Einweihungsfeier der evangelischen Kirche in Hiesfeld—Schmachtendorf - heute vor 109 Jahren

Dieser Artikel wurde am 1. Oktober 1906 in der "Hiesfelder Zeitung" veröffentlicht:

Der gestrige Sonntag war für die evangelische Gemeinde ein rechtes Erntedankfest und Freudenfest, galt es doch, die Ernte nach langjähriger Arbeit einzuheimsen im geistigen Sinne, indem die Einweihungsfeier der neuen Kirche stattfand. Festgeläute aus dem ehernen Munde der Glocken kündeten am Samstagabend der Gemeinde den Freudentag an, ebenso am Sonntagmorgen. Um 1/2 11 Uhr versammelten sich die Gemeindemitglieder aus der ganzen Gemeinde und viele auswärtige Festteilnehmer in der alten Schule, wo bisher der Gottesdienst abgehalten wurde. Herr Pastor Schäfer sprach dort das Schlußgebet unter Zugrundelegung der Schlußworte des 121. Psalms: Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit. Er dankte Gott dem Herrn, daß sich auch hier die Worte bewährt hätten: “Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“

Er führte dann weiter aus: Das Lokal zur Abhaltung des Gottesdienstes sei fünf Jahrzehnte lang zum Unterricht der Jugend benutzt worden und 8 Jahre zur Verkündigung des Wortes Gottes, immer habe sich Gottes Güte bewiesen. “Unsern Ausgang segne Gott“ wurde hierauf, bevor die Andächtigen das Schulgebäude verließen, gesungen.

Nun bewegte sich der imposante Festzug, der sich zusammensetzte aus den Konfirmanden, den Mitgliedern der Presbyterien, der kirchlichen und staatlichen Behörden, aus Ehrengästen, Geistlichen der Nachbargemeinden, Repräsentanten, dem evangelischen Arbeiter—Verein und Knappenverein, sodann in unübersehbarer Zahl aus vielen anderen Festteilnehmern, unter Glockengeläute durch die herrlich geschmückten Straßen nach dem neuen Gotteshause.

An der Kirche angekommen, fand die feierliche Überreichung der Schlüssel statt.

Herr Pfarrer Diederichs schloß die Kirchtüre auf mit dem Gelöbnisse, daß in diesem Gotteshause das Wort Gottes nach der Inschrift der Glocke: “Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden“ stets verkündigt werden solle. Nach dem Präludium der Orgel, während dessen die Festversammlung ihren Einzug in die Kirche hielt, wurde die Feier eingeleitet durch den Vortrag des “Niederländischen Dankgebets“ vom Kirchenchor Hiesfeld. Sodann wurden seitens der Gemeinde zwei Strophen des Liedes “Gott Vater, aller Dinge Grund“ gesungen.

Hierauf hielt Herr Konsistorialrat Lic. Mettgenberg aus Koblenz die Weiherede. Zuerst brachte er den Psalm 24: “Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist etc.“ zur Verlesung und hob dann dankbaren Herzens hervor, daß die Kaiserin der Gemeinde eine Bibel geschenkt habe mit eigenhändigen Widmungsworten, und zwar mit 1. Petri 5 Vers 7: “Alle Eure Sorgen werfet auf Ihn, denn er sorget für Euch:“ Unter Zugrundelegung der Bibelworte Epheser 2 Vers 19 bis 22: “So seid Ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge etc.“ sagte er Lob und Dank dem Allmächtigen, der durch sorgsame und fleißige Hände, durch Opferwilligkeit und Liebe diesen Bau habe erstehen lassen. In allen Stunden, die als Merkmale im Leben stehen, sei es Taufe, Konfirmation, Abendmahl, Trauung, möge die Kirche stets eine Stätte des Friedens, des Trostes und der Erbauung sein. Nicht die äußere und innere Ausstattung der Kirche, sondern der lebendige und liebende Glaube im Menschenherzen füge Stein auf Stein zu dem richtigen Gotteshause. Das richtige Erntedankfest feiern sei, daß von hier die Segensquelle entspringe, die Frucht treibend und ewig so sei.

Sodann schritt man zur festlichen Weihe. Die Festgemeinde stimmte an: Gott heilger Christ, Du wertes Licht. Herr Pfarrer D. Hackenberg aus Hottenbach, Präses der Provinzialsynode, hielt hierauf eine Ansprache, wobei er die Grüße der Provinzialsynode der evangelischen Gemeinde überbrachte. Nach den Tagen der rbeit und Mühe, der Sorgen und dem Hoffen ruhe Hacke und Spaten. Die hiesige Gemeinde könne nun ein richtiges geistiges Erntedankfest feiern und den Lobgesang “Lobe den Herren ihr Knechte des Herrn u.s.w.“ anstimmen.

Die neue Kirche möge ein Brothaus werden, das nie versiegbar, gleich einer Quelle, die nie erschöpfbar werde. Aber nicht nur die Kirche allein solle zur Pflege des Wortes Gottes da sein, sondern überall müsse Gotteswort in Liebe und durch gute Taten als Saat ausgestreut werden, sei es bei der Arbeit, in der Kinderstube oder am Krankenlager. Denn auf eine gute Saat folge eine gute Ernte. Auf Erden Gutes säen heißt in Ewigkeit auch Gutes ernten. Gutes tun und nicht müde werden sei eine Zeit der Ernte ohne Aufhören. Wenn hier so gehandelt würde, werde das neue Gotteshaus auch seinen Zweck erfüllen.

Herr Superintendent Terlinden hielt die Liturgie und sprach über Psalm 65, womit er den Dank gegen Gott für die Kirche verband. Der Kirchenchor sang hierauf “Danket dem Schöpfer“. Herr Pfarrer Diederichs baute seine Predigt auf Psalm 100,2: “Dient dem Herrn mit Freuden“ auf, einem Spruch, der auch über dem Portal der Kirche steht. Zunächst stattete er allen, die mit zur Vollendung des Werkes beigetragen haben, seinen Dank ab. Er dankte der Opferwilligkeit der Gemeindeglieder, die durch Sammlungen mitgewirkt haben, für die Zuwendungen der Gutehoffnungshütte, die Spende des Konsistoriums und vor allem dem Gustav—Adolf—Verein, der die Gabe so reichlich fließen ließ. Es wird gedankt dem Entgegenkommen der staatlichen und kirchlichen Behörden, auch der Bauleitung, die im besten Einvernehmen mit den Ausführenden es verstanden habe, der Gemeinde ein so herrliches Haus zu schaffen. Dank führt zum Dienen, und so steht es über dem Portal: “Dienet dem Herrn mit Freuden“, und so steht es in dieser Weihestunde vor unserer Seele dieses Wort, 1. zur ernsten Prüfung, 2. zum heiligen Gelöbnis. Im ersten Teil führte der Redner aus die Prüfung unserer Zeitlage, inwieweit sie zur Beleuchtung des Dienstes unsers Herrn ein Bild gibt und auch die Selbstprüfung, ob wir als Christen durch die ganze Lebensführung das Zeugnis ablegen können, wir haben dem Herrn gedient mit Freuden und dienen ihm in Wahrheit. Im zweiten Teil mahnte der Redner, das Gelöbnis am heutigen Tage abzulegen, fortan dem Herrn mit Freuden zu dienen. Nicht nur Dienst vor Gott und unserm Herrn und Heiland, sondern Dienst an unseren Mitmenschen verlangt der Herr. Aus eigener Kraft sei es nicht möglich, aber das Gebet zu dem unsichtbaren Meister, der allezeit uns fühlbar nahe ist, gebe uns Kraft und Stärke zu freudigem Dienen vor Gott, zum Dienst an unsern Menschenbrüdern. — Nach der Schlußliturgie sang die Gemeinde unter Glockengeläute: “Nun danket alle Gott“. Eine Kollekte für den Orgelbaufonds beschloß die kirchliche Feier.

Am Nachmittage gegen 2 Uhr fand im Saale des Herrn H. Schlagregen ein gemeinsames Mittagmahl statt. Während desselben brachte Herr Konsistorialrat Mettgenberg das Kaiserhoch aus. Herr Pfarrer Diederichs begrüßte die kirchlichen und weltlichen Vertreter, sein Hoch galt dem Herrn Konsistorialrat Mettgenberg, dem Präses Hakkenberg, Landrat v. Wülfing und dem Herrn Bürgermeister Hausmann.

Herr Landrat Wülfing überbrachte die Grüße der weltlichen Behörden, sein Hoch galt Herrn Pfarrer Diederichs und dem Kirchenmeister und Beigeordneten Herrn Hermann Bollwerk, welche Se. Majestät der König, wie bekannt, den Roten Adler— Orden IV. Klasse bezw. den Königlichen Kronen—Orden IV. Klasse verliehen habe. Herr Bürgermeister Hausmann als Vertreter der Zivilgemeinde brachte der evangelischen Gemeinde die herzlichsten Glückwünsche dar und toastete auf das Blühen und Wachsen der evangelischen Gemeinde. Herr Pastor Schäfer gedachte in warmen Worten aller Mitarbeiter, der Mühe und Arbeit des Presbyteriums, insbesondere des liebevollen Waltens und Entgegenkommens des Herrn Pfarrers Diederichs und des Kirchenmeisters Herrn Bollwerk. Sein Hoch klang auf Herrn Pfarrer Diederichs aus. Herr Rektor Martini als Vertreter des Gustav—Adolf—Vereins dankte für die freundliche Einladung und übermittelte die herzlichsten Glück— und Segenswünsche des Gustav—Adolf—Vereins. Herr Hauptlehrer Laade feierte den Baumeister des neuen Gotteshauses, Herrn Architekt Heidsiek, der viel dazu beigetragen habe, daß es der Gemeinde heute beschieden sei, ein eigenes Gotteshaus zu besitzen. Herr Bollwerk feierte in kernigen Worten den Landrat Herrn v. Wülfing. Herr Pfarrer Könemann gedachte des schönen Verhältnisses, welches zwischen den beiden Pfarrern Diederichs und Schäfer herrsche und wies darauf hin, daß auch in Zukunft, wenn die Glocken— töne der beiden Kirchen ineinander verklingen, das Verhältnis zwischen Muttergemeinde und der neuen Kirchengemeinde immer ein inniges sein möge. Sein Hoch galt Herrn Pastor Schäfer. Gegen 1/2 5 Uhr nahm die Nachfeier mit dem gemeinschaftlichen Gesang “Lobe den Herren“ ihren Anfang. Der Gesang—Verein “Liederkranz“—Barmingholten, der seine Kunst in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt hatte, trug den Chor “Das ist der Tag des Herrn“ vor. Herr Pfarrer Schäfer hielt sodann eine Ansprache, der er den Psalm 147 zu Grunde legte. Hierauf begann ein gemeinschaftliches Kaffee trinken. Herr Superintendent Terlinden führte in einer Rede aus, wie infolge der immer weiter um sich greifenden Industrie in der letzten Zeit in der hiesigen Synode immer mehr Veränderungen hinsichtlich der Kirchen vorkommen, einem Bedürfnisse sei diese Gemeinde nachgekommen. Es sei dies die erste Kirche, die in diesem Geschäftsjahre geweiht wurde, im Vorjahre wären es drei gewesen. Sodann gab der Herr Superintendent einen Überblick über die Tätigkeit des Gustav—Adolf—Vereins und erläuterte die vorgetragenen Zahlen über die Unterstützung von bedürftigen Gemeinden von dem segensreichen Wirken dieses Vereins. Er dankte für die freundliche Einladung und schloß mit den Worten des Psalmisten: “Wünsche Jerusalem Frieden“.

Nachdem der Gesangverein noch ein Lied vorgetragen hatte und man gemeinschaftlich “Ich bete an die Macht der Liebe“ gesungen, ergriff Herr Pfarrer Mueller das Wort, um seinerseits den Dank für die freundliche Einladung abzustatten mit dem Hinweis, wie gern er nach Schmachtendorf gekommen sei, wo er früher gewirkt habe und mit Lust und Freude den Gottesdienst im engen Schullokale abgehalten habe. Trotz der Schlichtheit des Raumes seien
es rechte Erbauungsstunden gewesen, die dort verbracht wurden. Es möge auch im neuen Gotteshause stets Fülle an dem Brot und Wasser des Lebens sein und seitens der Gemeindemitglieder der Hunger und Durst nach Gerechtigkeit dort gestillt werden. Mit dem Segenswunsch “Gott segne und beschütze Euch, das walte Gott“ schloß der Herr Redner. Herr Pfarrer Schäfer dankte Herrn Pfarrer Diederichs und dem Presbyterium nochmals und überreichte der Muttergemeinde ein Taufbecken als Geschenk der neuen Kirchengemeinde. Herr Pfarrer Diederichs sprach den Dank der Muttergemeinde aus und versprach, daß sie auch fernerhin tun werde, was ihr zu tun gebühre, zum Heil der ganzen Gemeinde, zu Ehren Gottes des Herrn. Der Präses der Provinzialsynode, Herr D. Hackenberg, richtete nun noch einige Worte als Landpastor an die Versammlung, in welchen er an einigen Beispielen beim Kirchbau in seiner Gemeinde die hiesigen Gemeindemitglieder ermahnte, daß das neue Gotteshaus eine rechte Paulus—, Marien— und Christuskirche sein mögen. Der Gesangverein “Liederkranz“ trug alsdann noch einige Lieder recht wirksam vor. Nachdem der erste Vorsitzende des Evang. Arbeiter—Vereins, Herr Gerhard Sevenheck, noch Herrn Pfarrer Diederichs den Dank für die Einladung des Vereins zum heutigen Feste in warmen Worten abgestattet hatte, schloß die erhebende Feier mit einem Gebet des Herrn Pfarrer Schäfer und mit dem gemeinschaftlichen Gesang: “Die Gnade unsers Herrn Jesu Christi“. Die Feier gestaltete sich zu einer imposanten erheben— den Gemeindefeier und werden die Teilnehmer nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich davon berührt worden sein.“

Autor:

Tobias Szczepanski aus Oberhausen

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