Sperrung A 52 - Ein Blick ins Herz der Ruhrtalbrücke

Klotzen, nicht kleckern: Frei nach diesem Motto wird die oberste Fahrbahndecke zwischen Kettwig und der Ruhrtalbrücke entfernt und durch einen modernden Flüsterasphalt ersetzt. Ebenfalls erneuert werden die Leitplanken und die Straßenmarkierungen. | Foto: Bangert
4Bilder
  • Klotzen, nicht kleckern: Frei nach diesem Motto wird die oberste Fahrbahndecke zwischen Kettwig und der Ruhrtalbrücke entfernt und durch einen modernden Flüsterasphalt ersetzt. Ebenfalls erneuert werden die Leitplanken und die Straßenmarkierungen.
  • Foto: Bangert
  • hochgeladen von Sven Krause

Morgens, kurz nach neun in Kettwig. Die Sonne lacht. Der Fotokollege Uli Bangert hat in seinem Kofferraum von Warnweste über Gummistiefel bis hin zum Bauhelm alles dabei, was man für eine Baustellenreportage so brauchen kann. Ohne viele Worte machen wir uns auf den Weg - die Ruhrtalbrücke wartet.

Erstes Ziel: der Parkplatz Ickten. Sonst Teffpunkt ruhebedürftiger LKW-Fahrer oder Geschäftsreisender. Doch seit einigen Tagen ist hier alles anders. Etwa ganz alleine auf der rechten, eigentlich gesperrten Spur gemütlich zum Treffpunkt mit Baustellen-Koordinator Peter Belusa zuckeln - das hat was. Dort angekommen, geht es nicht gleich los. Der erste Griff geht in Richtung Kofferraum. Bauhelm - brauchen wir nicht. Gummistiefel - Petrus hat gute Laune, können also drin bleiben. Aber die Warnweste, die muss sein. Sicherheit geht schließlich über alles.
Bis unser persönlicher Führer kommt, dauert es noch ein bisschen. Also nutzen wir die Chance, die ersten Eindrücke zu sammeln. Während akustisch eindeutig die Betonfräse die Nase vorn hat und geruchstechnisch der heiße, abgeschälte Teerbelag immer dominierender wird, dringt vom Grünstreifen hinter uns Natur pur ins Ohr. Und als die Fräse schweigt, übernehmen die Spatzen die melodische Untermalung der Baustellenidylle. Nur ein paar Meter weiter hat inzwischen hektische Betriebsamkeit eingesetzt. Es ist Pausenzeit und rund ein Dutzend hungriger Bauarbeiter packen quasi mitten auf der A 52 ihren Henkelmann aus. Na dann, guten Appetit.
Während wir noch überlegen, ob wir uns dem lukullischen Idyll anschließen, kommt Peter Belusa mit seinem grauen Volvo von Straßen.NRW angerollt. Also nix mit Frühstück, jetzt wird besichtigt.

„10 Kilometer in sechs Wochen, das ist schon eine reife Leistung. Aber noch sind wir sehr zuversichtlich, dass es klappt.“ Peter Belusa

Und Belusa, der vor Jahresfrist auch mitverantwortlich für den reibungslosen Verlauf der A 40-Sanierung in Essen war, ist gleich in seinem Element. „Wir schälen hier auf rund zehn Kilometer Länge den alten Asphalt ab und ersetzen ihn durch eine neue DSH-V-Decke, die extrem geräuschmindernd wirkt. Dafür haben wir rund sechs Wochen Zeit. Das ist fast Sprinttempo, aber noch sind wir zuversichtlich, dass das klappt.“
Rund 80 bis 100 Bauarbeiter sind zu diesem Zeitpunkt auf der A 52 aktiv und in den kommenden Wochen werden es kaum einmal weniger werden. Damit auch alles pünktlich fertig werden soll, wird rund um die Uhr gearbeitet. „Wobei wir aus Sicherheitsgründen einige Arbeiten nur tagsüber durchführen lassen werden. Da geht die Gesundheit eindeutig vors Tempo.“
Das Stichwort Sicherheit passt auch gerade perfekt. Wir halten etwa auf halbem Weg auf der Brücke, genießen für einen Moment den grandiosen Ausblick auf Kettwig und schmunzeln kurz, als Kollege Bangert eine Reise in die Vergangenheit unternimmt und sich erinnert, wie er 1966 mit acht Jahren von seinem Kinderzimmer aus die beiden Brückenenden zusammenwachsen sah. „Das war damals echt spannend.“
Spannend ist es aber auch heute zu beobachten, mit welcher Ruhe die Männer von Peter Belusa ihre Sicherungsarbeiten durchführen, während in einem knappen Meter Entfernung der Verkehr weiter ungestört in Richtung Düsseldorf fließt. Aber warum wird hier schon wieder gefräst? Und vor allem, warum auf der falschen Seite, direkt neben dem Verkehr? Belusa erklärt: „Wir müssen die Absperrbaken in dieser Rinne versenken. Tun wir das nicht, dann könnten sie durch die Vibrationen, die die Baumaschinen auf der Brücke auslösen, in den Verkehr kippen. Und das wäre extrem gefährlich.“

"Wir müssen die Absperrbaken in einer Rinne versenken. Ansonsten könnten sie durch die Vibrationen in den Verkehr kippen." Peter Belusa

Nicht gerade vertrauenserweckend sieht auch das Ende der Ruhrtalbrücke aus. Ein Bagger zertrümmert vorsichtig die Asphaltdecke und legt das Innere der Brücke und der Sanierungsarbeiten frei - die Fahrbahnkästen. Beim ersten Blick ins Herz des Bauwerks fällt sofort auf: der Zahn der Zeit hat extrem an den Stahlstreben genagt. Kein Wunder, denn in den 1960er-Jahren ging für Brückenbauer nichts über wasserdurchlässige Fahrbahnkästen. Beim zweiten, genaueren Blick entdecken wir neben verzinkten Wasserabflüssen auch eine Regenrinne, die man sonst eher an der Außenwand eines Einfamilienhauses erwarten würde. Aber doch nicht unter einer Brücke, die tagtäglich von 80.000 Autos befahren wird. Mein leicht ungläubiger Blick ist Peter Belusa natürlich nicht entgangen. „Lachen Sie nicht, irgendwie musste man das Wasser ja entsorgen. Zum Glück sind die neuen Fahrbahnkästen wasserundurchlässig. Solche Probleme bekommen wir also nie wieder.“
Doch bis die Neuen in rund drei Wochen eingesetzt werden, können wir und die Arbeiter erst einmal den Ausblick genießen. Nicht von der Brücke Richtung Kettwig. Nein, viel besser. Durch die inzwischen nach unten offene Brücke auf die friedlich fließende Ruhrund ihre grünen Uferstreifen. Idylle pur, mitten auf der A 52.
Eine gute Stunde sind wir inzwischen hier unterwegs, langsam geht diese Besichtigung dem Ende entgegen. Schade. Echt schade. Aber dann kommt der rettende Hinweis von „Mister A 52“ Peter Belusa. „Wollen Sie in drei Wochen dabei sein, wenn wir den ersten neuen Fahrbahnkasten einsetzen?“
Uli Bangert und ich schauen uns an und angesichts des Glanzes in unseren Augenwinkeln verstehen wir uns auch ohne Worte. Bis in drei Wochen, Ruhrtalbrücke.

Brücken-Info:
Die Ruhrtalbrücke wurde 1966 fertiggestellt und ist mit 1.830 Metern Deutschlands längste Straßenbrücke aus Stahl. Sie hat eine Höhe von 65 Metern über dem Ruhrtal und wurde für 20.000 Fahrzeuge pro Tag gebaut. Inzwischen wird sie von rund 80.000 Autos und LKWs täglich befahren. Tendenz steigend. Daher werden nun die Fahrbahnübergänge komplett ausgetauscht. Außerdem wird der Straßenbelag komplett erneuert. Die Kosten betragen für die Brückensanierung 4 Millionen Euro.

Mehr zum Thema:
Ruhrtalbrücke wird gesperrt

Autor:

Sven Krause aus Mülheim an der Ruhr

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

2 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.