„Die falsche Ruhrseite!“

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Bürgeranhörung zeigt: Verkehrskonzept teilt die Lager – bald auch Werden?

Spaltet das Verkehrskonzept Werden in zwei Teile? Von allgemeiner Einigkeit im Werdener Bürgertum war jedenfalls nichts zur spüren bei der Bürger-Information, die das Planungsamt der Stadt Essen in die Sitzung der Bezirksvertretung „eingeschoben“ hatte. Planer Thomas Weiring moderierte gelassen, souverän, sogar mit ungewohntem Einblick auf seine Seelenleben: „Ich freue mich, dass wir endlich - aufgrund der Grünen Harfe - das Thema des Verkehrs in Werden anpacken dürfen!“ Hier liegt einem Bürokraten ernsthaft das Wohlergehen des Stadtteils am Herzen, ein gutes Gefühl. Ebenso positiv fielen das hohe Niveau der Wortbeiträge und das gesittete Miteinander auf. Die Schadstoff- und Lärmgutachten legten nahe, dass die angedachten Änderungen für Entlastung sorgen werden. Doch längst nicht alle Werdener sehen das so...

Wenn alles so einfach wäre! Ein Vorschlag von Horst Rotthaus: „Hängt doch in der Brückstraße große Ventilatoren auf – die blasen den Mief heraus und alles ist in Ordnung!“ Schön wäre es, doch die Lösung ist fern. Rückt sie nach der Bürgeranhörung näher?

Nachher ging es jedenfalls im Foyer der Aula des Gymnasiums Werden hitzig weiter: „Sie wohnen in Heidhausen – möchten Sie an der Abteistraße wohnen?“ Dietmar Rudert vom Bürger- und Heimatverein sprach aus, was Viele denken: „Es darf nicht Gewinner und Verlierer, es darf nur Gewinner geben!“ Ratsherr Hanslothar Kranz fürchtet weiterhin eine „Teilung Werdens“ und betonte, die Bürger müssten mit ihren Ängsten ernst genommen werden. Da rannte er bei Thomas Weiring offene Türen ein, der Stadtplaner versprach, die vielen Anregungen umzusetzen in einen Entwurf, der dann der Politik vorgelegt wird: „Es wird bestimmt nicht so gebaut, wie es jetzt vorliegt!“

„Es hat sich gelohnt!“

Bezirksvertreter Patrick Widmaier war hinterher guter Dinge: „So viele Teilnehmer, ein umstrittenes Thema und doch eine angenehme Atmosphäre, es hat sich gelohnt!“ Bezirksbürgermeister Dr. Michael Bonmann hatte die Sitzungspause ermöglicht, im Vorfeld von einem Experiment gesprochen, das durchaus danebengehen könne.
Nachdem die Gutachter ihre Expertisen vorgestellt hatten (der Werden Kurier hatte im Januar ausführlich berichtet), blieben nur wenige Möglichkeiten, den kurz vor dem Kollaps stehenden Verkehr im Abteistädtchen „zu retten“: Eine Umgehung brächte laut Verkehrsexperte Christoph Helmert nichts, da es zu viel „Ziel- und Quellverkehr“ in Werden gebe. Daran seien natürlich nicht nur die „bösen“ Werdener mit ihren dicken Autos schuld, sondern auch die vielen Menschen, die in Büros, Praxen, Krankenhäusern, Geschäften arbeiteten und deshalb jeden Morgen ins Städtchen einfahren und Parkplätze suchen müssen.
Da nutzte der launige Spruch von Paul Wilhelm Füth wenig, am meisten belasteter Anwohner der Abteistraße und deswegen glühender Gegner des Konzeptes: „Wer aus Heidhausen schnell nach Bredeney oder Kettwig will, wohnt auf der falschen Ruhrseite!“ Fakt ist, dass Lösungen im Stadtkern selbst gefunden werden müssen und trotzdem das hehre Ziel des Ratsbeschlusses, die Belastungen um 25 Prozent zu reduzieren, nie und nimmer eingehalten werden kann.
Ein wenig Hoffnung machte Björn Siebers, der in seinem Luftgutachten nachwies, dass zukünftige, verbesserte Fahrzeugflotten deutlich weniger Schadstoffe ausstoßen werden. Trotz alledem sei es fahrlässig, daraufhin die Hände in den Schoß zu legen. Auch das Lärmgutachten sah positive Aspekte im Verkehrskonzept, da zum Beispiel bergauf fahrende Autos in der Bungertstraße deutlich mehr Lärm produzieren als zukünftig bergab fahrende. Hier setzten die Kritiker an, Dr. Ulrich Rehlinghaus monierte, dass der Kastellplatz und die Rittergasse nun urplötzlich über Gebühr massiv belastet würden. Genauso sah es auch Peter Bialas, der in einem längeren Vortrag minutiös viele „Strickfehler“ des Konzeptes nachwies und gnadenlos den Finger in die „Wunden“ der bisherigen Planungen legte: „Es treibt mir die Wut ins Gesicht, wie hier die Situation beschönigt wird!“
Man sah die Experten, wie sie die Stirn in Falten legten, eifrig mitkritzelten, mehr als einmal zusammen zuckten: Hier hatten sich Werdener Bürger mit unglaublich viel Engagement ans genaue Studium der vorliegenden Fakten gemacht und mit viel Esprit, oft auch Wut im Bauch, auf unzählige Konstruktionsmängel des Verkehrskonzeptes hingewiesen.
Zwar konnten die Planer einiges kontern, Michael Happe bot gar an, direkt vor Ort die „Schleppkurve“ eines Reisebusses zu zeigen, der von der Abteistraße in den Klemensborn und dann rauf zur Jugendherberge wolle: „Das geht, das haben wir berechnet!“
A propos Klemensborn: Genüsslich sezierten mehrere Redner das Festhalten an der Ausfahrt des Ortsbusses von Heidhausen kommend in die Abteistraße mit entsprechender – komplizierter? - Ampelschaltung: „Warum nicht durch die Kellerstraße? Lasst den Bus doch da lang fahren, auf dem Weg liegen zwei Schulen, viele ältere Menschen wohnen in dem Quartier!“

Gesittete Streitkultur

Man ging auseinander mit dem guten Gefühl, dass es zumindest in Werden noch gesittete Streitkultur gibt. Doch wer auf ein schnelles Ende der Zwistigkeiten hofft und einen tragfähigen Kompromiss ersehnt, sollte sich einmal mit Rita Bögershausen unterhalten, streitbare Anwohnerin: „Das Konzept weist gravierende Mängel auf und blendet die Interessen der Gewerbetreibenden in der Abteistraße völlig aus. In welchem Verfahren soll eigentlich die Brückstraße geändert werden? Immerhin ist es eine Bundesstraße. Wer wird überhaupt Träger dieses Vorhabens sein? Wir haben jedenfalls den Düsseldorfer Baurecht-Fachanwalt Dietmar Mampel kontaktiert.“

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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