Der Irrsinn mit den Mieten

Den Slogan im Rücken: Dieter Hillebrand, Geschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbunds Region Mülheim-Essen-Oberhausen, lud neben Aichard Hoffmann Siw Mammitzsch und Peter Köster (rechts) zur Diskussionsveranstaltung über bezahlbaren Wohnraum ins Gewerkschaftshaus . Foto: hub
  • Den Slogan im Rücken: Dieter Hillebrand, Geschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbunds Region Mülheim-Essen-Oberhausen, lud neben Aichard Hoffmann Siw Mammitzsch und Peter Köster (rechts) zur Diskussionsveranstaltung über bezahlbaren Wohnraum ins Gewerkschaftshaus . Foto: hub
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Steigende Mietpreise schaukeln sich auch in Essen immer weiter hoch

Essen wächst. Seit 2012 zieht es wieder vermehrt Menschen in die Großstadt an der Ruhr. Angemessen reagiert in Bezug auf bezahlbaren Wohnraum haben Stadt und Verbände aus Sicht der Gewerkschaften nicht. Eher im Gegenteil.

90.000 Essener beziehen Sozialhilfe, Arbeitslosen- und Sozialgeld. Für diesen nicht unerheblichen Teil der Stadtbevölkerung kommt flächenmäßig jedoch nur ein kleiner Bereich im Stadtgebiet in Frage. Wie Siw Mammitzsch, Geschäftsführerin der Mietergemeinschaft Essen, anhand einer Karte verdeutlicht, sind Wohnungen für Menschen, die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) beziehen, nur in den nördlichen und östlichen Stadtvierteln bezahlbar. Dass damit dem Nord-Süd-Gefälle nicht entgegen gewirkt, sondern die Ghettoisierung eher im Laufschritt betrieben wird, findet auch Peter Köster. "Sag mir, wo du wohnst, und ich sage dir, wie lang du lebst", erzählt der Vorsitzende der IG Bau, sei ein gängiger Spruch, der die Lebensstandards in manchen Vierteln dramatisch auf den Punkt brächte.
Doch wie konnte es zu dem sagenhaften Mietanstieg überhaupt kommen? Gründe für eine Mieterhöhung, erklärt Siw Mammitzsch, gebe es vor allem zwei: "Modernisierungen und ortsübliche Vergleichsmiete." Ist eine Mieterhöhung aufgrund von Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen zwar ärgerlich, aber nachvollziehbar, verhält es sich mit dem zweiten Punkt schon schwieriger. Hier tritt der Mietspiegel in Kraft. Erstellt vom Arbeitskreis Mietspiegel, sind in ihm die Mietänderungen der letzten vier Jahre enthalten. Kritikpunkte gibt es viele. So sind etwa 50 Prozent der aufgeführten Daten Neuvertragsmieten. Bestandsmieten, die naturgemäß niedriger sind, als neu verhandelte nach Sanierungen oder Erstbezugsmieten in Neubauten, werden überhaupt nicht erfasst. Da der Mietspiegel als Standard gilt, berechtigt er Vermieter, die Mieten an diesen Standard anzugleichen, obwohl es formal keinen Grund dafür gibt. "Im Durchschnitt zahlen Essener Bestandsmieter 5,68 Euro pro Quadratmeter", zeigt Siw Mammitzsch auf, "im Mietspiegel werden jedoch 6,35 Euro aufgeführt."

Bestandsmieten nicht berücksichtigt

Diese drastische Aufwärtsspirale kann nun auch nicht mehr mit der Wohnungsgemeinnützigkeit aufgewiegelt werden. Ehemalige Sozialwohnungen sind nicht mehr durch das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz gebunden. Einer Aufhebung des Sozialbaus und Verlangen der vollen Miete nach einer gewissen Zeit steht nichts mehr im Wege. Bedenklich, denn, wie der Zweite Vorsitzende des Mieterforums Ruhr Aichard Hoffmann erklärt, sei wegen der hohen Baukosten sozialer Wohnungsbau ohne staatliche Förderung schon gar nicht mehr möglich.
Dass hohe Mieten und das Entstehen von Armutsvierteln nicht unvermeidbar Bestandtteil der Ruhrgebietsstädte werden müssen, zeigt der Sprecher des Mietervereins Bochum. Auf Baujahr, Wohnlage und Ausstattung lässt sich die Miete zurückführen, mögliche Ab- und Zuschläge lassen sich leicht mit einem Cent-Rechner korrigieren. Komplizierte Probleme mit Lageklassen ergeben sich dort nicht.
Doch auch im Essener Mietspiegel sind Punkte aufgeführt, die eine Mietsenkung rechtfertigen. Siw Mammitzsch rät daher den Mietern, nach Punkten zu suchen, die zum Punktverlust und damit zu einer niedrigeren Monatsmiete führen könnten. "Diese Liste ist nicht abschließend", sagt sie, "das ist hier wirklich eine Möglichkeit, für die Mieter aktiv einzugreifen."

Autor:

Julia Hubernagel aus Essen-Süd

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