Die Erzählung von Trudi 2

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Ausschnitt aus dem Buch

Das Abenteuer begann

Trudi huschte über den Hof, durch den Garten bis vor den alten, hölzernen Zaun. Hier war der Weg erst einmal zu Ende. Sie schlich den Zaun entlang auf der Suche nach einem losen Brett. Endlich fand sie eine lose Zaunlatte, ganz hinten bei dem Komposthaufen. Sie schob die lockere Holzlatte zur Seite und schlüpfte hindurch.
Da stand sie nun auf der anderen Seite des Zaunes, hier war die Kleine noch nie gewesen. Der schmale Feldweg, der an den Gärten entlang führt, kommt ihr unheimlich vor. Links standen die hohen Halme des Korns und rechts der alte, hohe Lattenzaun. Alles war so groß.
Trudi kam sich noch kleiner vor. Sie warf einen scheuen Blick über die
Schulter. Und da standen sie, die bunten Blumen, die sie so gerne näher
betrachten wollte. Trudi umfasste eine Blüte mit ihren Händen und hob sie
zur Nase empor. Hm, wie gut die Kamille duftete und wie rot der Mohn
leuchtete. Die Kleine konnte sich nicht satt sehen. Je weiter Trudi ging, um
schöner kamen ihr die Blumen vor. Gleich um die Ecke standen die lustigen,
blauen Kornblumen mit ihren ausgefransten Blütenblättern. Trudi ging immer
weiter und entdecke immer schönere Wildkräuter an dem Kornfeldrand. Sie
merkte nicht, dass sie schon lange von dem Feldweg in die schmalere
Ackerbegrenzung eingebogen war. Sie ging mit staunenden Augen immer
tiefer in das Kornfeld hinein.
Plötzlich hörte sie ein leises Rascheln und hopp - ein kleiner Hase hüpfte
direkt vor Trudis Füße - man kann nicht sagen wer mehr erschrak. Trudis
Herz schlug so schnell, dass sie es mit beiden Händen festhielt und das
Häschen zitterte so sehr, das die langen Ohren wackelten. Doch so
überraschend, wie er gekommen war, verschwand der Hase auf der anderen
Feldseite. Jetzt bemerkte die Kleine, dass sie sich verlaufen hatte und die
Häuser nicht mehr sehen konnte, die Halme standen zu dicht und waren zu
hoch.
Ein kalter Schauer kroch ihr über den Rücken und eine Faust drückte ihr den
Magen zu. Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie nahm eine Hand und wischte
das Nass aus den Augen - mit furchtsamen Herzen ging Trudi den Pfad
weiter - vorne erblickte sie einen grünen Streifen und helles Sonnenlicht.
Schnell rannte Trudi darauf zu. Doch was für eine Enttäuschung. Das hier
war nicht der bekannte Holzzaun vor den Gärten sondern ein
Stacheldrahtzaun, der eine Viehweide begrenzte.
Was nun? Hier war der Weg zu Ende. Trudi lies ihren Tränen freien lauf, ein
Schluchzen entfuhr ihrer Kehle. Das hörte auch der Bauer, der gerade die
Kühe auf die Weide trieb. Er sprach die Kleine an:" Hallo kleines Fräulein! Ich
bin Bauer Grossmann und du erzählst mir jetzt wie du heißt und wo du
herkommst." Trudi redete sich ihren Kummer von der Seele. "Keiner will mit
mir spielen. Die anderen Kinder sagen ich bin dumm, weil ich noch so klein
bin.
Aber ich bin nicht dumm, sie spielen nur so blöde Sachen, da kann ich nicht
mitmachen. Sie laufen auf ein Seil zu, welches zwei andere Kinder schlagen
und hüpfen mal mit einem, mal mit beiden Beinen über das Seil. Einmal habe
ich es versucht doch das Springseil wickelte sich um meine Beine und ich fiel
auf die Strasse. Die Kinder lachten und scheuchen mich dann davon. Oder
sie werfen drei Bälle an die Hauswand und schnappen sei wieder auf um sie
erneut zu werfen. Ich habe es ja versucht, doch meine Hände sich zu klein,
ich konnte die dicken Bälle nicht halten."
Da sagte der Bauer:" Ja wenn das so ist, dann bist du bei mir richtig. Komm!
Sei nicht mehr traurig! Krieche unter den Zaun her, und ich verrate dir ein
Geheimnis."
Vorsichtig schob sich Trudi unter den Zaun hindurch, genauso wie Herr
Grossmann es ihr riet. Sie gab ihm die Hand und gemeinsam gingen sie über
die grüne, mit bunten Blumen besetzte Wiese hinüber zu einem langsam
fließenden Bach. Trudi hatte ein schlechtes Gewissen, weil ihre Mutter ihr
verboten hatte mit Fremden mitzugehen. Aber der Bauer war doch jetzt ihr
neuer Freund und sie vergaß schnell die mahnenden Worte der Mutter.
Trudi hatte Glück, denn der Bauer Grossmann war ein Kinderfreund und
hatte nichts unrechtes im Sinn. Trudi hörte zu, was Herr Grossmann erzählte:
" Dieses ist kein gewöhnliches Wasser, sondern ein Zauberbach, der dir,
wenn du traurig bist, Geschichten erzählen kann. Du darfst aber niemanden
davon erzählen, weil sonst der Zauber nicht wirkt. Immer wenn du einsam
bist, dann komme hierher und setze dich an sein Ufer. Wenn du fest daran
glaubst, wird er dir seine Geschichten erzählen. Ich kann dir jetzt schon
verraten, dass der Wind und das Wasser viel erleben und sehen." So etwas
hatte Trudi noch nie gehört - ein Bach, der sprechen konnte - das gab es
doch nur im Märchen. Oder nicht? Trudis Interesse war geweckt. Sie
versprach: "Ich werde es keinem erzählen und komme ganz bestimmt
morgen wieder."
Sie gab dem Bauer zum Abschied die Hand und ging den Weg zurück, den
Herr Grossmann ihr zeigte. Sie freute sich schon auf den nächsten Tag.

Autor:

Gertrud Gottschalk aus Datteln

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