"Proberaum Leben" im Theater Unten

Kurt Reinstein (l.) füllt mit seinen jüngeren Mitstreitern den Proberaum mit Leben. | Foto: Schauspielhaus
  • Kurt Reinstein (l.) füllt mit seinen jüngeren Mitstreitern den Proberaum mit Leben.
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Das Kompetenzzentrum für Kultur und Bildung im Alter – kurz IBK Kubia – sucht im Rahmen des Theaterwettbewerbs „Reif für die Bühne“ im Zwei-Jahres-Rhythmus zeitgemäße Stücke für Seniorentheater. Im Jahr 2014 wurde Verena Meyer für ihr Drama „Proberaum Leben“ ausgezeichnet. Die Uraufführung wurde ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt Regisseurin und Theaterpädagogin Sandra Anklam, die dem Bochumer Schauspielhaus seit Jahren verbunden ist.
Das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen förderte die Uraufführung, die im Dezember im Theater Unten zu sehen war. Intergenerative Projekte bilden einen der Schwerpunkte in Anklams Arbeit.
Sie möchte das Stück „Proberaum Leben“ nicht auf die Seniorenthematik reduziert wissen: „Es geht um Fragen, die alle betreffen.“ – „Menschen sind Menschen. Themen wie Liebe und Sterben sind auch für junge Leute bedeutsam“, stimmt Autorin Meyer zu. Für die Umsetzung auf der Bühne wurden daher Jugendliche und Best Ager gesucht.
„Jugendliche für Theaterprojekte zu gewinnen“, erklärt Anklam, „ist nie ein Problem. Bedenken hatte ich bei der älteren Generation, aber dann sind wir von Anfragen förmlich überrannt worden.“ – Die Akteure auf der Bühne sind zwischen 15 und 78 Jahren alt. – Vom Verlauf der Probenarbeit zeigt sich die Regisseurin ebenfalls angetan: „Wir haben am 1. September angefangen. In kurzer Zeit wurden ungewöhnlich gute Arbeitsergebnisse erzielt.“
„Proberaum Leben“ ist ein komplexes Bühnenwerk, das ausgetretene Pfade verlässt. „Der Text ruht auf drei Säulen: Spielszenen in Alltagssprache werden mit Auszügen aus Shakespeare-Dramen konfrontiert. Werbespots befassen sich ironisch-unterhaltsam mit der Tendenz zur Drittkar-
riere und gesellschaftlichen Tabus“, gibt Verena Meyer Einblick. Auf eine durchlaufende Handlung wird dabei verzichtet.
Carolina Braun, die zu den jüngsten Teilnehmern gehört, erklärt die Ausgangssituation im Stück: „Die 21 Menschen, die sich im Proberaum einfinden, kennen einander nicht. Der erwartete Spielleiter kommt nicht. Da stellt sich die Frage: Brauchen wir überhaupt eine Leitung?“ – „Es bleibt Raum für Improvisation“, ergänzt Anklam. Braun bestätigt: „Jeder Teilnehmer hat etwas dazugegeben.“
Shakespeare gibt Anstöße für den Dialog zwischen den Generationen: Die älteren Mitspieler können sich noch gut daran erinnern, welch große Rolle die soziale und ethnische Herkunft in ihrer Jugend bei der Partnerwahl spielte. Ist das heute passé?
Die ausgesprochen amüsanten Werbespots, die ebenfalls von den Mitspielern gestaltet worden sind, persiflieren das Versprechen ewiger Jugend. Der Hintergrund ist durchaus ernst, verbirgt sich dahinter doch die Angst vor Sterben und Tod. Erinnern und Vergessen stehen ebenso auf der Agenda wie der Umgang mit Sexualität in den verschiedenen Lebensphasen. Die Werbe-Einspielungen erweisen sich dabei als echte Publikumslieblinge.
Bei der Umsetzung setzt Anklam nicht allein auf das gesprochene Wort: „Bewegung ist auf der Bühne von zentraler Bedeutung.“ – „Das Ganze ist Knochenarbeit“, gesteht der 78-jährige Kurt Reinstein, „zumal auch die eingebauten Chöre hohe Anforderungen stellen.“ Thematisch passend werden Songs von „New Model Army“ und „Fun“ eingefügt.
Reinstein blickt auf eine langjährige Tätigkeit in der freien Theaterszene zurück. Im Mülheimer Ringlokschuppen hat er bereits an einem generationenübergreifenden Theaterprojekt mitgewirkt. – Man merkt dem Ensemble an, wie viel Freude ihm die Interaktion zwischen den Generationen bereitet. Auch Sandra Anklam hofft, die Gruppe zusammenhalten zu können: „Dieses Mal hat es außergewöhnlich gut harmoniert – und ich gehöre nicht zu denen, die das bei jedem Projekt sagen.“ Man darf also gespannt sein, was die Zukunft bringt.
Das Premieren-Publikum musste trotz der ernsten Themen, um die es geht, immer wieder herzlich lachen. Aber philosophische Tiefe und Humor schließen sich ja nicht aus.

Autor:

Nathalie Memmer aus Bochum

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