Mordversuch: Die Gewaltspirale dreht sich

Die Zahlen für Gelsenkirchen entsprechen dem Landestrend, wenn es um häusliche Gewalt geht und deren Zunahme geht. Traurige Realität!  Mit dem Landesaktionsplan „Gewalt gegen Frauen und Mädchen“ versucht der NRW-Innenminister dagegen vorzugehen. Zu seinem Plan gehören aber auch die Mitbürger, die nicht weg sehen sollten, wenn in ihrer Nachbarschaft Gewalt in der Familie ausgeübt wird. In Gelsenkirchen beweist gerade der Mordversuch einer Frau an ihrem Ex-Mann. Foto: Gerd Kaemper
2Bilder
  • Die Zahlen für Gelsenkirchen entsprechen dem Landestrend, wenn es um häusliche Gewalt geht und deren Zunahme geht. Traurige Realität! Mit dem Landesaktionsplan „Gewalt gegen Frauen und Mädchen“ versucht der NRW-Innenminister dagegen vorzugehen. Zu seinem Plan gehören aber auch die Mitbürger, die nicht weg sehen sollten, wenn in ihrer Nachbarschaft Gewalt in der Familie ausgeübt wird. In Gelsenkirchen beweist gerade der Mordversuch einer Frau an ihrem Ex-Mann. Foto: Gerd Kaemper
  • hochgeladen von silke sobotta

Wenn es um Statistiken geht, ist häufig die Rede von der „Spitze des Eisbergs“, was besagen soll, dass die Dunkelziffer vermutlich noch sehr viel höher liegt, als die festgestellten Zahlen. Wenn es dabei um Gewalt innerhalb der Familie geht, sorgt diese Annahme für mehr als nur Besorgnis. Denn in NRW und auch in Gelsenkirchen nimmt die Zahl der häuslichen Gewalt stetig zu.

Von Silke Sobotta

GE. Wenn es in der Nachbarwohnung oder dem Nachbarhaus laut wird und klar ist, dass gerade ein Streit eskaliert, neigen die Nachbarn dazu, die Fenster zu schließen und den Fernseher lauter zu stellen. Wenn die Nachbarin oder auch der Nachbar am nächsten Tag mit blauen Flecken oder einem blauen Auge den Weg kreuzt, so war es sicherlich nur ein häuslicher Unfall. Wenn die Kinder ängstlich und auffällig allen Erwachsenen gegenüber werden, so sind sie gerade in einer Phase.
Nach wie vor ist das Thema Gewalt in der Familie etwas worüber man nicht gerne spricht. Egal ob Mann oder Frau der Schläger ist, die Tatsache, dass Gewalt im Spiel ist, wird heruntergespielt und als „Sache in der Familie“ gehandelt. Doch Gewalt erzeugt oft auch Gegengewalt und sorgt so für einen fortwährenden Kreis der Gewalt.
Wurden der Polizei in Gelsenkirchen im ganzen Jahr 2010 in 640 Fälle von häuslicher Gewalt angezeigt, so wurden zwischen Januar und Juli 2012 bereits 465 Fälle aktenkundig.
Im Jahr 2010 sprach die Polizei in Gelsenkirchen 338 Wohnungsverweisungen und Rückkehrverbote gegen Partner aus, bis Juli waren es in diesem Jahr bereits 256. An Beratungsstellen wurden von der Gelsenkirchener Polizei im Jahr 2010 364 Opfer vermittelt, in 2012 sind es bereits mehr als 264.
Die Zahlen zeigen eine deutlich ansteigende Tendenz, die sich auch im Vergleichszeitraum Januar bis Juli 2011 wiederspiegeln.
Die NRW-Frauenministerin Barbara Steffen ist sich sicher, dass die Dunkelziffer noch deutlich höher liegt, aber sie ist froh, dass sich immer mehr Opfer zur Wehr setzen und die Hilfsangebote annehmen.
Bei den Anzeigen handelt es sich vorrangig um Körperverletzung, Bedrohung und in selteneren Fällen um Sachbeschädigung. In allen Fällen plädiert NRW-Innenminister Ralf Jäger: „Wichtig ist, dass häusliche Gewalt nicht als Privatsache abgetan und ignoriert wird.“ Der Minister fordert mehr Courage von den Mitbürgern, damit solche Gewalt nicht zugelassen, sondern der Polizei germeldet wird.
Denn der Minister ist sich sicher, dass ein Rückkehrverbot den Opfern hilft, Distanz aufzubauen, zur Ruhe zu kommen und Hilfe zu suchen. Darum wird der Landesaktionsplan „Gewalt gegen Frauen und Mädchen“ aufgelegt, der dazu beitragen soll, die Gesellschaft stärker zu sensibilisieren, wenn es um häusliche Gewalt geht, damit diese nicht weiter tabuisiert wird.
In Gelsenkirchen arbeitet die Polizei eng zusammen mit der Frauenberatungsstelle und dem Frauennotruf an der Kirchstraße 14. „Im Zuge des Gewaltschutzgesetzes, das in NRW im Jahr 2002 auf den Weg gebracht wurde, erhalten wir von der Polizei Kenntnis von Fällen häuslicher Gewalt, bei denen ein Rückkehrverbot ausgesprochen wurde. Suchen die betroffenen Frauen dann unsere Beratungsstelle auf, sind wir bereits über den Vorfall informiert und können den Frauen Kontakte zu einer Anwältin oder dem Frauenhaus vermitteln. Es ist aber auch möglich, dass die Frauen zunächst nur unsere Beratung wahrnehmen und Gespräche führen“, erklärt die Sozialpädagogin und Beraterin Sultan Lunkenheimer.
Die Frauenberatungsstelle wie auch das Frauenhaus in Gelsenkirchen bestätigen die polizeiliche Statistik und Sultan Lunkenheimer erklärt: „Man geht davon aus, dass jede vierte Frau von häuslicher Gewalt betroffen ist.“
Erreichbar ist der Frauennotruf unter Tel. 207713 oder am Wochenende von Freitagnachmittag bis Montagmorgen sowie an Feiertagen unter Tel. 207764.

Frau sticht Ex ein Messer in die Brust
GE. Am Freitagmorgen gegen 2 Uhr stach eine 50 Jahre alte Frau ihrem 47 Jahre alten Ex-Mann, der sich zur Tatzeit in ihrer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus an der Bismarckstraße aufhielt, mit einem Küchenmesser in die Brust.
Das Opfer lag auf einer Matratze im Wohnzimmer und schlief vermutlich. Durch den Schmerz wachte der Mann auf, konnte seine Ex-Frau noch zur Rede stellen und bat einen Nachbarn um Hilfe.
Die Frau hatte zwischenzeitlich über den Notruf die Polizei alarmiert. Die eintreffenden Einsatzkräfte konnten die 50-Jährige an Ort und Stelle festnehmen. Die vermutliche Tatwaffe stellten sie sicher.
Dem Vorfall sind nach Aussagen der Frau in der Vergangenheit, wie auch in der Tatnacht, Streitigkeiten vorausgegangen, bei denen der alkoholisierte Mann sie auch geschlagen haben soll.
Das Opfer wurde mit einem Rettungswagen einem Krankenhaus zugeführt und ist mittlerweile außer Lebensgefahr.
Die Tatverdächtige ist weitgehend geständig. Aufgrund von Vernehmungen und Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Essen beim Amtsgericht Gelsenkirchen einen Untersuchungshaftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung gegen die 50-jährige Frau beantragt. Der zuständige Haftrichter entsprach dem Antrag und nahm sie in Haft. Die Ermittlungen dauern weiter an.

Die Zahlen für Gelsenkirchen entsprechen dem Landestrend, wenn es um häusliche Gewalt geht und deren Zunahme geht. Traurige Realität!  Mit dem Landesaktionsplan „Gewalt gegen Frauen und Mädchen“ versucht der NRW-Innenminister dagegen vorzugehen. Zu seinem Plan gehören aber auch die Mitbürger, die nicht weg sehen sollten, wenn in ihrer Nachbarschaft Gewalt in der Familie ausgeübt wird. In Gelsenkirchen beweist gerade der Mordversuch einer Frau an ihrem Ex-Mann. Foto: Gerd Kaemper
Frauen, die unter häuslicher Gewalt leiden, die sie selbst oder ihre Kinder trifft, ergreifen heute oft selbst die Initiative, indem sie den Gewalttäter anzeigen. Doch auch das Umfeld sollte nicht wegschauen, sondern vielmehr die Frauen unterstützen.  Denn noch immer fühlen sich die Frauen ohnmächtig und allein. Foto: Ralf Nattermann
Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

12 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.