Von der deutschen Verantwortung

Niema Movassat ist MdB aus Essen und Obmann im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
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  • hochgeladen von Daniel Kerekeš

In den letzten Wochen erleben wir einen bedeutenden Kurswechsel der deutschen Außenpolitik. Mehrere deutsche Spitzenpolitiker haben klar gestellt, dass Schluss sein muss mit einer Politik der militärischen Zurückhaltung. Stattdessen wollen sie „mehr Verantwortung“ auf der Weltbühne übernehmen – auch und insbesondere in Afrika. Und ob es Bundespräsident Gauck, ob es Außenminister Steinmeier, oder aber die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist – für sie alle heißt Verantwortung offenbar schlicht: mehr deutsche Soldaten ins Ausland. Es vergeht zurzeit keine Woche im Hohen Haus, in der wir nicht irgendeinen neuen Auslandseinsatz der Bundeswehr diskutieren.

Insbesondere in Mali und der Zentralafrikanischen Republik möchte sich die deutsche Regierung ihrer „neuen Verantwortung“ stellen. Schauen wir uns die zwei geplanten Einsätze etwas genauer an. Im Begründungstext der Regierung für den Bundeswehreinsatz in Mali ist zu lesen, dass die Bundesregierung damit den „europäischen Partnernationen den notwendigen Spielraum“ geben will, ihre „militärischen Beiträge“ in Afrika „neu zu priorisieren. Übersetzt heißt das: Die Bundeswehr macht eine Ausbildungsmission für malische Soldaten – was kein Krieg ist, keine Frage. Gleichzeitig kündigt die Bundesregierung an, dass Sie damit explizit Frankreich den Rücken freihalten will. Dadurch trägt die Bundesregierung eine Mitverantwortung für die schmutzigen Einsätze dieser Ex-Kolonialmacht.
Dass Frankreich handfeste Eigeninteressen in Afrika verfolgt, ist nichts Neues. An einer Wiederherstellung der Souveränität Malis ist ihr auch im aktuellen Konflikt nicht gelegen. So ist Frankreich gerade dabei, mit Mali ein Militärabkommen abzuschließen, welches es den Franzosen erlaubt, dauerhaft eigenständige Militäroperationen auf malischem Hoheitsgebiet durchzuführen. Die Kosten für dadurch verursachte Schäden soll die malische Regierung aber selber zahlen. Mit ihrem Einsatz in Mali unterstütz die Bundesregierung genau dieses unverantwortliche Agieren Frankreichs!

Ähnlich stellt sich die Lage in der Zentralafrikanischen Republik dar: Auch hier schlägt sich Deutschland eindeutig auf die Seite Frankreichs, das selbst eine große Verantwortung für die derzeitige Eskalation vor Ort trägt. Der deutsche Beitrag zur EU- Mission in der Zentralafrikanischen Republik ist zwar zweifelsfrei eher symbolisch: Zehn Soldaten, zwei Transportflugzeuge, ein Sanitätsflugzeug. Keine Frage, Deutschland führt keinen Krieg in der Zentralafrikanischen Republik. Aber Deutschland ist Teil der EU-Mission, Deutschland wird in deren Führungsstab vertreten sein. Damit wird Deutschland auch die Kampfentscheidungen der EU-Mission mitbestimmen und somit zumindest Beihilfe zum Krieg leisten.

In Mali wie in der Zentralafrikanischen Republik schickt sich die Bundesregierung also an, dem wirtschaftlich angeschlagenen Frankreich dabei zu helfen, ihre neokolonialne Afrikapolitik fortzusetzen. Aber wir wollen gar nicht mit dem Finger nur auf Frankreich zeigen. Die deutsche Bundesregierung verfolgt mit ihrem Agieren auch handfeste eigene Interessen. Ihre Rhetorik und Ihr Handeln erwecken den Eindruck, als wolle sie mit ihrem militärischen Eingreifen auch für Deutschland wieder einen „Platz an der Sonne“ sichern. Deutschland zeigt nicht nur eine neue militärische Präsenz auf der Weltbühne. Gleichzeitig kann die Bundeswehr dadurch auf afrikanischem Gebiet trainiert und damit auf weitere, zukünftige Auslandseinsätze vorbereitet werden. Auch vor diesem größeren strategischen Hintergrund ist auch dieser Einsatz zu sehen.

DIE LINKE lehnt das militärische Eingreifen Deutschlands in Mali und der Zentralafrikanischen Republik klar ab. Stattdessen sollte Deutschland erstens mäßigend auf Frankreich einwirken, und deutlich zu machen: Es muss Schluss sein mit einer neokolonialen Ausbeutung Afrikas! Zweitens darf Deutschland keine militärische Zusammenarbeit mit zwielichtigen Regimen in Afrika betreiben. Und drittens muss Deutschland aufhören, Waffen nach Afrika und sonst wo auf der Welt zu schicken. Man weiß insbesondere bei Kleinwaffen nie, wo sie am Ende landen. Das sind die modernen Massenvernichtungswaffen, die bei jedem Konflikt dabei sind. Sicherlich waren auch deutsche Kleinwaffen in den Händen der Seleka Rebellen, die im März 2013 den Präsidenten Zentralafrikas stürzten und damit Chaos über das Land brachten.

DIE LINKE ist die einzige Fraktion im Bundestag, die sich klar gegen diese Militarisierung der deutschen und europäischen Außenpolitik stellt. Es gibt keine Verantwortung, mehr Soldaten zu entsenden, keine Verantwortung, sich verstärkt an Kriegen zu beteiligen Militärische Einsätze lösen keine Konflikte. Stattdessen sollte Deutschland seine Verantwortung wahrnehmen, Krisenprävention zu betreiben sowie mehr humanitäre Hilfe in Krisengebieten zu leisten.
In diesem Jahr begehen wir den 100. Jahrestag des Beginns des ersten Weltkriegs. Gerade da wäre ein wenig Reflexion, wohin Krieg, wohin Interventionen, wohin der Einsatz militärischer Gewalt am Ende führen, dringend geboten.

von Niema Movassat, Mitglied des Deutschen Bundestages für die Partei DIE LINKE. aus Essen.

Autor:

Daniel Kerekeš aus Essen

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