Keine Entspannung für 2018: Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum besteht seit 20 Jahren

Das Team der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum. | Foto: Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V.
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„Wir wollen die Menschen stark machen“, sagt Maren Wenzel, Pressesprecherin und Referentin für politische Bildung, über die Arbeit der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum (MFH). Der Verein, der seinen Sitz am Dr.-Ruer-Platz in der Innenstadt hat, feierte jetzt sein 20-jähriges Bestehen.

Rund 1.200 Kontakte zu Hilfesuchenden vom einmaligen Anruf bis zur mehrmonatigen Therapie verzeichneten die Mitarbeiter 2016. „Die Nachfrage ist in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen“, sagt Wenzel. 2014 lag die Anzahl der Kontakte noch bei 800.
Ursprünglich wurde die MFH 1997 als medizinische Vermittlungssprechstunde gegründet, um Menschen ohne Aufenthaltsstatus und Ausweispapiere eine ärztliche Versorgung zu ermöglichen. Da sie nicht zum Arzt gehen konnten, ohne dass dieser ihre Daten der Ausländerbehörde melden musste, drohte immer die Gefahr der Abschiebung. „Die Leute sind vor einer Behandlung zurückgeschreckt, was im Endeffekt lebensgefährlich sein konnte“, schildert Wenzel die Problematik.

Wöchentliche Sprechstunde

Auf Initiative einiger Bochumer wurde daher 1997 eine wöchentliche Sprechstunde im Bahnhof Langendreer eingerichtet, bei der die Erkrankten an Ärzte vermittelt wurden, die sie anonym behandelten. „Die Sprechstunde gibt es immer noch, aber heute bieten wir sie telefonisch an“, so Wenzel. Und auch die rechtliche Lage der Flüchtlinge habe sich gar nicht so sehr geändert. Seit 2009 gebe es den verlängerten Geheimnisschutz, der besage, dass Ärzte nicht mehr die Behörden informieren müssen. Doch ob der Schutz angewandt wird, liegt im Ermessen der Kommunen. „Bochum wendet ihn nicht an“, erklärt Wenzel.
Seit der Gründung hat sich das Aufgabenspektrum der MFH, die sich als psychosoziales Zentrum für die Überlebenden von Folter und Krieg versteht, ausgeweitet. Das Spektrum umfasst die Sozialarbeit – sowohl in Bochum als auch im Ennepe-Ruhr-Kreis. Hier unterstützen die Mitarbeiter die Klienten etwa bei der Suche nach einer Wohnung, eines Sprachkurses oder einer Arbeitsstelle, und auch Beratungen zum Asylantrag gehören dazu. Seit 2015 werden dazu auch zwei mobile Beratungsbusse eingesetzt.

Psychotherapie

Ein weiterer Baustein der Arbeit der MFH ist die Psychotherapie. „Wir haben Psychologen, die Gesprächs- und Gruppentherapien anbieten“, so Wenzel. Sie helfen auch, wenn sich ein Klient in einer Krisensituation befindet, zum Beispiel wenn er aufgrund einer Posttraumatischen Belastungsstörung an Angstzuständen leidet.
Zudem ist die MFH darauf spezialisiert, Folterspuren von Misshandlungen aus den Herkunftsländern der Klienten in einem Gutachten zu dokumentieren. „Die Gutachten können beim Asylantrag geltend gemacht werden, um zu beweisen, dass jemand verfolgt wird“, erläutert Wenzel. Daneben stellt die MFH im Kampf gegen internationale Straflosigkeit der Bundesanwaltschaft Gutachten zur Verfügung, damit diese gegen das Herkunftsland Anklage erheben kann.
Darüber hinaus leistet die MFH, die Mitglied im Paritätischen ist und partei- und religionsunabhängig arbeitet, allgemeine Menschenrechtsarbeit. So betreut Maren Wenzel aktuell ein Projekt, das sich mit dem Thema Fluchtursachen beschäftigt. Zugleich arbeitet die MFH mit internationalen Kooperationspartnern in den Ländern, aus denen Menschen fliehen, zusammen. Das war etwa 2016 der Fall, als Mitarbeiter zur Prozessbeobachtung nach Istanbul reisten, als dort Menschenrechtler und Journalisten vor Gericht standen. „Wir beziehen Stellung und versuchen, gegen solche Regime zu agieren“, so die Referentin für politische Bildung.

Umzug geplant

Durch die steigende Nachfrage nach den Angeboten der MFH, die sich durch projektgebundene Landes- und Fördermittel sowie Spenden finanziert, ist auch die Zahl der Mitarbeiter gestiegen. Zurzeit beschäftigt der Verein 23 Mitarbeiter – hinzu kommen Ehrenamtliche –, so dass die Räume am Dr.-Ruer-Platz nicht mehr ausreichen und ein Umzug innerhalb der Innenstadt bevorsteht. „Wenn man die MFH von dort entfernen würde, würde sie unsichtbar, und das wäre das falsche politische Zeichen“, sagt Maren Wenzel. Zudem sei ein Standort in der Innenstadt sicherer – sowohl für die MFH selbst als auch für ihre Klienten. „Es gefällt nicht jedem, was wir tun.“ So habe die Einrichtung beispielsweise auf einer Liste des NSU gestanden.
Angesichts zahlreicher Krisenherde auf der Welt geht man bei der MFH davon aus, dass sich auch künftig viele weitere Menschen zur Flucht entschließen werden. In Afghanistan und Syrien gebe es noch keinen Frieden, Bangladesch sei durch den Klimawandel bedroht, und in Somalia herrschten unter anderem Terror, Folter und Frauendiskriminierung, nennt Wenzel Beispiele.
Somit werde auch die Arbeit der MFH nicht abnehmen. „2015/16 waren wir immer über unserer Kapazitätsgrenze, und bis heute sind unsere Wartelisten leider zu lang. Das wird sich auch 2018 nicht entspannen“, sagt Maren Wenzel.

Das Team der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum. | Foto: Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V.
Mitarbeiter und Freunde der MFH bei der 20-Jahr-Feier im Bahnhof Langendreer. | Foto: Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V.
Autor:

Vera Demuth aus Bochum

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