Herr Pilates aus Gelsenkirchen: Pilates und seine Anfänge

Sporttherapeutin Lisa Nierhoff präsentiert hier im Reha- und Fitnesszentrum „Das Hüller“ eine nicht ganz einfache Pilatesübung, die aber deutlich macht, warum es sich dabei mit oder auch ohne Gerät um ein Ganzkörpertraining handelt. Foto: Gerd Kaemper
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  • Sporttherapeutin Lisa Nierhoff präsentiert hier im Reha- und Fitnesszentrum „Das Hüller“ eine nicht ganz einfache Pilatesübung, die aber deutlich macht, warum es sich dabei mit oder auch ohne Gerät um ein Ganzkörpertraining handelt. Foto: Gerd Kaemper
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„Pilates“ ist als Ganzkörpertraining in aller Munde und jedes Sportstudio, das etwas auf sich hält, bietet Kurse an. Doch wer hätte gedacht, dass der Begründer dieses Trainings einst in Gelsenkirchen gelebt hat? Und hier sogar eine Boxschule betrieb, in der das ganzheitliche Training bereits zum Programm gehörte?

Eva Rincke beleuchtet das Leben des Joseph Pilates

Die Stuttgarter Autorin Eva Rincke fand zum Pilates und wurde davon so begeistert, dass sie wissen wollte, wer hinter der Methode steckt und dabei stieß sie auf Joseph Pilates, der an 9. Dezember 1883 in Mönchengladbach das Licht der Welt erblickte und 1903 nach Gelsenkirchen zog. Der Stadtspiegel sprach mit ihr über Joseph Pilates, seine Methode und ihr Buch.
Schon damals praktizierte der junge Pilates Übungen, die er seinen kleinen Geschwistern bei deren ersten Bewegungsversuchen, aber auch den Tieren in der freien Natur abgeschaut hatte. Und auch wenn das damalige Arbeitsleben dem jungen Mann noch sehr viel mehr abverlangte als heutzutage üblich, führte er täglich seine Übungen durch und stählte im wahrsten Sinne seinen Körper.
In ihrem Buch „Joseph Pilates - Der Mann, dessen Name Programm wurde“ verfolgt Eva Rincke Pilates quer durch Deutschland, nach England und später in die USA, wo Joseph Pilates im Jahre 1926 sein erstes Studio eröffnete und zwar in Manhattan.

Pilates erlebte nicht mehr den Hype um seine Methode

Detailliert beschreibt sie die Entwicklung des schwierigen und rätselhaften Mannes, der „rechts und links von seiner Methode nichts anerkannte“, wie Rincke schildert. Und der in der damaligen Zeit von sich reden machte, indem er nur mit einer Badehose bekleidet joggte und auch sein Studio betrieb. Sie würde nach ihrer ausgiebigen Recherche sofort unterschreiben, dass es sich bei Pilates um einen Bessenen hielt, wenn auch einen positiv Besessenen.

Einmal Pilates - immer Pilates

Doch sie musste auch feststellen, wie sehr seine Methode einen Menschen fesseln kann: „Ich hatte nach der Geburt meines Sohnes einen Rückbildungskurs mit Pilates-Elementen. Das war gut für den Beckenboden und den unteren Bauchbereich und für mich stand schnell fest, dass ich weiter machen wollte“, erzählt die Autorin.

Geräte fürs Pilates? Aber ja!

Da man im Buch erfährt, dass Joseph Pilates auch mehrere Geräte entwickelt hat, die seine Methode verstärken und auch die entsprechenden Patente in Deutschland, Frankreich, Österreich, Schweiz und den USA eintragen ließ, war es natürlich spannend zu wissen, ob die Autorin selbst einmal mit dem „Reformer“ oder „Chair“ trainiert hat.
„Eigentlich wollte ich die Geräte nur für meine Recherchen zum Buch ausprobieren, doch dann war ich so begeistert, dass ich jetzt regelmäßig das Studio von Davorka Kulenovic in Stuttgart aufsuche. Sie hat übrigens noch bei einer echten Pilates-Schülerin, nämlich Romana Kryzanowska gelernt“, schildert Eva Rincke.
Dabei wirken die Geräte ein wenig wie Folterinstrumente und nicht so stylisch wie man Fitnessgeräte ansonsten kennt. „Das stimmt. Sie sind sehr spartanisch, weil sie ja wie in der Urform hauptsächlich aus Holz, Leder und eben den verschiedenen Federn bestehen“, erläutert die Autorin. „Doch ich habe festgestellt, dass die Geräte so einstellbar sind, dass sie genau auf die körperlichen Schwachstellen des Trainierenden einwirken können. Ich fühle mich dadurch auf jeden Fall stärker, aufrechter, beweglicher und auch schlanker.“
Zwei Jahre und ein paar Monate beschäftigte sich Eva Rincke mit Joseph Pilates und sagt selbst, dass sie sicher noch weitere fünf Jahre so hätte weiter machen können, „weil es so viele Geschichten um und über ihn und Personen, die er kennen gelernt hat, gibt.“

Pilates-Schülerin ist im hohen Alter aktiv

Bei einem Besuch in den USA traf sie sich mit Mary Bowen, einer Pilates Schülerin, die mit ihren 85 Jahren noch immer selbst Kurse gibt und nach wie vor wie in dem Buch beschrieben. zwischen drei US-Bundesstaaten pendelt. „Sie ist ähnlich wie Pilates selbst, aber auch wie die meisten Pilatestrainer ein Beispiel dafür, dass die Methode die Menschen jung hält und ihnen einfach Energie gibt“, schildert eine faszinierte Rincke.
Aber wie wird Pilates denn nun richtig betrieben? Mit Geräten oder ohne, mit Musik oder ohne? „Für Joseph Pilates gehörten Matten- und Geräteübungen zusammen. Sie ergänzten einander. Hierzulande gibt es aber längst nicht so viele Studios, die mit den Geräten arbeiten, als solche, die die Mattenübungen anbieten. Ich war gerade in Brasilien, wo ich ein Filmteam für eine Dokumentation über Joseph Pilates beraten habe. In Sao Paulo gab es 100 Studios, die mit den Geräten arbeiten“, schildert die Pilates-Spezialistin. „Doch wie schon kurz nach seinem Tod gibt es auch heute noch große Auseinanderseztungen zwischen den verschiedenen Strömungen des Pilates. So lehnt das Original zum Beispiel jede Ablenkung in Form von Musik ab, die heutige Betreiberin des 40 Jahre lang von Joseph Pilates geführten Studios an der 55. Straße in New York setzt hingegen auf die leise Musik zur Entspannung.“

Box-Pilates erinnert an die Anfänge des Joseph Pilates in Gelsenkirchen

Einer der neueren Trends geht in die Richtung Pilates mit Boxen zu verknüpfen. Hier sieht Rincke einen durchaus passenden Trend: „Das macht Sinn, weil er ja mit dem Selbstverteidigungstraining begonnen hat. Einer Art Boxgymnastik, die er vermutlich auch in der Boxschule in Gelsenkirchen betrieben hat. Doch darüber finden sich leider nicht genug Informationen. Ich wurde beim Institut für Stadtgeschichte zwar in Meldeunterlagen fündig zu seinem Aufenthalt in Gelsenkirchen, habe in alten Zeitungen Berichte über seine Boxkämpfe gefunden und Einträge in alten Telefonbüchern, aber die Lehrinhalte in der Boxschule blieben nebulös“, bedauert Rincke.
Dank Eva Rincke, wird der Mann, der „das Pilates“ erfand und währenddessen in Gelsenkirchen lebte, noch weitere Aufmerksamkeit erfahren, die ihm während seines Lebens so sehr verwehrt blieb, obwohl er sich immer darum bemühte. Denn die Autorin ist derzeit viel unterwegs in Sachen Pilates mit Lesungen. Oder auch mit Workshops, wie dem, den sie in Brasilien gehalten hat vor Pilates-Trainern über das Leben des Joseph Pilates.
Allen Pilates-Fans rät sie als passionierte Pilates-Praktizierende: „Egal wie Sie Pilates trainieren, mit oder ohne Gerät, boxend oder nicht, wichtig ist: Der Spaß an der Sache sollte im Vordergrund stehen!“

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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