Die Düfte Arabiens

Foto: privat

54 Flüchtlinge, Männer, Frauen und Kinder, hauptsächlich aus Syrien, beherbergt die evangelische Kirchegemeinde Königshardt-Schmachtendorf in der Kirche an der Kempkenstraße. Als Hilfestellung und zur Unterstützung der Flüchtlinge haben sich Gruppen gebildet, so beispielsweise für Deutschkurse, Begleitung bei Arzt- oder Behördenbesuchen, Kinderbetreuung.

Reiner Beck, Sprecher und Gruppenleiter für die Freizeitgestaltung, konnte nun mithilfe der Königshardter „Kochjungs“ die Frauen der Flüchtlinge einladen zu einem gemeinsamen Kochen am Sonntag mit anschließender Bewirtung aller Kirchen-Bewohner und Mitwirkenden im Gemeindehaus am Buchenweg.
Eigentlich war beabsichtigt, dass arabische und deutsche Gerichte, zubereitet von überwiegend syrischen Frauen und deutschen Männern, auf den Tisch kommen - diese Version hatte keine Chance.
Bei der Vorstellung der Idee von Reiner Beck in der Kirche waren die Frauen sofort Feuer und Flamme. „Vorher waren immer nur Männer zu sehen, nun war ich plötzlich von Frauen umringt. Sofort fingen sie an zu diskutieren, schrieben Rezepte auf - sie waren begeistert.“
Lange Einkaufslisten entstanden. Um Missverständnissen vorzubeugen, waren einige der Frauen beim Einkauf der Zutaten in einem orientalischen Supermarkt in Essen dabei. Die Lebensmittel wurden bestellt und Reiner Beck hatte ordentlich an ihnen zu schleppen, als er sie am Tag vor dem Kochevent abholte.
Bereits am Abend vor dem Termin treffen sich neun Damen aus der Kirche in der Küche und beginnen mit den Vorbereitungen. Drei Stunden dauert die erste Schicht. Für den Sonntag ist mit sechs bis sieben Stunden Arbeit zu rechnen.
Als dann die teilnehmenden „Kochjungs“ mit ihren „Kochmädels“ am Arbeitsplatz eintreffen und mitarbeiten wollen, stehen sie vor wahrhaft riesigen Mengen geschnittener Kräuter, zerkleinertem Gemüse, Geflügelhack und vielem mehr. Die Tüten sind in arabischer Sprache beschriftet, so dass geschnüffelt und recherchiert werden muss, um halbwegs herauszufinden, worum es sich bei den Dingen handelt: Bulgur, Minze, Strash Pulver aus Beirut, ganze getrocknete Zitronen, Stangenzimt gebrochen, Zitronensäure, Kurkuma, Koriander, Kabseh-Gewürz, Kreuzkümmel - und unendliche Mengen Petersilie.
Die Flüchtlingsfrauen geben den Deutschen keine Gelegenheit zur Mithilfe. Energisch weisen sie jeden Versuch ab, Hand anzulegen. Hilfe brauchen sie einzig beim Suchen der Haushaltsgeräte, eine kurze Einweisung in die Bedienung des Herdes oder andere Elektrogeräte - und raus sind die heimischen Kräfte. Erst ziemlich zum Schluss dürfen einige Männerhände wenige Arbeiten übernehmen.
Star der Truppe ist Salva, vier Monate alt. Sie liegt im Kinderwagen und bezaubert alle mit ihrem Lachen und den großen dunklen Augen.
Natürlich schauen alle Abgewiesenen immer wieder neugierig in die Küche - was wird auf den Tisch kommen? Für etwa 70 Personen? Wie schaffen die Köchinnen das? Erstaunlich: Jede der Frauen scheint zu wissen, wer was zu tun hat, dabei kennen sich alle erst seit ihrer gemeinsamen Zeit in der Kirche in der Kempkenstraße. Niemand steht untätig herum. Die Essensberge wachsen.

Belegte Brötchen als Zwischenmahlzeit

Inzwischen wird sehnsüchtig auf die Dolmetscherin gewartet. Fadya Chinnawi ist eine geborene Palästinenserin, seit 25 Jahren in Deutschland, ist hier in Oberhausen zur Schule gegangen. Bei einer Sachspenden-Übergabe konnte sie Hilfe als Übersetzerin anbieten, und nun arbeitet sie ehrenamtlich in der Gemeinde mit. Sie hat viel zu tun. „Alle Flüchtlinge sprechen arabisch“, sagt sie, „es gibt zwar verschiedene Dialekte, aber sie sind gut verständlich, das ist kein Problem.“
Reiner Beck hat auch seine Frau involviert. Von ihr kommen „als Zwischenmahlzeit“ belegte Brötchen, Dipps und Salat. Die arabischen Damen lassen sich keine Zeit für eine gemütliche Mahlzeit, sie nehmen die Brötchen mit in die Küche und essen dort.
Die Kinderbetreuerin trifft ein, aber es sind noch keine Kinder da. Später dann können sie im Jugendraum der Gemeinde spielen oder draußen vor der Tür, es sind Spiele da und vorbereitet.
Um halb fünf dann ist es so weit. Zwei lange Tafeln werden gebraucht, um allen Speisen Platz zu geben: Gefüllte Weinblätter und Hackbällchen in Unmengen, Hummus, arabische Salate, gekochtes Joghurt mit Fleisch, Reis, Linsensuppe, Brot. Wer soll das alles essen?
Inzwischen sind fast alle restlichen Bewohner aus der Kirche und andere ehrenamtlich Mitarbeitende im Haus, der Saal brummt. Lecker ist das Essen, ungewohnt, mal was anderes. Wer hier nicht satt wird, ist es selber schuld.
Die Kinder, es sind viele und es sind deutsche und die aus der Kirche, toben auf der Bühne und im Raum. Sie spielen gemeinsam, als hätten sie das schon immer getan.
Nach dem Essen endlich können sich die Kochjungs und ihre –mädels revanchieren. Jetzt sind sie es, die die arabischen Damen nicht helfen lassen. „Ihr habt gekocht und jetzt sind wir dran!“ Auch sie haben Stunden zu tun. Zwischendurch stiehlt sich dann doch die eine oder andere fremde Hand ans Spülbecken oder ans Küchenhandtuch - aber das ist in Ordnung.

Autor:

Klaus Bednarz aus Dinslaken

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