Verwandlung war das Gesetz


Zum 50. Todestag des Schriftstellers und Akademiepräsidenten Hermann Kasack am 10. Januar


„Die Verwandlung war das Gesetz. Freude in Schmerz und Schmerz in Freude. Tod verwandelte sich in Leben und Leben in Tod“. So lautet einer der zentralen Sätze in Hermann Kasacks 1947 erschienenen Roman „Die Stadt hinter dem Strom“.

Das bereits während des Zweiten Weltkriegs begonnene Erzählwerk, für das der Autor 1949 mit dem Fontane-Preis und 1956 mit der Goethe-Plakette ausgezeichnet wurde, präsentiert das düstere Bild einer Gesellschaft der Toten. In kafkaesker Manier schuf Kasack - unter dem Eindruck totaler Zerstörung - ein mythisches Höllengemälde um den Protagonisten Robert, der von der Sinnlosigkeit seiner eigenen Existenz überzeugt ist.
Die Absurdität menschlichen Handelns stellt Kasack, der stets Dichter und Literatur-Vermittler in Personalunion war, symbolisch durch eine große Fabrik dar. Dort existieren Anlagen, in denen minutiös Kunststeine produziert werden. In unmittelbarer Nachbarschaft werden die fertigen Steine zu Schutt zermahlen und später wieder als „Rohstoff“ der Produktion zugeführt.
Auch in seinen späteren Werken hat sich Kasack, der 1960 mit der Leo-Tolstoi-Gedenkmedaille des Maxim-Gorki-Instituts für Weltliteratur in Moskau ausgezeichnet worden ist, als scharfsinniger Analytiker erwiesen. Im „Webstuhl“ (1949) zeichnet er den Aufstieg und Untergang eines totalitären Regimes nach, und drei Jahre später nahm er in „Das große Netz“ auf äußerst gekonnte satirische Weise den sich etablierenden bürokratischen Staatsapparat aufs Korn.

Dieser kritisch-pessimistische Grundtenor passte nicht in die „Wohlstandsphilosophie“ der Adenauer-Ära, so dass Kasack außerhalb des Literaturbetriebs mit seinen Werken kaum Freunde gewinnen konnte.
Der Literatur hatte sich der am 24. Juli 1896 in Potsdam geborene Sohn eines Arztes schon früh gewidmet. Noch während der Studienjahre in Berlin erschien der Lyrikband „Der Mensch“ (1918), als 24-Jähriger trat er ins Lektorat des Kiepenheuer Verlags ein, wechselte später in gleicher Funktion zu Fischer und während des Zweiten Weltkriegs als Nachfolger Oskar Loerkes zu Suhrkamp. Außerdem war Kasack schon in den 1920er Jahren einer der Pioniere der literarischen Rundfunkarbeit.

Während der NS-Zeit konnte Kasack, obwohl er am 26. Oktober 1933 das fragwürdige „Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler“ unterzeichnet hatte, so gut wie nichts publizieren. Es erschien aus seiner Feder lediglich 1944 in der „Neuen Rundschau“ die 1996 neu aufgelegte, schmale Erzählung „Das Birkenwäldchen“, die er seinem inhaftierten Verlags-Chef Peter Suhrkamp gewidmet hatte.
1948 war Kasack einer der Mitbegründer des Deutschen PEN-Zentrums und stand später zehn Jahre lang als Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt vor. Auch in dieser Zeit erwarb er sich noch große Verdienste als Vermittler von Literatur. Zwei von ihm zusammengestellte Gedichteditionen bewahrten das Werk der jüdischen Lyrikerin Gertrud Kolmar vor der völligen Vergessenheit. 1955 wurde seine Oper „Die Stadt hinter dem Strom“ (vertont von Hans Vogt) in Wiesbaden uraufgeführt.
Der bedeutende und weit unterschätzte Erzähler Hermann Kasack, der am 10. Januar 1966 in Stuttgart (fast völlig erblindet) im Alter von 69 Jahren gestorben ist, hat im Nachkriegsliteraturbetrieb keine echte geistige Heimat mehr gefunden. Eine Passage aus seinem Meisterwerk „Die Stadt hinter dem Strom“ liest sich heute gerade so, als habe Kasack sich selbst in der Figur des Protagonisten Robert porträtiert: „Als sich die Witwe erkundigte, ob es stimme, daß man auf der nächsten Station umsteigen müsse, sagte Robert, er habe den Eindruck, daß alle in falscher Richtung führen.“
In seiner Geburtsstadt Potsdam erinnert – unweit von Schloß Belvedere – eine Hermann Kasack gewidmete Straße an den heute (leider) beinahe vergessenen bedeutenden Literaten des 20. Jahrhunderts.

Autor:

Peter Mohr aus Wattenscheid

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