiergärten müssen sich also warm anziehen, denn Nürnberg und Duisburg sind offenbar nur die Spitze des Eisbergs. Wenn manche Tierarten nur mit Medikamenten gehalten werden können, muss ein vollständiges Umdenken stattfinden."--

Hinweis: Das WDSF veröffentlichte im November 2014 eine Zusammenfassung der tiermedizinischen Daten des Zoos Duisburg für Große Tümmler (Tursiops truncatus) von 2008 bis Anfang 2014. Die Angaben wurden der Webseite des Delfinariums und des Berichtes des LANUV NRW vom 17.03.2014 entnommen.

Insgesamt kamen laut diesen Informationsquellen über 20 verschiedenen Medikamente und Präparate zur Anwendung, wobei sechs davon auf verschiedene Antibiotika entfielen (siehe Medikamentenliste S. 4-5). Weitere fünf fielen auf verschiedene Antiseptika (Salben und Lösungen).

Schreiben der Bundesregierung: http://ots.de/yuzdT

WDSF-Analyse Tiergarten Nürnberg: http://ots.de/0gt3W

und

http://ots.de/PN3hA

WDSF-Analyse Zoo Duisburg: http://ots.de/zSEor

Autor:

Jürgen Ortmüller aus Hagen

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